Homo sapiens movere ~ gebrochen. R. R. Alval
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Schluckend legte ich die Zeitung beiseite.
Hatte meine Mutter das gemeint, als sie sagte, die momentanen Zustände der Stadt seien desolat und ich sollte bloß auf mich aufpassen?
Benommen und leicht abgelenkt stand ich auf, schlurfte zu meinem Herd, pikte in die Kartoffeln, setzte das Gemüse auf, panierte das Fleisch und legte die Schnitzel in den Tiegel. Die nächste halbe Stunde funktionierte ich eher wie ein Roboter. In Gedanken war ich viel zu sehr mit den aktuellen Ereignissen beschäftigt. Wussten die Binghams davon? Hatten sie mir das bewusst verschwiegen? Wie konnte man etwas aufhalten, was man nicht sah? Sofern das, was ich gesehen hatte – und mir nicht nur eingebildet – etwas mit den aktuellen Geschehnissen zu tun hatte.
Trotz meiner geistigen Ablenkung schaffte ich es, mein Essen nicht anbrennen zu lassen.
Verflixt! Ich sollte meinen Ruhetag doch nutzen, um mich zu verwöhnen und zu entspannen. Nicht, um zu grübeln. Deshalb verbot ich mir bis zum nächsten Morgen, an den Verbleib der vermissten Leute zu denken.
Ich hatte es übrigens inzwischen im Griff, mich nicht mehr heftig prustend an meinem Kaffee zu verschlucken, sobald Roman plötzlich vor mir stand und murmelte ihm ein wenig fröhliches ‚guten Morgen’ entgegen. Ich hatte mich gestern Abend förmlich an einem Buch – einem echten aus Papier! – aus dem späten 21. Jahrhundert festgesaugt und war erst gegen drei ins Bett getorkelt.
Kein Wunder, dass ich nicht sonderlich entgegenkommend oder euphorisch war, als der Vampir mich abholen wollte. „Schlechte Laune, Sam?“
„Müde.“ Er verharrte absolut regungslos, während ich den Rest meines Kaffees hinunterkippte, meine Turnschuhe anzog und mich zu ihm stellte. „Na los, auf nach Transsilvanien.“ Ganz so humorlos, wie uns die vampirische Gemeinde es vorspielte, waren wohl doch nicht alle Blutsauger. Denn das vibrierende Lachen fühlte ich sehr deutlich an Romans Brust. „Du hast gelacht.“, warf ich ihm vor, als er mich auf dem Übungsplatz aus seinen Armen entließ. „Das ist wahr. Ich verstehe nicht, wie die Menschen je auf die Idee gekommen sind, dass wir uns nur auf einem Teil der Welt beschränkt haben sollten.“ Ich knuffte ihm in die Seite und sah ihn gespielt böse an. „Hey, ruiniere nicht meine Illusionen! In Transsilvanien sind Vampire nämlich ganz anders.“ Roman zog seine Augenbraue in die Höhe und taxierte mich mit seinen unglaublich silbrig-blauen Augen. Seltsam, dass sie ab und an die Farbe wechselten. Manchmal hatten sie nämlich nicht den Hauch von Blau in sich.
Ach was, wahrscheinlich lag das nur am Licht.
„Anders?“ Ich nickte triumphierend. „Jawohl, anders. Sie sind romantisch, heldenhaft und sehr sexy. Und selbstaufopfernd.“ Romans Mundwinkel kräuselten sich unter einem zurückgehaltenen Lachen. „Du hast bis jetzt nur nicht die richtigen Bücher gelesen. In manchen werden sie nämlich durchaus als bestialische Mörder beschrieben.“ Ich stieß ihn in gespielter Empörung von mir. „Pah, du willst mir die Transsilvanier nur madig machen.“ Ich streckte ihm die Zunge heraus und ging in meine bevorzugte Ausgangsposition. „Na los, Vampir, verteidige dich.“, gab ich ihm mit zu mir winkenden Händen zu verstehen, räusperte mich aber schnell. „Nein, ich hab es mir anders überlegt. Bleib einfach regungslos stehen und lass dich von mir attackieren.“ Roman verneigte kaum merklich seinen Kopf, wobei er den Blickkontakt nicht abreißen ließ. „Wie du willst. Ich überlege mir inzwischen, womit ich dir deine vorwitzige Überheblichkeit austreiben kann.“ Pah, ich und überheblich!
Man wird doch wohl noch träumen dürfen!
Nach wenigen Stunden lief mir der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter. Ich keuchte vor Anstrengung. Roman hatte die Spielregeln ein klein wenig geändert, so dass er nicht mehr reglos verharrte, sondern sich entgegen jeglicher Abmachung bewegte. Auch wenn sein Tempo an das eines Menschen angepasst war, war diese Herausforderung zuviel für mich. Ich verfehlte ihn immer wieder um mindestens eine Million Kilometer. Seine Anweisung, vorausschauend zu denken, half mir nicht weiter.
Ich war kein Hellseher!
Wenn ich dachte, er bewegte sich nach links, ging er nach rechts. Vermutete ich die andere Richtung, wich er wiederum in die entgegengesetzte aus. Es war zum Verzweifeln! „Sam, du solltest dich wirklich ein wenig mehr anstrengen. Noch bewege ich mich nicht annähernd schnell genug, als dass du schon aufgeben solltest. Gib dir mehr Mühe.“ Meine gedanklichen Verwünschungen hatte er, so wie er mich ansah, ganz sicher gehört. „Wenn du noch einmal in meiner Gegenwart fluchst, zeige ich dir, wozu ich fähig bin. Überlege dir das lieber zweimal, kleine Sam.“ Unbewusst zuckte ich zusammen. Kleine Sam. So hatte er mich genannt, als er… na ja, als er mich hatte tot sehen wollen. Er drohte mir also.
Dadurch fühlte ich mich auch nicht motivierter.
Eher verängstigt. Wieder mal. Denn ich wusste bereits, wozu er fähig war. Als ob ich das je vergessen könnte! Zwar hatten die Ker-Lon irgendetwas mit uns angestellt, so dass ich Roman nicht nachtrug, dass er in – sagen wir – einem Anfall von geistiger Umnachtung gehandelt und unzählige Leute auf dem Gewissen hatte, dennoch konnte ich es nicht vergessen. „Dann hör auf meine Gedanken zu lesen.“ Verflucht nochmal! „Das ist nicht möglich. Deine Gedanken sind viel zu laut und viel zu zielgerichtet, als dass ich sie ignorieren könnte.“, erwiderte er derart eisig, dass es mir kalt den Rücken hinunter lief. Vermutlich konnte ich auch deshalb nicht vorausschauend agieren, weil er genau wusste, was ich dachte und sich dann prompt für die entgegengesetzte Richtung entschied. Auf Deutsch: Er schummelte.
Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, meinen bissigen, gedachten Kommentaren durch geballte Energie Ausdruck zu verleihen. Aber ich schaffte es kein einziges Mal, Roman auch nur ein Haar zu versengen. Meine Energie kam nicht einmal in seine Nähe. Noch nicht mal die Vorstellung, dass ich auf Alan zielte, half mir bei meinen kläglichen Versuchen.
Am Abend fühlte ich mich wie ein jämmerliches, klägliches Häufchen Elend.
Auch wenn ich das Roman gegenüber nicht erwähnte, war ich mir sicher, dass er sich meiner Frustration bewusst war. Nach meinem Aufenthalt in Spline nahm er mich wortlos in die Arme und teleportierte mich heim, wo er mich mit den Worten ‚Versuche deine Konzentration in den Griff zu bekommen‘ verließ. Die Frage war: Hatten meine gescheiterten Versuche wirklich etwas mit meiner Konzentration zu tun oder hatte ich es einfach nicht mehr im Griff, wohin sich meine Energie ausbreitete? Wie sollte ich mich auf ein Ziel konzentrieren, welches sich bewegte? Es wäre einfacher, würde meine Energie sich bewusst dahin bewegen, wo sie gebraucht wurde.
Blöderweise tat sie das nicht.
Fluchend schälte ich mich aus meinen Klamotten, stieg in eine heiße Wanne, weichte mich solange ein, bis meine Finger und Fußzehen komplett verschrumpelt waren, trocknete mich vor mich hin murmelnd ab, aß rasch etwas zum Abendbrot, sah ein wenig fern und fiel schließlich todmüde und desillusioniert ins Bett. Ich war nicht mehr annähernd so gut in Form wie vor meinem Unfall. Das war eine Tatsache, der ich ins Auge sehen musste. Aber war es auch eine Tatsache, die sich durch Übung wieder wettmachen ließ?
Ich vertraute darauf, dass Steward mit seiner Strategie richtig lag. Vielleicht sollte ich anfangen die ganze Sache nicht nur als hartes Training anzusehen, sondern das Unvermeidliche als Ansporn nehmen. Irgendwann würde Alans Rudel nämlich wieder Maßnahmen ergreifen, um mein Ableben zu beschleunigen. Auch wenn die sich vorübergehend zurückhielten. Hätte ich bis dahin meine Kräfte nicht im Griff, konnte das verflucht brenzlig werden. Und das war keine Anspielung auf meine zurzeit eher verkümmerten Fähigkeiten!
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