Und Friede auf Erden von Karl May. Karl May
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Und Friede auf Erden von Karl May - Karl May страница 2
Sie speisten genau nach unserer Art und taten dies so geläufig und so fehlerlos, so unhörbar und unauffällig, daß manche
der übrigen Gäste sich an ihnen hätten ein Beispiel nehmen können. Der mich bedienende Gar‡on flüsterte mir in
Hoffnung auf ein dafür gebotenes Extratrinkgeld zu:
»Monsieur Fu und Monsieur Tsi aus China. Kommen aus Paris. Sind wahrscheinlich verwandt miteinander.«
»Haben sie sich selbst so eingetragen?« erkundigte ich mich.
»Nein, aber dem Portier so gesagt.«
Er sprach die beiden Worte nicht in der richtigen Weise aus; aber es war klar, daß Fu Vater und Tsi Sohn bedeutete.
Im Chinesischen hat dasselbe Wart oft sehr verschiedenen Sinn. Die beiden Gäste hatten ihre Namen nicht genannt und
sich einfach als Vater und Sohn bezeichnet. Da hier im Hause Niemand ihrer Sprache mächtig war, so hatte man sie als
Monsieur »Vater« und Monsieur »Sohn« in das Fremdenbuch eingetragen und glaubte noch besonders pfiffig zu sein,
indem man sie für Verwandte hielt. Sie aber ließen es sich lächelnd gefallen, daß ihr Verwandtschaftsgrad als Namen
ausgesprochen wurde. Dem Personale gegenüber sprachen sie französisch, und zwar so vorzüglich, daß eine
langjährige Uebung mit Gewißheit anzunehmen war.
Was ihre Gesichter betrifft, so trat der mongolische Schnitt derselben nur wenig hervor. Bei dem Sohne mochte diese
Milderung eine Folge der Jugend sein; bei dem Vater aber war es ganz entschieden der Wirkung geistiger Tätigkeit
zuzuschreiben, daß ihn fast nur der echt chinesisch gepflegte Bart als einen »Sohn der Mitte« verriet. Man brauchte kein
Menschenkenner zu sein, um diesem Manne anzusehen, daß sein Arbeitsfeld wohl kaum jemals ein materielles gewesen
sei.
Nach Tische wurde draußen im Flur während des allgemeinen Speech die Tatsache festgestellt, daß die beiden
Chinesen erstens aus Canton, zweitens Onkel und Neffe und drittens in Paris gewesen seien, um dort ein Geschäft für
Chinawaren einzurichten, dessen Leitung der Neffe übernehmen werde. Er habe den Onkel nur nach Aegypten
zurückbegleitet, um die Trennung zu verzögern, werde aber hier von ihm Abschied nehmen und dann, direkt nach Paris
zurückkehren. Es war mir gleichgültig wer diese Entdeckung gemacht hatte. Ich konnte mir nicht denken, daß dieser so
eigenartig, ich möchte sagen, geheimnisvoll geistreich aussehende »Monsieur Fu« ein Kaufmann sei, dessen Bestreben
darin bestehe, billige chinesische Fächer und Vasen in Paris teuer an den Mann zu bringen.
Der Zufall war so gütig, mich schon am nächsten Morgen einen heimlichen Blick in diese Verborgenheit tun zu lassen.
Ich logierte, um möglichst viel Luft und Licht zu haben, zwei Treppen hoch und saß, mit Briefen beschäftigt, auf dem
Balkon, als ich die Chinesen aus dem Hotel treten und hinüber zu Sejjid Omar gehen sah. Dieser besorgte ihnen zu
seinem noch einen zweiten Esel, worauf er mit ihnen davontrabte. Dann hörte ich unter mir klopfen und bürsten. Das
störte mich und wollte kein Ende nehmen. Ich bog mich über die Brüstung vor und schaute hinab. Es war nicht, wie ich
vermutet hatte, das Zimmermädchen, sondern ein chinesischer Diener, welcher einen Koffer geöffnet hatte, um den Inhalt
desselben einer Besichtigung resp. Säuberung zu unterwerfen. Die Chinesen wohnten also eine Treppe hoch grad unter
mir. Ich ließ den Mann weiter klopfen und bürsten, ohne den Attentäter, was ich eigentlich beabsichtigt hatte, zur Ruhe zu
verweisen.
Dann wurde es still unter mir, doch verriet mir wiederholtes Räuspern, daß der Diener noch da sei. Ich schaute wieder
hinab. Er war jetzt mit einem andern, kleinen Koffer beschäftigt, den er geöffnet hatte. Er ordnete da verschiedene
Gegenstände mit einer Behutsamkeit, die auf ungewöhnlichen Wert schließen ließ, und versicherte sich von Zeit zu Zeit
durch einen Blick nach den benachbarten Balkonen, daß er nicht beobachtet werde. Der Inhalt dieses Koffers schien also
Dinge zu enthalten, von denen nicht Jedermann wissen durfte. Eben jetzt hatte er einen Gürtel in der Hand, an welchem
eine goldene, mit Rubinen besetzte Schnalle glänzte. Diese Art von Schnallen dürfen nur Mandarinen ersten und zweiten
Ranges tragen! Dann sah ich ein Putsu (* Gesticktes Brust- und Rückenschild.) erscheinen, dessen Stickerei einen
Storch vorstellte. Nach einer Kugelkette, einer Pfauenfeder und verschiedenen anderen Gegenständen, welche ich wegen
ihrer Kleinheit nicht deutlich erkennen konnte, kam einer jener Beamtenhüte zum Vorschein, welche nur im Sommer
getragen und darum »warme« Hüte genannt werden. Er hatte einen glatten, roten, ungeblümten Korallenknopf.
Kugelketten dürfen nur von Mandarinen ersten bis fünften Grades um den Hals getragen werden. Pfauenfedern sind
besondere Auszeichnungen; aber der Korallenknopf ist nur den Mandarinen ersten Ranges erlaubt. Diese sind entweder
Zivil- oder Kriegsmandarinen. Die ersteren haben ein Putsu mit Storch, die letzteren ein dergleichen Schild mit dem Bild
des Einhorns zu tragen. Die Zivilbeamten werden mehr als die militärischen geehrt. Ich hatte also erfahren, daß
»Monsieur Fu«, denn nur auf ihn konnten sich diese Auszeichnungen beziehen, ein Zivilmandarin allerhöchsten Ranges
war, und nahm mir selbstverständlich vor, dies keinem Menschen mitzuteilen. Mehr zu sehen, wurde mir durch meinen
Bleistift unmöglich gemacht. Ich hatte ihn hinter das Ohr gesteckt; er verlor dadurch, daß ich den Kopf vor und nach unten
gebeugt hatte, den Halt, fiel hinab und traf grad vor dem Diener auf das Balkongeländer auf. Der Chinese stieß einen Ruf
des Schreckens aus, raffte Alles schnell zusammen und war im nächsten Augenblicke ver- verschwunden. Auch dieser
sein Schreck war ein Beweis, daß seine beiden Herren ihren Stand nicht zu verraten wünschten.
Wir befanden uns im Vorsommer, also in der Zeit, in welcher der Khamsin jährlich gegen fünfzig Tage lang der höchst
ungern gesehene Gast Aegyptens ist. Dieser heiße, trockene Südwestwind, welcher den feinen Staub der Wüste mit sich