Justice justified. Kendran Brooks

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Justice justified - Kendran Brooks

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will ich auch hoffen, Mister Lederer. Immerhin möchte ich noch viele glückliche Jahre mit dir verbringen.«

      Sie küssten sich weich und warm, ließen zwischen den leicht geöffneten Lippen nur ihre Zungenspitzen kreisen, langsam und schmeichelnd, warm und liebkosend. Als sie sich lösten, waren sie beide etwas außer Atem geraten, blickten einander dafür umso glücklicher an.

      Der Milchwächter meldete sich klappernd und Alabima fuhr herum, hob den Topf rasch von der Herdplatte, leerte die Milch über den Flocken aus, griff sich einen Dessertlöffel aus der Schublade, denn die Suppenlöffel waren für Alina noch zu groß, rührte kurz im Teller um, nahm ihn mit beiden Händen auf und stellte ihn auf den Esstisch, legte den Löffel schräg auf seinen Rand.

      »Petit déjeuner est prêt«, rief sie so laut in Richtung der Küchentüre, dass es ihre Tochter in der oberen Etage hören musste.

      Jules setzte sich mit seinem Espresso an den Tisch, während sich Alabima einen Milchkaffee aus der Maschine ließ und sich dann ebenfalls setzte. Der kleine Wirbelwind stürzte herein, hopste auf den Stuhl mit dem Teller davor, griff sich den Löffel und schaufelte sich etwas vom heißen Haferbrei darauf, pustete so stark darüber, dass sich zwei Flocken lösten und im Bogen auf die Tischplatte fielen, stopfte sich den Rest in den Mund und begann genüsslich zu kauen. Ihre Eltern saßen daneben, schauten ihr stumm zu, hingen ihren Gedanken nach.

      »Was ist?«, fragte Alina zwischen zwei Löffeln, blickte misstrauisch erst in das Gesicht der Mutter, dann zum Gesicht des Vaters schräg neben ihr hoch.

      »Nichts«, beeilte sich Alabima klar zu stellen, »wir sind bloß glücklich.«

      Die Kleine kräuselte ihre Stirn.

      »Glücklich?«, fragte sie, ernsthaft darüber nachdenkend, »weil wir nach Amerika fliegen?«

      »Ja, auch deshalb. Aber vor allem, weil es dich gibt.«

      Alina gab sich mit dieser Antwort zufrieden, widmete sich wieder ganz dem Frühstück. Als der Teller leer gegessen war, stand Jules zusammen mit ihr vom Tisch auf. Während die Kleine wieder nach oben eilte, ging er zurück in seinen Büroraum. Alabima räumte ab, stellte das gebrauchte Geschirr in die Spülmaschine, wischte mit einem feuchten Lappen über den Tisch, wusch ihn unter dem Wasserstrahl des Spülbeckens aus, wrang ihn mit beiden Händen aus und legte ihn über den Hahn.

      Die Äthiopierin war froh über Dr. Grey, über die Psychologin, die ihre Praxis in Lausanne betrieb und mit der sich Jules seit ein paar Monaten regelmäßig zu Therapiesitzungen traf. Denn weiterhin schlief der Schweizer schlecht, wachte oft mitten in der Nacht und schweißgebadet auf, konnte kaum mehr einschlafen, war über Tag oft müde, geistesabwesend und mürrisch, wälzte in seinem Gehirn böse Erinnerungen, kam mit ihnen zu keinem Ende, stand nach Ansicht von Alabima kurz vor einer schweren Depression. Der gemeinsame Familienurlaub in den USA sollte ihren Ehemann auf andere Gedanken bringen, ja, neuen Lebenswillen und Kraft in ihn hauchen. Dr. Grey hatte ihnen diesen Rat vor gut zehn Tagen erteilt. Der Ausbruch aus dem täglichen Einerlei sollte für sie alle zu einem Neubeginn werden. Für mindestens vier Wochen wollten sie den Südwesten der USA bereisen, die Schönheiten von Texas, New Mexiko und Arizona genießen und die Seele baumeln lassen.

      Dass sich Chufu und Mei für zwei oder drei Wochen eine Auszeit vom Studium gönnten und sie begleiten wollten, machte das Glück für Alabima vollkommen. Denn seit der Philippine in Brasilien lebte und sie ihn darum nur noch selten sahen, fehlte vor allem Jules die endlosen Debatten mit seinem Sohn, die kindischen Reibereien, ihr Foppen und das gegenseitige Hänseln. Früher hatte Alabima öfters Mal von ihren beiden Jungs gesprochen und damit Ehemann und Adoptivsohn gemeint, die sich wieder einmal unnötig und spielerisch fetzten. Ja, die gemeinsamen Wochen würden Jules auch in dieser Hinsicht bestimmt guttun.

      Nach dem Aufräumen der Küche wollte sich die Äthiopierin ans Packen der Koffer machen. Gegen zwei Uhr würde das bestellte Taxi sie abholen und zum Flughafen nach Genf bringen. Ihre Maschine flog um vier Uhr nachmittags nach London Heathrow, wo sie übernachten wollten, um am nächsten Tag den um zwei Stunden Flugzeit abgekürzten Sprung über den großen Teich zu wagen.

      *

      Patrick McPhearsen lebte seit zwei Jahren auf seinem Hausboot an der Themse, wie er sein Schiff nannte. Denn der umgebaute Getreidefrachter mit seinen 1500 Bruttoregistertonnen bot mehrere hundert Quadratmeter Luxus pur. Sein Rumpf wies große, verspiegelte Fenster auf, durch die niemand hineinblicken konnte. Hätte es doch einer geschafft, so würde er von einem riesigen Wohnzimmer mit Marmorböden und neckischen Säulen, einem riesigen, runden Bett mit einer Tagesdecke aus Hermelin und einem prunkvollen Badezimmer mit goldenen Hähnen berichtet haben.

      Der Vater von Patrick McPhearsen, Rupert Evangile, war der einzige Bruder von Ollie Oldman McPhearsen gewesen, doch schon seit über zehn Jahren tot, offiziell aufgrund eines Herzinfarkts. Rupert Evangile McPhearsen hatte zeitlebens für seinen älteren Bruder gearbeitet, trat nie aus dessen Schatten, übernahm jedoch nicht selten die Drecksarbeit beim Aufbau des weltweit operierenden Familien-Konzerns.

      Nach dem Tod des Bruders hatte sich der Oldman um den damals fünfzehnjährigen Patrick gekümmert, ließ ihn die bevorzugte Universität besuchen, bezahlte den Abschluss Cum Lauda, gab ihm danach einen gewichtigen Posten in einem seiner Unternehmen. Patrick stellte sich leider von Anfang an als Lebemann heraus, ähnlich wie Silver, nahm die Tage, wie die jungen Mädchen fielen, gehörte zu den bekanntesten Party-Löwen von London, wurde von bestimmten Kreisen eng umworben. Auch an diesem Morgen wachte er mit einem grässlichen Kater auf, jedoch für einmal in seinem runden Bett auf der Mayflower, wie er sein Hausboot scherzhaft getauft hatte. Das Original hatte immerhin die Pilgrims in das gelobte Land geführt. Seine Mayflower brachte ihn dagegen immer und immer wieder direkt dem Paradies näher.

      Patrick McPhearsen drehte seinen schweren Kopf, stöhnte dabei leise auf. Dafür war bestimmt der viele Whiskey von gestern Nacht schuld und nicht die kleinen, rosafarbenen Pillen, die er sich mittlerweile auch über Tag wie Tic-Tacs einwarf, um seine Laune hoch zu halten. Aus verschwollenen Augenlidern erblickte er einen nussbraunen Haarschopf zwischen den Lacken hervorquellen. Er versuchte sich an das Mädchen zu erinnern, vermochte es nicht. Mit einem Ruck richtete er seinen Oberkörper auf, fühlte zugleich den Schlag in seinem Kopf, stöhnte lauter auf. Der schlanke Mädchenkörper neben ihm begann sich zu regen, hob das Gesicht aus den Laken, starrte aus übermüdeten Augen zu ihm hoch.

      »Was is?«

      Sie spuckte eine Haarsträhne aus ihrem Mund, fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Patricks Kopf bemühte sich um Klarheit. Ach ja, die Kleine hatte sich im Blue Moon wie eine Klette an ihn gehängt. Er grinste, dachte an die Bumserei im Damenklo der Diskothek, wie er sie von hinten kräftig genommen hatte, für einmal so ganz ohne Viagra, einfach so und voller Lust.

      »Halt dein Maul«, befahl er ihr abweisend.

      Sie ließ ihren Kopf wieder sinken, lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bettlaken, begann sofort tief und schwer zu atmen, dann sogar leicht zu schnarchen. Wie sie hieß, wusste Patrick immer noch nicht zu sagen. Es war ihm aber auch egal.

      Seine Muskeln an Armen und Beinen schmerzten ihn, als hätte er gestern ausdauernden Sport betrieben. Verdammter Alkohol, dachte er wieder, ich muss mit dem Saufen aufhören.

      Dann grinste er jedoch kurz, wusste er doch ganz genau, dass Abstinenz für ihn völlig unmöglich war. Wie hätte er ohne Whiskey auch nur einen angenehmen Tag verleben können? Immer noch besser, mit beduselten Gedanken durch diese Scheißwelt zu torkeln, als nüchtern und dafür aufrecht zu schreiten.

      Zu schreiten?

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