Und Friede auf Erden von Karl May. Karl May
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Tisch stand dem seinen so nahe, daß ich seine Worte hören mußte, wenn ich auch nicht wollte. Mochte er mich nun
wirklich für einen Franzosen halten, der nicht deutsch verstand, oder galt ich als Fremder faktisch für ihn als gar nicht
vorhanden, jetzt durfte mir das nicht mehr gleichgültig sein. Er berührte eine Angelegenheit von solcher Diskretion, daß es
mir meine Pflicht verbot, noch länger zuzuhören. Ich stand also auf und ging, wobei ich zu meiner Genugtuung bemerkte,
daß er nicht die mindeste Notiz davon nahm.
Hatte ich gestern gemeint, daß er vielleicht ein ganz guter Mensch sei, so war mir dieses Vielleicht jetzt zur Gewißheit
geworden. Nur wohnte und wirkte leider ein Dämon in ihm, der ihn selbst um den Frieden brachte, den er Andern doch so
gern geben wollte; er hatte ihn ganz richtig als Agressivität [Aggressivität] bezeichnet. Dieser Teufel ist es, der Menschen,
Korporationen und Völker immer vorwärts drängt, um neuen Raum zu gewinnen, dabei aber auf dem alten,
wohlerworbenen keinen Frieden und keinen Segen aufkommen läßt!
Während des Mittagessens wurde es mir nicht schwer gemacht, diskret zu sein, denn meine Nachbarn sprachen
außerordentlich wenig. Später bemerkte ich von meinem Fenster aus, daß sie einen Hotelwagen bestiegen, um den
beabsichtigten Ausflug zu unternehmen.
Punkt drei Uhr klopfte Sejjid Omar an meine Tür. Die Pferde wurden schon bereit gehalten; wir konnten aufbrechen.
Natürlich beobachtete ich ihn schon beim Aufsteigen. Das ging so leicht und glatt vonstatten, als ob es seine tägliche
Gewohnheit sei. Auch hielt er sich eine volle Pferdelänge hinter mir, was ich dadurch belohnte, daß ich ihn aufforderte, an
meine linke Seite heranzukommen. Ich konnte ihn doch nicht beobachten, wenn ich ihm vorausritt. Er hielt sich nun still und
ruhig neben mir, ohne, was ein Anderer wahrscheinlich versucht hätte, mir zeigen zu wollen, daß er sein Pferd zu
beherrschen verstand. Doch wurde, als wir uns dem Kasr en Nil näherten, der Straßenverkehr trotz der Hitze ein so
lebhafter, daß ich leicht Gelegenheit fand, ihn, ohne daß er es bemerkte, auf die Probe zu stellen. Die uns begegnenden
Wagen, Reiter, Kamele und Fußgänger bildeten mir willkommene Hindernisse, und ich wich ihnen in einer Weise aus,
welche es einem mittelmäßigen oder gar schlechten Reiter sehr schwer gemacht hätte, nicht von mir abzukommen; er
aber überwand diese Schwierigkeiten, ohne daß er sie zu bemerken schien.
Nachdem wir die Nilbrücke passiert hatten, ging es im Trab. Er saß wie angegessen. Jenseits des Mu- Museums, als
wir das bekannte Eckcaf‚ hinter uns hatten, mußten wir wieder langsam reiten, denn es begegneten sich da zwei Reihen
aneinander gebundener Lastkamele, zwischen denen, gerad als ein Doppelwagen der Tramway von Gizeh kam, sich
eine Schar schwatzender Fellachenfrauen befand, welche Körbe auf ihren Köpfen trugen. Das gab wahrscheinlich einen
kritischen Augenblick.
Wie gedacht, so geschehen! Die Tramway erschreckte die Kamele; sie blieben stehen; das eine zerrte nach rechts,
das andere nach links; dieses stand lang und jenes quer, und da sie zusammengebunden waren, so entstand für einige
Zeit ein straßenbreites Hindernis von blökenden Kamelen und schreienden Weibern, in deren Mitte wir steckten.
»Komm, Omar!«
Mit diesem Rufe drängte ich mein Pferd zwischen zwei Frauen hindurch, hinter denen zwei Kamele so standen, daß
sie eine schmale Lücke bildeten, welche durch den sie verbindenden Strick geschlossen war. Ich nahm mein Pferd hoch
und kam glücklich über den Strick hinweg. Die Frauen kreischten; die Kameltreiber schimpften; Omar aber lachte fröhlich
auf und nahm das Hindernis ganz in derselben Weise. Das war für dieses Mal genug, und es handelte sich nur noch
darum, seine Ausdauer kennen zu lernen.
Auf der Straße von Kairo nach den Pyramiden kommt man an zwei Fellachendörfern vorüber, welche links liegen.
Rechts dehnen sich grüne Flächen aus, welche von Kanälen bewässert werden. Die Pyramiden hat man gerade vor sich
liegen. Sie erscheinen von weitem als dreieckige Flächen, treten aber, je mehr man sich ihnen nähert, um so plastischer
hervor. Das Mena- Menahouse-Hotel liegt am Fuß derselben. Es führt von ihm aus ein ziemlich breiter, auch fahrbarer
Weg hinauf, welcher, um nicht vom Sande verschüttet zu werden, zu beiden Seiten mit Mauern versehen ist. Er gleicht
einem Hohlwege, weil der Sand die Höhe der Mauern erreicht. Auf diese Höhe gibt es keinen eigentlichen Weg, doch
führte aus dem von mir bestellten Zimmer eine Tür heraus auf sie, und man konnte da, allerdings nur über ungebahntes
Geröll, direkt nach den Pyramiden kommen, ohne unterwegs von den in dem Hohlwege befindlichen Passanten gesehen
zu werden. Es ist nicht ohne Absicht, daß ich diesen Umstand besonders in Erwähnung bringe.
Am östlichen Fuße der Pyramiden liegt das arabische Dorf el Kafr, dessen Bewohner, von den Touristen vollständig
verdorben, in rücksichts- und charakterloser Aufdringlichkeit das Menschenmöglichste leisten. Sie halten, vereinzelt
aufgestellt, schon in weiter Entfernung von den Pyramiden auf der Straße Wache, um über die aus der Stadt kommenden
Fremden herzufallen und, wenn sie auch nicht engagiert werden, doch wenigstens ihre falschen Münzen, geschickt
nachgemachten Skarabäen und andere wertlose Imitationen an den Mann zu bringen.
Heut sah ich keinen einzigen von ihnen auf der Lauer stehen. Es mußte irgend ein Grund vorhanden sein, der sie
abhielt, ihrer einträglichen Herumlungerei jetzt obzuliegen. Ich erfuhr ihn sogleich, als ich das Hotel erreichte. Die gestern
auf dem Platze Ibrahim Pascha beobachteten fremden Pilger waren heut heraus nach den Pyramiden gezogen, um ihnen,
die für den Wüstenbewohner noch größere Wunderwerke als für uns zivilisierte Menschen sind, einen Besuch
abzustatten. Sie hatten in das Hotel eindringen wollen, waren aber abgewiesen worden, was freilich mit der allergrößten
Vorsicht hatte geschehen müssen, um ihre Rachgier nicht herauszufordern.