Verschiedene Texte. Martin Luther

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Verschiedene Texte - Martin Luther

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treiben könnten, bis schließlich einige sogar anfingen, auch den Engeln im Himmel zu gebieten; sie prahlen mit unglaublicher und rasender Ruchlosigkeit, sie hätten mit diesen Worten das Herrschaftsrecht im Himmel und auf Erden empfangen und besäßen die Macht, auch im Himmel zu binden. So lehren sie nichts von dem das Volk rettenden Glauben, sondern sie faseln nur von der tyrannischen Gewalt der Päpste, obwohl doch Christus nichts in bezug auf die Gewalt, sondern alles in bezug auf den Glauben behandelt.

      Denn Christus hat nicht Reiche, nicht Gewalten, nicht Herrschaften, sondern Dienste in seiner Kirche gestiftet, wie wir vom Apostel gelernt haben, der da sagt (1. Kor. 4, 1): ›Dafür halte uns jedermann: für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse.‹ Ebenso hat die Stelle, wo Christus sagt (Mark. 16, 16): ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden‹, den Glauben derer erweckt, die getauft wurden; durch dieses Wort der Verheißung soll der Mensch, wenn er getauft wird und glaubt, gewiß sein, daß er selig wird. Hier wird schlechterdings nichts an Gewalt verliehen, sondern lediglich ein Dienst an denen, die getauft werden sollen, eingerichtet. Ebenso ist es auch hier. Wenn er sagt: ›Alles, was du binden wirst‹ usw., erweckt er den Glauben des Büßenden, daß er durch dieses Wort der Verheißung gewiß sei: wenn er im Glauben losgesprochen würde, daß er im Himmel wahrhaftig losgesprochen sei. Da wird eindeutig nichts von Gewalt, sondern der Dienst dessen berührt, der da losspricht. Und es ist verwunderlich genug, was jenen blinden und anmaßenden Menschen widerfahren sein muß, daß sie sich nicht auch aus der Verheißung der Taufe eine Tyrannei angemaßt haben; oder wenn sie sich diese nicht angemaßt haben, warum sie es sich dann bei der Verheißung der Buße herausgenommen haben, wo doch bei beiden Sakramenten der gleiche Dienst, eine ähnliche Verheißung und gleiche Art von Sakrament gegeben ist. Man kann also nicht leugnen: wenn die Taufe Petrus nicht allein zugehört, daß dann auch die Schlüsselgewalt nur mit gottloser Tyrannei für den Papst allein in Anspruch genommen wird.

      Desgleichen, wenn Christus sagt: ›Nehmet, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das ist der Kelch in meinem Blut‹ usw., erweckt er den Glauben derer, die da essen, daß mit diesen Worten ihr Gewissen durch den Glauben befestigt wird und sie gewiß seien, sie empfangen die Vergebung der Sünden, wenn sie davon essen. Und auch hier verlautet nichts von Gewalt, sondern allein vom Dienst. Aber die Verheißung der Taufe ist einigermaßen nur den Kindern geblieben, die Verheißung des Brots und des Kelchs ist ausgelöscht und in die Knechtschaft ihrer Habsucht verschleppt worden, und aus dem Glauben ist ein Werk, aus dem Testament ein Opfer entstanden; die Verheißung der Buße hat sich zu einer sehr grausamen Tyrannei entwickelt und zur Aufrichtung einer mehr als weltlichen Herrschaft geholfen.

      Nachdem nun die Verheißung und der Glaube in Vergessenheit gebracht und zunichte gemacht sind, laßt uns sehen, was sie an deren Stelle gesetzt haben. In drei Teile haben sie die Buße eingeteilt: Reue, Beichte, Genugtuung, doch so, daß sie von jedem das weggenommen haben, was Gutes daran war, und an deren Stelle haben sie ihre Willkür und ihre Tyrannei gesetzt.

      Zuerst haben sie von der Reue so gelehrt, daß sie diese dem Glauben an die Verheißung weit vorgezogen haben und noch viel schlimmer: sie wäre nicht ein Werk des Glaubens, sondern ein Verdienst. Ja sie gedenken seiner nicht einmal, so haften sie nämlich an den Werken und Beispielen der Schrift, wo man liest, daß viele die Gnade wegen der Zerknirschung ihres Herzens und ihrer Demut erlangt haben. Aber sie bemerken den Glauben nicht, der solche Zerknirschung und Schmerzen des Herzens bewirkt hat, wie von den Niniviten Jonas 3, 5 geschrieben steht: ›Die Leute zu Ninive glaubten an Gott und ließen predigen, man sollte fasten‹ usw. Noch vermessener und ärger als diese (die contritio) haben sie eine ›kleine Reue‹ (attritio) erdichtet, welche durch die Kraft der Schlüssel – die sie nicht kennen – zu einer rechten Reue würde. Diese schreiben sie den Gottlosen und Ungläubigen zu, um so die gesamte Reue abzutun. O unerträglicher Zorn Gottes, daß das in der Kirche Gottes gelehrt werden kann! Nachdem wir so den Glauben und sein Werk zugrunde gerichtet haben, gehen wir in falscher Sicherheit in den Lehren und Meinungen von Menschen einher, vielmehr wir verderben darin. Es ist ein groß Ding um ein zerschlagenes Herz, aber nur in dem Glauben, der durch die Verheißung und göttliche Drohung brennt, der die unerschütterliche Wahrheit Gottes sieht, davor zittert und erschrickt und so das Gewissen zerknirscht, es aber auch wieder erhöht, es tröstet und das zerknirschte Gewissen erhält. So wie die Wahrheit der Drohung Gottes die Ursache für die Zerknirschung ist, so ist die Wahrheit der Verheißung die Ursache für den Trost, wenn sie geglaubt wird und der Mensch mit diesem Glauben Vergebung der Sünden erlangt. Darum soll vor allen Dingen der Glaube gelehrt und erweckt werden; wenn der Glaube siegt, dann werden unfehlbar Zerknirschung und Trost von selbst folgen.

      Deshalb (obwohl an ihrer Lehre etwas ist) lehren die, welche sagen, daß man zur Zerknirschung nur kommen könne, indem man seine Sünden (sozusagen) überdenkt und sich vor Augen hält, etwas ganz Gefährliches und Verkehrtes, solange sie nicht zuvor den Grund und die Ursachen der Reue lehren, nämlich die unerschütterliche Wahrheit der göttlichen Drohung und Verheißung, die uns zum Glauben rufen soll. Sie sollten einsehen, daß sie mit viel größerem Nachdruck auf die göttliche Wahrheit sehen müssen, durch die sie gedemütigt und erhöht werden, als auf die Menge ihrer Sünden. Wenn man sie außerhalb der göttlichen Wahrheit ansieht, wird man die sündlichen Begierden vielmehr erregen und vermehren als zur Reue zu führen. Ich schweige hier von der unüberwindlichen Mühe, die sie uns auferlegt haben, daß wir nämlich um aller Sünden willen zerknirscht sein sollten. Das ist doch unmöglich, wir können nur den geringsten Teil unserer Sünden kennen, zumal auch die guten Werke als Sünden anzusehen sind, wie Psalm 143, 2 sagt: ›Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht: denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht.‹ Denn es ist genug, daß wir die Sünden bereuen, welche uns jetzt in unserm Gewissen quälen, die man kennt und an die man sich leicht erinnert. Denn wer so geängstigt ist, der ist ohne Zweifel bereit, alle Sünden zu bereuen und zu fürchten, und wird sie bereuen und sich davor entsetzen, wenn sie ihm künftighin offenbar werden.

      Hüte dich also, auf deine Reue zu vertrauen oder die Sündenvergebung deinem Schmerz zuzuschreiben. Denn Gott sieht dich nicht deswegen an, sondern wegen deines Glaubens, durch den du seinen Drohungen und Verheißungen geglaubt hast, der einen solchen Schmerz überhaupt bewirkt hat. Und darum verdankt man nicht seiner Sorgfalt, mit der man seine Sünden aufzählt, sondern der Wahrheit Gottes und unserm Glauben, was Gutes in der Buße ist. Alles andere sind Werke und Früchte, die von selbst folgen; die machen nicht zu einem guten Menschen, sondern geschehen von dem, der schon durch den Glauben an die Wahrheit Gottes gut geworden ist. So ›ging Dampf auf von seiner Nase und verzehrend Feuer von seinem Munde, die Grundfesten der Berge regten sich und bebten, da er zornig war‹, wie Psalm 18, 8 f. sagt. Zuerst ist es das Erschrecken vor der Drohung, das die Gottlosen entzündet, dies nimmt der Glaube an und läßt den Dampf der Wolke der Reue aufsteigen usw.

      Doch ist die Reue weniger der Tyrannei der Gewinnsucht, aber ganz der Gottlosigkeit und verderblichen Lehren anheimgefallen. Die Beichte aber und die Genugtuung sind vortreffliche Brutstätten des Gewinns und der Gewalt geworden. Zuerst die Beichte:

      Es ist kein Zweifel, daß die Beichte der Sünden notwendig und von Gott geboten ist, Matth. 3, 6: ›Sie wurden von Johannes im Jordan getauft und bekannten ihre Sünden‹; 1. Joh., 1, 9 f.: ›Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt; wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.‹ Wenn also den Heiligen nicht erlaubt ist, ihre Sünden zu verleugnen, wieviel mehr müssen die ihre Sünden beichten, die öffentlicher und großer Sünden schuldig sind. Die Einrichtung der Beichte aber wird am allerschlagendsten Matth. 18, 15 ff. bewiesen, wo Christus lehrt, den Bruder, der an dir sündigt, zurechtzuweisen, ihn (vor die Gemeinde) zu stellen und anzuklagen, und wenn er darauf nicht hört, ihn aus der Gemeinde auszustoßen. Er wird hören, wenn er seine Sünde anerkennt und sie beichtet, der Zurechtweisung sich beugend.

      Aber die Ohrenbeichte, wie sie jetzt allgemein begangen wird, gefällt mir – wenn sie auch aus der Schrift nicht bewiesen werden kann – doch außerordentlich gut, und sie ist auch nützlich, ja notwendig. Ich will auch nicht, daß sie nicht wäre,

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