Der Zauber des Denkens. Siegfried Reusch
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Kann die akademische Philosophie nicht eine beratende Funktion einnehmen?
Wer in der Lage wäre, Wirtschaftsführern, Arbeitslosen oder Politikern einen vernünftigen Rat – und jetzt benutze ich einmal den Sinn des Wortes – zu geben, hätte sich nicht so lange an der Universität aufhalten dürfen. Ethikkommissionen sind etwas Lächerliches. Ich war selbst in solchen und habe dann durch Fachvorträge über die Arbeitszeitverkürzung bei VW überrascht. Ich habe auch einen Begriff für die akademischen Berater gefunden: Ethisches Sandmännchen.
Denken Sie nicht, dass es so etwas gibt wie ethische Probleme?
Ethische Probleme? Gibt es nicht. Die Ethik ist ein riesiges Missverständnis, denn subjektiv strebt doch jeder nach Wahrheit, beziehungsweise glaubt zumindest jeder, das Richtige zu denken und zu tun. Zeigt das nicht die Sinnlosigkeit der Ethik?
Ob jemand hilfsbereit ist oder ein KZ betreibt, in jeweils subjektiv bester Absicht, würde also objektiv auf der gleichen Stufe stehen?
Wir sind in Deutschland, also ist die KZ-Frage erlaubt. Ich antworte also: Ja, wer bester Absicht ist, steht objektiv auf gleicher Stufe. Die Frage ist, welche Konsequenz ich daraus ziehe. Sicher ist die Anerkenntnis des subjektiven Rechthabens eine Folge der Aufklärung. Wenn ich aber jemanden überzeugen soll, nämlich das, was ich für richtiger und politisch korrekter halte, sollte ich das nicht „Ethik“ nennen, sondern „Rhetorik“. Ich überzeuge nämlich nicht dadurch, dass ich mich selbst für besser und reflektierter halte, sondern durch meine rhetorischen Fähigkeiten. Es handelt sich um eine Machtkonkurrenz: Will ich meine Inhalte durchsetzen, brauche ich vor allem Rhetorik.
Heißt das, Hitler hätte recht gehabt, wenn er den Krieg gewonnen hätte?
Ganz genau. Es gibt immer einen Gewinner im Wettstreit. Recht setzt letztlich, wer gewinnt. Genau das macht ja das Unternehmen „Ethik“ so aussichtslos. Traurig ist nur, dass es 1933 nicht mehr so begabte Rhetoriker gab – dann hätte Hitler bei 5 % rumgekrebst. Sechzig Jahre nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler ethisch über ihn Recht zu sprechen, ist sicher leichter, als ihn von 1923 bis 1945 rhetorisch zu überbieten.
Haben Sie einen konkreten Vorschlag, wie man Ihre Vorstellung von Philosophie in die Tat umsetzen könnte?
Ja, eine Denkpause für die akademische Philosophie, in der die Institute ersatzlos aufgelöst werden. Wir, die wir unter dem komischen Attribut „Philosoph“ angetreten sind, können uns dann überlegen, wie wir das auf andere Art fortführen. Es könnte eine Offenheit entstehen, in der Fragen diskutiert würden wie: Wer bin ich? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Zugegeben, diese Fragen kennen wir schon – aber eben nur als Philosophiegeschichte. Und was hat Philosophie mit dem Mann-Sein zu tun? Was wollen inzwischen die Frauen von der Philosophie? Oder gar von uns? Die Verwaltung von Texten sollte aber nicht mehr die einzig förderungsfähige Form von Liebe zur Sophia sein. Die analytischen Philosophen könnten sich um Lyrikstipendien bewerben, der Rest geht in die Geschichte und Germanistik.
In der DDR hat man die philosophischen Institute abgewickelt, aber dort ist ja offensichtlich auch nichts Neues entstanden.
Ja, aber was ist denn da passiert? Man hat die Institute aufgelöst und dann die westdeutschen Privatdozenten der Endlagerung zugeführt. Im Land Brandenburg hat man ein Schulfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religion“ eingeführt, für das ich philosophischer Berater war. Die Lehrer waren sehr motiviert, aber ihre Weiterbildner waren derart ethisch infiziert, dass die Lebensgestaltung und lustigerweise auch die Religion auf der Strecke blieben. Und die Schüler natürlich auch.
Was sollen die Studenten Ihrer Meinung nach tun?
Sie sollen freie Arbeitsgruppen bilden und autonome Institute gründen. Sie sollen die Auflösung der Institute betreiben. Studenten müssen sich ständig fragen, warum sie denn Philosophie studieren, auf die Scheine scheißen, guten Wein trinken und nach ihrer Traumfrau (oder meinetwegen ihrem Traummann) suchen.
KAPITEL 2
Ich, der Andere und die Kultur
Klaus Maria Brandauer
Ich, das sind wir alle!
Aleida und Jan Assmann
Ohne Gedächtnis gibt es keine Kultur
Barbara Duden
Die Ungeborenen
Vincent Klink
Eine Kritik der kulinarischen Vernunft
Maxim Biller
„Ich, sagt ihr immer nur, ich – ich – ich!“
Reinhold Messner
Der Grenzgang beginnt im Kopf
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