Das Leben des Giacomo Casanova und seine frivolen erotischen Abenteuer - Teil 1. Giacomo Casanova

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Das Leben des Giacomo Casanova und seine frivolen erotischen Abenteuer - Teil 1 - Giacomo Casanova

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lag ich im Bett, so schlief ich ein, ohne wieder an den schönen Besuch zu denken, der mir bevorstand; aber als ich einige Stunden später auswachte, sah ich – oder glaubte wenigstens sie zu sehen – eine blendend schöne Frau, die aus dem Kamin kam. Sie war im Reifrock, trug ein prachtvolles Kleid und hatte auf dem Kopf eine mit Edelsteinen besetzte Krone, von der – wie es mir vorkam – Funken sprühten. Sie kam langsamen Schrittes mit majestätischer und sanfter Miene auf mein Bett zu und setzte sich auf dieses; dann zog sie aus ihrer Tasche kleine Büchschen, die sie über meinen Kopf ausleerte, wobei sie Worte flüsterte. Nachdem sie mir eine lange Ansprache gehalten hatte, von der ich nichts verstand, küsste sie mich und verschwand auf demselben Wege, auf dem sie gekommen war. Hierauf schlief ich wieder ein.

      Am anderen Morgen kam meine Großmutter mich ankleiden; kaum an mein Bett antreten, sagte sie, ich müsse unbedingt schweigen; ich sei des Todes, wenn ich über das von mir in der Nacht Gesehene zu sprechen wage. Diese Rede aus dem Munde der einzigen Frau, die auf mich einen unbeschränkten Einfluss hatte und die mich gewöhnt hatte, allen ihren Befehlen blindlings zu gehorchen, bewirkte, dass ich mich der Erscheinung wieder erinnerte und dass ich sie unter Siegel im geheimsten Winkel meines eben erwachenden Gedächtnisses aufbewahrte. Übrigens fühlte ich mich gar nicht versucht, das Begebnis irgendeinem Menschen zu erzählen; zunächst weil ich nicht wusste, was man überhaupt daran interessant finden könnte, dann aber auch weil ich niemand kannte, an den ich mich mit meiner Erzählung hätte wenden können; denn da meine Krankheit mich trübsinnig und nicht im geringsten unterhaltend machte, so bedauerten mich alle Leute und ließen mich in Ruhe; man glaubte, ich würde nicht lange leben, und meine Eltern sprachen niemals ein Wort mit mir.

      Nach der Reise nach Murano und dem nächtlichen Besuch der Fee blutete ich zwar noch, aber die Blutungen wurden von Tag zu Tag geringer und allmählich entwickelte sich mein Gedächtnis. In weniger als einem Monat lernte ich lesen.

      Ohne Zweifel wäre es lächerlich, meine Heilung diesem tollen Zauber zuzuschreiben; ich glaube aber auch, dass man unrecht hätte, wollte man rundweg leugnen, dass er vielleicht dazu beigetragen. Die Erscheinung der schönen Königin habe ich immer für einen Traum gehalten – wenn es nicht etwa ein zu meinem Besten veranstalteter Mummenschanz war; die Heilmittel für die schwersten Krankheiten sind ja nicht immer in Apotheken zu finden. Tagtäglich tut irgendein Phänomen uns unsere Unwissenheit dar, und ich glaube, dies ist der Grund, warum wir so selten einen Gelehrten finden, dessen Geist von jedem Aberglauben frei ist. Ganz gewiss hat es auf dieser Welt niemals Hexen und Hexenmeister gegeben; aber ebenso unleugbar haben zu allen Zeiten Leute an Betrüger geglaubt, die das Talent besaßen, als Zauberer aufzutreten: Somnio nocturnos lemures portentaque Thessalia vides. – Im Traum siehst du Nachtgespenster und thessalische Ungeheuer.

      Manches, was zunächst nur in der Phantasie vorhanden ist, wird allmählich zur Tatsache; folglich ist es wohl möglich, dass diese oder jene Wirkung, die man nur dem Glauben zuschreibt, kein eigentliches Wunder ist, obgleich sie denen, die dem Glauben eine schrankenlose Macht zuschreiben, als ein wirkliches Wunder erscheint. –

      Das zweite mir widerfahrene Ereignis, dessen ich mich erinnere, passierte mir drei Monate nach der Reise nach Murano und sechs Wochen vor dem Tode meines Vaters. Ich teile es dem Leser nur mit, um ihm einen Begriff zu geben, in welcher Weise sich mein Charakter entwickelte.

      Eines Tages, um die Mitte des Novembers, befand ich mich zusammen mit meinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Francesco im Zimmer meines Vaters und sah ihm aufmerksam bei seinen optischen Arbeiten zu.

      Ein großes Stück Kristall, rund und in Facetten geschliffen, fesselte meine Aufmerksamkeit. Ich nahm es in die Hand, hielt es vor meine Augen und war wie bezaubert, als ich alle Gegenstände vervielfältigt sah. Sofort bekam ich Lust, mir diesen Kristall anzueignen, und da ich mich unbeachtet sah, so benutzte ich den Augenblick, ihn in die Tasche zu stecken. Gleich darauf stand mein Vater auf, um den Kristall zu benutzen; da er ihn nicht fand, sagte er zu uns, einer von uns beiden müsste ihn genommen haben. Mein Bruder versicherte ihm, er habe ihn nicht angerührt, und hierauf sagte ich trotz dem Bewusstsein meiner Schuld ihm dasselbe. Mein Vater war aber seiner Sache sicher und drohte uns, er würde unsere Taschen durchsuchen, und wer gelogen hätte, würde Prügel bekommen. Ich tat, als suchte ich den Kristall in allen Zimmerecken, und hierbei gelang es mir in einem günstigen Augenblick, das Ding geschickt meinem Bruder in die Rocktasche gleiten zu lassen. Dies tat mir sofort leid, denn ich hätte ja tun können, als hätte ich den Kristall irgendwo gefunden; aber die Schlechtigkeit war nun einmal begangen. Mein Vater wurde schließlich ungeduldig, als wir nichts fanden; er durchsuchte uns, entdeckte die verhängnisvolle Kugel in der Tasche des Unschuldigen und gab ihm die verheißene Tracht Prügel. Drei oder vier Jahre später war ich so dumm, mich meinem Bruder gegenüber dieses Streiches zu rühmen; er verzieh ihn mir niemals und versäumte keine Gelegenheit, sich dafür zu rächen.

      Als ich in einer Generalbeichte mich dieser Sünde mit allen Nebenumständen anklagte, erhielt ich eine Belehrung, die mir Spaß machte. Mein Beichtvater, ein Jesuit, sagte mir, da ich Giacomo heiße, so hätte ich mit dieser Tat der Bedeutung meines Namens entsprechend gehandelt. Denn im Hebräischen bedeutet Jakob Verdränger. Deshalb gab Gott dem Patriarchen für seinen alten Namen den neuen Israel, das heißt: Der Sehende. Er hatte seinen Bruder Esau hintergangen.

      Sechs Wochen nach diesem Vorfall bekam mein Vater im Innern des Kopfes ein Geschwür, das ihn binnen acht Tagen ins Grab brachte. Der Arzt Zambelli gab dem Kranken zunächst verstopfende Heilmittel und glaubte dann diese Dummheit mit der Verabreichung von Bibergeil wieder gutzumachen. Mein Vater starb infolgedessen an Krämpfen. Eine Minute nach seinem Tode barst das Geschwür und floss durchs Ohr ab; es entfernte sich, nachdem es ihn getötet hatte, wie wenn es nun nichts mehr bei ihm zu tun hätte.

      Mein Vater schied im blühendsten Alter aus dem Leben; er zählte nur 36 Jahre. In sein Grab folgte ihm das Bedauern des Publikums, besonders des Adels, der in ihm einen Mann achtete, der sich durch seine Lebensführung wie durch seine Kenntnisse in der Mechanik über seinen Stand erhob.

      Zwei Tage vor seinem Tode fühlte mein Vater sein Ende nahen; er ließ seine Frau und uns alle an sein Bett kommen und bat die edlen Herren Grimani, unsere Beschützer zu werden.

      Nachdem er uns seinen Segen gegeben hatte, verlangte er von meiner in Tränen zerfließenden Mutter, dass sie ihm schwöre, keins von seinen Kindern für die Bühne zu erziehen, die er selber niemals würde betreten haben, wenn ihn nicht eine unglückliche Leidenschaft dazu gezwungen hätte. Sie tat den Schwur, und die drei Patrizier bürgten für dessen Unverletzlichkeit. Die Umstände halfen ihr, dieses Versprechen halten zu können.

      Da meine Mutter damals im sechsten Monat schwanger war, wurde sie bis nach Ostern vom Auftreten befreit. Schön und jung wie sie war, schlug sie alle Heiratsanträge aus; auf die Vorsehung vertrauend, hoffte sie selber imstande zu sein, uns großzuziehen.

      Zunächst glaubte sie sich mit mir beschäftigen zu sollen; nicht so sehr aus besonderer Vorliebe für mich als wegen meiner Krankheit, die mich in einen solchen Zustand versetzte, dass man nicht mehr wusste, was man mit mir anfangen sollte. Ich war sehr schwach, hatte keinen Appetit, war zu keiner Anstrengung fähig und sah aus wie ein Blödsinniger. Die Ärzte stritten sich um die Ursache meines Leidens. Er verliert, sagten sie, wöchentlich zwei Pfund Blut, während er doch im Ganzen nur sechzehn bis achtzehn haben kann. Woher kann also eine so überreichliche Abgabe von Blut kommen? Der eine sagte, mein ganzer Speisesaft verwandle sich in Blut, der andere behauptete, die von mir eingeatmete Luft müsse bei jedem Atemzuge die Menge des in meinen Lungen vorhandenen Blutes vermehren und darum hielte ich fortwährend den Mund offen. Dies wurde mir sechs Jahre später von Herrn Baffo, einem vertrauten Freunde meines seligen Vaters, erzählt.

      Baffo konsultierte schließlich in Padua den berühmten Arzt Macopo, der ihm seine Meinung schriftlich mitteilte. In diesem Gutachten, das ich aufbewahrt habe, heißt es, unser Blut sei eine dehnbare Flüssigkeit, die an Dicke, niemals aber an Menge sich

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