Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten - Karl May

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"Rih!" rief ich, indem ich meinem Rappen die Hand zwischen die

       Ohren legte. Das brave Tier war längst nicht mehr bei vollen

       Kräften; auf dieses Zeichen hin aber flog es über den Boden, als

       ob es wochenlang ausgeruht habe. In zwei Minuten war ich dem

       Bebbeh um zwanzig Pferdelängen nahe gekommen.

       "Halt!" rief ich ihm zu.

       Dieser Mann war sehr mutig. Statt weiter zu fliehen oder zu

       halten, warf er sein Pferd auf den Häcksen herum und kam mir

       entgegen. Im nächsten Augenblick mußten wir zusammenprallen.

       Ich sah ihn die Lanze heben und griff zu dem leichten Stutzen. Da

       nahm er sein Pferd um einige Zoll nur auf die Seite. Wir sausten

       aneinander vorüber; die Spitze seines Speeres war auf meine

       Brust gerichtet; ich parierte glücklich, nahm aber sofort mein

       Pferd herum. Er hatte eine andere Richtung eingeschlagen und

       suchte zu entkommen. Warum bediente er sich nicht seiner

       Flinte? Auch war sein Pferd zu wenig schlecht, als daß ich es

       unter ihm hätte erschießen mögen. Ich nahm den Lasso von der

       Hüfte, befestigte das eine Ende desselben am Sattelknopfe und

       legte dann den langen, unzerreißbaren Riemen in die Schlingen.

       Er blickte sich um und sah mich näher kommen. Er hatte wohl

       noch nie von einem Lasso gehört und wußte also auch nicht, wie

       man dieser so gefährlichen Waffe entgehen kann. Zur Lanze

       schien er kein Vertrauen mehr zu haben, denn er nahm sein

       langes Gewehr, dessen Kugel ja nicht zu parieren war. Ich maß

       die Entfernung scharf mit dem Auge, und grad, als er den Lauf

       erhob, schwirrte der Riemen durch die Luft. Kaum hatte ich mein

       Pferd zur Seite genommen, so fühlte ich einen Ruck: ein Schrei

       erscholl, und ich hielt an - der Bebbeh lag mit umschlungenen

       Armen am Boden. Einen Augenblick später stand ich bei ihm.

       "Hast du dir wehe getan?"

       Diese meine Frage mußte unter den gegenwärtigen Umständen

       allerdings wie Hohn klingen. Er suchte seine Arme zu befreien

       und knirschte:

       "Räuber!"

       "Räuber!"

       "Du irrst! Ich bin kein Räuber; aber ich wünsche, daß du mit mir

       reitest."

       "Wohin?"

       "Zum Khan der Bejat, dem du entflohen bist."

       "Der Bejat? Also gehören die Männer, welche ich traf, zu diesem

       Stamme! Und wie heißt der Khan?"

       "Heider Mirlam."

       "Oh, nun weiß ich alles. Allah möge euch verderben, die ihr doch

       nur Diebe und Schufte seid!"

       "Schimpfe nicht! Ich verspreche dir bei Allah, daß dir nichts

       geschehen soll!"

       "Ich bin in deiner Gewalt und muß dir folgen."

       Ich nahm ihm das Messer aus dem Gürtel und hob die Lanze und

       die Flinte vom Boden; sie waren ihm beim Sturze entfallen. Dann

       löste ich den Riemen und stieg schnell zu Pferde, um auf alles

       gefaßt zu sein.

       Er schien keinen Gedanken an Flucht zu hegen, sondern pfiff

       seinem Pferde und schwang sich auf.

       "Ich traue deinem Worte," sagte er. "Komm!"

       Wir galoppierten nebeneinander zurück und fanden die Bejat am

       Ausgange der Vertiefung auf uns warten.

       Als Heider Mirlam den Gefangenen erblickte, klärte sich sein

       finsteres Gesicht auf.

       "Herr, du bringst ihn wirklich!" rief er.

       "Ja, denn ich habe es dir versprochen. Aber ich habe ihm mein

       Wort gegeben, daß ihm nichts geschehen soll. Hier sind seine

       Waffen!"

       "Er soll später alles wieder haben, jetzt aber bindet ihn, damit er

       nicht entfliehen kann!"

       Diesem Befehle wurde sogleich Gehorsam geleistet. Unterdessen

       war die zweite unserer Abteilungen herangekommen, und ihr

       wurde der Gefangene mit dem Bedeuten übergeben, ihn zwar gut

       zu behandeln, ihn aber ebenso gut zu bewachen. Dann ward der

       unterbrochene Ritt fortgesetzt.

       "Wie ist er in deine Gewalt gekommen?" fragte der Khan.

       "Ich habe ihn gefangen," antwortete ich kurz; denn ich war

       verstimmt über sein Verhalten.

       "Herr, du zürnst," meinte er; "du wirst aber noch erkennen, daß

       ich so handeln mußte."

       "Ich hoffe es!"

       "Dieser Mann darf nicht ausplaudern, daß die Bejat in der Nähe

       sind."

       "Wann wirst du ihn entlassen?"

       "Sobald es ohne Gefahr geschehen kann."

       "Bedenke, daß er eigentlich mir gehört. Ich hoffe, daß mein ihm

       gegebenes Wort nicht zu Schanden werde!"

       "Was würdest du tun, wenn das Gegenteil geschähe?"

       "Ich würde einfach dich -"

       "Töten?" fiel er mir in die Rede.

       "Nein. Ich bin ein Franke, das heißt, ich bin ein Christ; ich töte

       nur dann einen Menschen, wenn ich mein Leben gegen

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