Und Friede auf Erden von Karl May. Karl May
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was mit einer körperlichen Anstrengung verbunden ist. Am Tage nach der soeben erzählten Entdeckung wehte er ganz
besonders entkräftend von Gizeh und Aryahn herüber. Man mied die Straßen, und die sonst so gern besuchten Plätze vor
den Kaffeehäusern waren noch um die Zeit des Asr, des täglichen Nachmittagsgebetes, unbesetzt. Dies veranlaßte mich,
nach dem Dschebel Mokattam zu reiten. Ich war den Khamsin längst gewohnt; er konnte mich nicht belästigen und hielt im
Gegenteile andere Leute ab, mich da oben in dem mir liebgewordenen Genuß zu stören. Der Blick vom Mokattam und
dem Dschebel Giyuschi ist unbeschreiblich schön, mir aber doppelt wert, wenn beim Sonnenuntergange die Beleuchtung
der Stadt und ihrer Umgegend durch den in der Luft schwebenden Khamsinstaub zu einer, fast mochte ich sagen,
märchenhaften wird. Es sind dann alle Härten und Schärfen des Bildes abgemildert, und es liegt ein so undefinierbarer
Farbenton rings ausgegossen, daß man meinen möchte, von einer jenseitigen Höhe auf eine ganz andere, un- oder
überirdische Welt herabzuschauen.
Eben als ich mich aufmachte, brachte der Kommissioner des Hotels einige Wagen voller Reisende, welche mit dem
Zuge angekommen waren. Ich hatte keinen Grund, sie zu beachten, doch fiel mir im Vorübergehen eine junge, blau
verschleierte Dame auf, welche einfach in Grau und praktisch knöchelfrei gekleidet war und zu einem mit ihr
ausgestiegenen Herrn einige englische Worte sprach. Ich hatte nur selten eine so tiefe, wohlklingende und sympathische
Altstimme gehört.
Dann saß ich oben auf dem Berge, in stiller, zunächst ununterbrochener Einsamkeit. Mein Lieblingsplatz war ein
Felsensitz in der Nähe der alten, verfallenen Giyuschi-Moschee. Die Sonne hielt sich hinter einem flimmernden,
orangefarbenen Dufte halb verborgen. Wie ein im Einschlummern unvollendet gebliebenes Gebet lagen die
Mamelukengräber tief zu meinen Füßen. Von der Alabastermoschee bis nach Kasr el Ain hinüber und von der
ahnenhaften Amr Ibn el As bis zur früheren ez Zahir hinunter klangen die in Stein gedichteten tausend Strophen der
Minarehs zu Allahs Thron empor. Durch Masr el Atika, das einstige Fostat, dampfte, einer Entheiligung gleich, ein Zug
hinauf nach Heluan, und hinter den Lebbachbäumen der Dakrurstraße und dem Grün der Kanalfelder lagen am
Wüstenrande die Pyramiden - - aus Angst vor der Ewigkeit erstarrte Todesgedanken der Pharaonen. Tod und Leben,
Vergangenheit und Gegenwart um und in sich vereinigend, vom Wüstenwind überweht und doch so jugendschön und
jugendwarm, so breitete sie sich vor meinen Augen aus, El Kahira, die Siegreiche, die mir nebst Bagdad und Damaskus
so lieb geworden ist wie keine andere Stadt des Orientes.
Es kamen von da unten herauf, von den Königsgräbern da drüben und dem Sinai im Osten hinter mir Gedanken über
mich, welche ich nicht verloren gehen lassen wollte; darum zog ich Papier und Blei hervor. Ich begann damals, an meinen
»Himmelsgedanken« zu dichten, deren erster Band inzwischen erschienen ist. Dieses Buch war auch einer der Gründe,
welche mich zur gegenwärtigen Reise veranlaßt hatten. Wer Gedichte über und für die Menschheitsseele schreiben und
den Völkern gerecht werden will, denen diese Seele ihre Jugendbegeisterung widmete, der darf nicht meinen, daß er die
Gedanken dazu im kalten, selbstsüchtigen Abendlande finden werde, sondern er muß dorthin gehen, wo einst Gott selbst
zur Erde kam und seine Engel sich den Menschen zeigen durften, ohne, wie es allerdings ein einziges Mal, und zwar zu
Sodom und Gomorrhas Verderben geschah, für ihre Himmelsliebe schlimmen Erdendank zu ernten.
Da, wo die nackt gewordenen Steine Palästinas wieder zu Brot zu werden haben, wo Memnons Kolosse nicht nur
leise erklingen, sondern deutlich sprechen sollen, wo zwischen Pison, Gihon, Phrat und Hidekel noch heut die
beseligende Idee des Paradieses wieder auszugraben ist, da muß man sein, da muß man sehen und lauschen, äußerlich
und innerlich, und dann, wenn in stiller Mondesnacht aus den Wogen des Niles ganz dieselbe Offenbarung wie aus den
Fluten des Tigris steigt und um die Minarehs dasselbe linde Säuseln klingt, welches Elias einst auf dem Karmel hörte,
dann wird es der Menschenseele klar, daß auch ganz dieselben Strophen wieder zu ertönen haben, welche der Orient
einst zu dichten begonnen, der Occident aber als Hoheslied der Gottes- und der Nächstenliebe zu vollenden hat.
Es war mir eine Lust, diese und ähnliche Gedanken in Worte zu kleiden; aber ich brachte es zu keinem Schlusse,
denn ich wurde unterbrochen. Vom Felsenwege her erklang das lebhafte Getrappel kleiner Eselshufe. Mich umschauend,
sah ich die erwähnte, grau gekleidete Dame und den Herrn kommen, mit welchem sie gesprochen hatte. Als dritten
Reiter bemerkte ich einen jener christlichen oder jüdischen Levantiner, welche jedes von ihnen gehörte, wenn auch
gänzlich unverstandene, fremdsprachige Wort in dem Mehlwürmertopfe ihres Gedächtnisses sorgfältig aufbewahren, um
sich dann, wenn sie mit diesen Würmern nicht mehr allein fertig werden können, für Dolmetscher auszugeben und sie
gegen möglichst hohe Vergütung an den Mann zu bringen. Diese Dragomans sind eine Plage, welcher sich zu erwehren
der gewöhnliche Tourist weder genug Erfahrung noch die nötigen Kenntnisse besitzt. Wenn sie sich einmal festgesogen
haben, so lassen sie nur selten wieder los, und der von ihnen, den ich hier kommen sah, war eine Klette von der
allerschlimmsten Sorte. Er hatte sich vor einigen Tagen auch an mich zu machen versucht, war aber, als nichts Anderes
half, durch einen Wink mit der Reitpeitsche dann für immer abgewiesen worden. Diese Levantiner werden von dem
ehrlichen, charaktervollen Araber verachtet, und da sie meist Christen sind und er durch sein eigenes Leben belehrt wird,
welchen großen Einfluß der Glaube auf den moralischen Wert des Menschen ausübt, so ist er leicht geneigt, nicht bei der
Person stehen zu bleiben, sondern seine Geringschätzung über die ganze Christenheit auszudehnen.
Die vierte Person