Und Friede auf Erden von Karl May. Karl May
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Читать онлайн книгу Und Friede auf Erden von Karl May - Karl May страница 4
Truppe sei, neben den Dreien hergeschritten kam.
Als der Dolmetscher mich erblickte, kam er grad auf mich zugeritten, stieg bei mir ab und breitete eine mitgebrachte
Decke neben mir aus. Er hatte, als er sich mir anbot, französisch mit mir gesprochen; warum, das wußte ich nicht, sollte
es jetzt nun aber erfahren, denn er rief, sich umdrehend, Sejjid Omar zu:
»Dieser Kerl sitzt gerad an der besten Stelle! Er ist ein Franzose, denn er hat ein Bärtchen an der Unterlippe. Komm
her, und jag ihn fort!«
»Nimm dich in Acht!« warnte der Eseltreiber. »Wenn er arabisch sprechen kann, versteht er deine Worte!«
»Der? Arabisch sprechen? Siehst du denn nicht, daß ihm die Dummheit aus den Augen blickt? Der spricht nicht
einmal seine Muttersprache richtig. Ich weiß das ganz genau, denn ich habe französisch mit ihm geredet. Er wollte mich
als Dolmetscher haben; ich bin aber nicht darauf eingegangen, weil ich ihm sofort angesehen habe, daß er ein armer
Schlucker und außerdem ein Geizhals ist. Jage ihn fort! Wir brauchen diesen Platz für unsere Leute!«
Da machte der Sejjid eine seiner unnachahmlichen, sprechenden Handbewegungen und antwortete:
»Ich bin nicht dein Diener, und Allah und mein Geschäft verbieten mir, unhöflich zu sein. Wenn du als Christ und
Grieche grob sein darfst, so geht mich das nichts an. Ich heiße Sejjid Omar; das merke dir!«
Der Levantiner hatte es vielleicht gewagt, aus Rachsucht mit Hilfe des Eseltreibers mit mir anzubinden; aber es ohne
diese Unterstützung zu tun, dazu war er, wie die meisten seinesgleichen, zu feig. Er hatte, nur um mich zu ärgern, die
Fremden grad her zu mir geführt, obgleich ich vor ihnen der einzige Mensch war, der sich auf dem weiten Plateau des
Dschebel Giyuschi befand, auf welchem Platz für ungezählte Tausende gewesen wäre. Ich aber tat, als ob mir diese
Flegelhaftigkeit vollständig gleichgültig sei.
Der Hammahr (* Eseltreiber.) half den Reisenden beim Absteigen. Dann setzten sie sich auf die ausgebreitete
Decke, ohne mich zu grüßen oder auch nur mit einem Blicke zu beachten. Das beleidigte mich nicht. Ich kannte ja diese
besonders jenseits des Kanales und des Atlantischen Meeres gepflogene Weise, nach welcher fremde Menschen als
vollständig abwesend betrachtet werden. Selbstverständlich waren sie nun auch für mich nicht vorhanden, und ich rauchte
die Zigarre, welche ich mir angebrannt hatte, ruhig weiter, obgleich ich sah, daß der Wind der Dame den Rauch zuweilen
in das Gesicht trieb. Sie saß mir so nahe, daß ich sie mit der ausgestreckten Hand erreichen konnte.
Nun stellte sich der Dolmetscher in Positur und begann, den Fremden das vor ihnen liegende Panorama zu erklären.
Er tat dies in einem Englisch, mit welchem ein Bauer, ohne die Hacke nötig zu haben, die stärksten Rüben hätte aus dem
Felde ziehen können, und es war den beiden Zuhörern auch mehr als deutlich anzusehen, daß sie sich von dem, was sie
anhören mußten, nichts weniger als erbaut fühlten. Eine Weile ließen sie es sich gefallen, dann aber gebot die Dame dem
poliglott-schrecklichen Griechen, still zu sein, zog ein rotgebundenes Buch aus der Tasche und sagte zu dem Herrn, zu
meiner Ueberraschung in deutscher Sprache:
»Verstehst du ihn, Vater? Ich nicht! Nehmen wir den Baedeker her! Die Karte wird uns mehr sagen, als wir von
diesem Araber erfahren können. Und reden wir deutsch, denn das versteht er nicht!«
Der für einen Araber Gehaltene zog sich beleidigt zurück. Gerade diese unwissenden Menschen sind außerordentlich
empfindlich, wenn man ihren vermeintlichen Kenntnissen nicht die erwartete Bewunderung zollt. Sejjid Omar stand, mit
dem Ellbogen auf seinen Esel gestützt, unbeweglich wie eine Bildsäule seitwärts hinter uns. Der lange, weite Mantel, den
er trug, war nicht imstande, die schöne Plastik seiner Figur ganz unbemerkbar zu machen.
Ich hatte also erfahren, daß die Fremden Vater und Tochter seien. Ich erfuhr noch mehr. Ob sie mir die Kenntnis der
deutschen Sprache nicht zutrauten, oder ob ihnen meine Anwesenheit wirklich vollständig gleichgültig war, sie sprachen
so ungeniert miteinander, als ob an meiner Stelle nichts als Luft vorhanden sei.
Der Vater war ein ziemlich langer, hagerer Herr mit einem glattrasierten, etwas mehr als nötig in die Länge
gezogenen Gesicht. Der Stehkragen seines Rockes paßte zu der salbungsvollen, dabei aber harten und schnellen
Weise, in welcher er sprach. Er hatte einen seiner Handschuhe ausgezogen, was mir Gelegenheit gab, seine auch sehr
lange, doch weiße und sichtbar wohlgepflegte Hand zu sehen. Nicht angenehm berührte der rücksichtslose, schnarrende
Ton, in welchen er fiel, so oft es seine Absicht war, eine bestimmte Meinung auszusprechen. Ich pflege über andere
Menschen nicht vorschnell zu urteilen, doch war ich, obgleich ich diesen Mann heut zum ersten Male sah und ihn also noch
gar nicht kannte, zu der Behauptung geneigt, daß er von einer einmal gefaßten, wenn auch noch so falschen Ansicht nicht
leicht abzubringen sei. Vielleicht war er sonst ein ganz vorzüglicher Mann, aber er machte den Eindruck auf mich, als ob
er sich für unfehlbar halte, und mit solchen Leuten ist schwer umzugehen.
Die Tochter wurde von ihm Mary genannt. Sie hatte, um besser Umschau halten zu können, den Schleier
zurückgeschlagen. Ich hütete mich natürlich, meine Beobachtungen merken zu lassen, doch genügte ein kurzer Blick,
mich ein liebes, rosig angehauchtes Gesicht sehen zu lassen, in welchem ein Paar helle, klare, sehr verständige Augen
glänzten. Ihre tiefe, schöne Altstimme habe ich schon erwähnt. Wenn sie sprach, so war ihr anzuhören, daß sie es nicht
mit dem Munde, sondern mit der Seele tat. Es klang ganz so, als ob über diese Lippen nie ein liebloses Wort gekommen
sei oder kommen könne. Vom Vater hatte sie das nicht geerbt; es konnte nur die Gabe einer vortrefflichen, an
Herzensbildung reichen Mutter sein.
Der Vater war Amerikaner, und zwar Missionar, nach China bestimmt, wohin die Tochter ihn begleitete; die Mutter war