Verschiedene Texte. Martin Luther
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Eins füge ich hier noch hinzu, und wollte Gott, ich könnte alle dazu überreden: daß alle Gelübde sämtlich aufgehoben oder vermieden würden, mag es sich dabei um Klostergelübde, um Gelübde zu einer Wallfahrt oder zu anderen Werken handeln, und daß wir in der allergeistlichsten und überaus wirksamen Freiheit der Taufe blieben. Es ist nicht zu sagen, wieviel dieser mehr als zuviel verbreitete Gelübdewahn der Taufe Eintrag tut und das Wissen um die christliche Freiheit verdunkelt, ganz zu schweigen von den unsagbaren, unzähligen Gefahren für die Seele, welche diese Sucht Gelübde abzulegen und die unbedachte Unbesonnenheit täglich mehr und mehr häuft. O ihr ruchlosen Bischöfe und ihr unseligen Hirten, die ihr in falscher Sicherheit schnarcht und eure Leidenschaften pflegt und euch nicht um den großen und sehr gefährlichen ›Schaden Josephs‹ kümmert (Amos 6, 6),
Hier sollte man mit einer allgemeinen Anordnung entweder alle Gelübde aufheben, insbesondere die auf Lebenszeit und jedermann wieder zum Taufgelübde zurückrufen oder fleißig dazu ermahnen, daß niemand unbesonnen etwas gelobte, niemanden dazu auffordern, ja schwer zugänglich und langsam sein, Gelübde zuzulassen. Denn wir haben in der Taufe genug gelobt – mehr als wir erfüllen können – und werden genug zu schaffen haben, wenn wir nur dieses einzige Gelübde halten wollen. Aber jetzt ›durchziehen wir Wasser und Land, damit wir viele Proselyten gewinnen‹ (Matth. 23, 15), wir füllen die Welt mit Pfaffen, Mönchen und Nonnen, und alle diese kerkern wir mit ewigen Gelübden ein. Hier findet man Leute, die disputieren und behaupten, ein Werk innerhalb eines Gelübdes sei besser als ein Werk, das außerhalb eines und ohne ein Gelübde getan wird, und sei – ich weiß nicht, um wie großer Belohnungen im Himmel willen – anderen vorzuziehen. O diese blinden und gottlosen Pharisäer, die an der Größe, an der Vielfalt und anderen Eigenschaften der Werke die Gerechtigkeit und Heiligkeit messen, die bei Gott allem an dem Glauben gemessen wird, bei dem es keinen Unterschied der Werke gibt, außer was den Unterschied des Glaubens betrifft.
Mit solchen aufgeblasenen Worten verschaffen sich diese gottlosen Leute mit ihren Erfindungen einen guten Ruf und rühmen die Werke der Menschen, um den unverständigen Pöbel anzulocken, der durch den äußeren Schein der Werke für gewöhnlich zu einem starken Verlust des Glaubens, zum Vergessen der Taufe und zur Schädigung der christlichen Freiheit verleitet wird. Denn weil ein Gelübde gewissermaßen ein Gesetz ist und eine Auflage, werden, wenn die Gelübde vervielfacht werden, auch die Gesetze und Werke notwendigerweise vervielfacht; werden aber diese vervielfacht, so wird der Glaube ausgelöscht und die Freiheit der Taufe gefangen genommen. Mit solchen gottlosen Schmeichelreden nicht zufrieden, fügen einige noch hinzu, der Eintritt in einen Orden sei eine Art neue Taufe, die man so oft erneuern könne, so oft der Vorsatz zum mönchischen Leben erneuert wird. So haben sich diese Gelübdeanpreiser die Gerechtigkeit, die Seligkeit und den Ruhm allein zugeschrieben; den Getauften haben sie gar nichts übriggelassen, womit sie ihnen verglichen werden könnten. Der römische Bischof, Quelle und Hauptursache allen Aberglaubens, bestätigt, billigt und lobt jetzt diese Art zu leben mit herrlichen Bullen und Gnadenerweisen, während die Taufe niemand auch nur einer Erwähnung wert findet. Und mit diesem glänzenden Aufwand treiben sie – wie gesagt – das willige Volk Christi, wohin sie wollen, daß sie sich, undankbar gegen ihre Taufe, rühmen, mit ihren Werken etwas Besseres zu leisten als andere mit ihrem Glauben.
Aber hier mag ein jeder das Seine darüber denken. Ich will das, was ich angefangen habe, fortsetzen. Weil ich für die Freiheit der Kirche und die Sache der Taufe eintrete, muß ich öffentlich den Rat geben, den ich durch den heiligen Geist gelernt habe. Darum rate ich zuerst den Vorstehern der Kirchen, daß sie all diese Gelübde oder die (Vorschriften für die) Lebensweise der Gelobenden abschaffen, oder daß sie sie weder billigen noch besonders herausstellen. Oder, wenn sie das nicht tun, rate ich allen, die mit größerer Gewißheit (als bisher) selig werden wollen, daß sie sich von allen Gelübden und besonders von den großen und lebenslänglichen enthalten, in Sonderheit die jungen Leute. Das rate ich erstens deshalb, weil solch eine Lebensweise, wie gesagt, kein Zeugnis noch Beispiel in der Schrift hat, sondern allein durch der Menschenpäpste Bullen – rechte Wasserblasen – aufgeblasen worden ist; weiter, weil sie wegen ihres äußeren Scheines und ihrer Besonderheit willen zur Heuchelei neigt. Von da kommen der Hochmut und die Verachtung des allgemeinen christlichen Lebens. Und wenn sonst keine andere Ursache wäre, solche Gelübde abzuschaffen, hätte doch diese allein Gewicht genug, daß durch sie dem Glauben und der Taufe Abbruch geschieht und Werke gerühmt werden, die ohne Verderben nicht gerühmt werden können. Denn unter vielen tausenden ist kaum einer, der in den Orden nicht viel mehr die Werke als den Glauben hochhält. In diesem Wahnsinn will noch ein jeder besser sein als der andere, wie die ›Strengeren‹ vor den ›Laxeren‹, wie sie sagen.
Deshalb rate ich niemandem, ja ich rate vielmehr allen ab, in einen Orden oder Priesteramt zu treten, er sei denn mit dem Wissen ausgerüstet, daß er verstehe, daß die Werke der Mönche und Priester, wie heilig und hoch sie auch sein mögen, vor dem Angesicht Gottes in nichts unterschieden sind von den Werken eines Bauern, der auf dem Acker arbeitet, oder eines Weibes, das ihrer Haushaltung wartet, sondern daß alles vor Gott nach dem Glauben gemessen wird, wie Jeremia 5, 3 sagt: ›Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben‹, und Sirach 32, 27: ›Was du vornimmst, so vertraue Gott von ganzem Herzen. Denn auch das ist ein Halten der Gebote Gottes.‹ Ja, es kommt häufiger vor, daß ein häusliches und schlichtes Werk einer Magd oder eines Knechtes Gott wohlgefälliger ist als alle Fasten und Werke eines Ordensmannes und Priesters – wegen des fehlenden Glaubens. Weil demnach die Gelübde heutzutage wahrscheinlich nur zur Prahlerei und zur Anmaßung wegen der Werke dienen, steht zu fürchten, daß es nirgends weniger Glauben, weniger von der Kirche gibt als eben bei Priestern, Mönchen und Bischöfen, und daß sie rechte Heiden und Heuchler sind, die sich für die Kirche oder für das Herz der Kirche, ebenso für Geistliche und Leiter der Kirche halten, obwohl sie doch nichts weniger als das sind.
Dies sei einstweilen genug von der Taufe und ihrer Freiheit. Später werde ich vielleicht die Gelübde ausführlicher behandeln, wie es wirklich dringend nötig wäre, sich mit ihnen besonders zu beschäftigen.
Von dem Sakrament der Buße
An dritter Stelle soll von dem Sakrament der Buße die Rede sein, über das ich bereits einige kleine Traktate und Disputationen veröffentlicht und damit bei vielen genug Anstoß erregt habe; ich habe dort zur Genüge auseinandergesetzt, was ich davon halte. Jetzt brauche ich das nur kurz zu wiederholen, um die Tyrannei zu enthüllen, die hier nicht weniger als im Sakrament des Brotes überhand genommen hat. Denn in diesen beiden Sakramenten hat, weil hier Gewinn- und Geldsucht ihren Platz fanden, die Habsucht der Hirten unglaublich gegen die Schafe Christi gewütet, obwohl, wie wir schon in bezug auf die Gelübde gesehen haben, auch die Taufe bei den Erwachsenen erbärmlich darniederliegt, damit der Habsucht gedient werde.
Das erste und das Hauptübel bei diesem Sakrament ist, daß sie seinen Sakramentscharakter ganz abgeschafft haben, so daß keine Spur davon geblieben ist. Denn weil es, wie die beiden anderen Sakramente, auf dem Wort der göttlichen Verheißung und unserm Glauben steht, haben sie beides über den Haufen geworfen. Denn das Wort der Verheißung, wo Christus, Matth, 16, 19, sagt: ›Alles, was du binden wirst‹ usw., und Matth. 18, 18: ›Alles, was ihr binden werdet‹, und Joh. 20, 23: ›Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen‹ usw. – Worte, durch die der Glaube derer, die Buße tun, erweckt wird, um die Vergebung der Sünden zu erlangen – haben sie ihrer Tyrannei angepaßt. Denn in all ihren Büchern, Lehren und Predigten haben sie sich nicht bemüht