Justice justified. Kendran Brooks
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»Ihr brasilianischer Kunde kann die Uhren auch an uns zurücksenden«, bot der Fabrikant nun an, »dann tauschen wir ihm die Batterien umsonst aus. Gut so, Mr. Langton? Sie sehen, ich bin Ihr Freund und will Ihnen helfen.«
Das war ebenso großer Nonsens wie das drei Dollar Angebot. Gequirlte Scheiße, wie Michael gerade dachte. Denn kein Käufer würde mehrere Wochen auf seine Armbanduhr verzichten, wenn er die Batterie auch für wenige Reales direkt in Brasilien austauschen lassen konnte und dafür auch noch einen Gutschein des Modehauses im Gegenwert von fünfzig Dollar erhielt.
»Teilen Sie mir also mit, für welche Variante sich Ihr Kunde entscheidet. Rufen Sie mich wieder an, Mr. Langton, ja?«
Mr. Chen hatte nach diesem Satz direkt aufgelegt und auch Michael Langton drückte ein paar Sekunden später den Knopf an seinem Handy, unterbrach die Verbindung auf seiner Seite.
Verdammt. Hunderttausend Dollar wollte sein Kunde in Rio de Janeiro von ihm zurückerhalten und damit Gutscheine über zweihunderttausend finanzieren. Auch Michael Langton war selbstverständlich klar gewesen, dass die Margen des Modehauses weit höher als bei fünfzig Prozent lagen, die Brasilianer also auf seine Kosten ein Zusatzgeschäft witterten. Doch was hätte er anderes tun sollen?
Der Halb-Chinese seufzte, nahm wieder sein Smartphone zur Hand und suchte sich aus dem Speicher eine bestimmte Nummer heraus, drückte die Anruftaste, hob das Telefon an sein Ohr.
»Ja, hallo Charley, ich bin’s, Michael. Du, ich komm aus der verdammten Brasilien-Sache nicht mehr raus. Ja, die Batterie-Geschichte, von der ich dir gestern erzählt habe. Leitest du bitte alles wie besprochen in die Wege? Ja? Ich danke dir. Nein, ich werde die Büroadresse hier sicherheitshalber noch heute aufgeben. Miete mich doch vorerst im VP an der Central Station ein. Den neuen Namen kennst du ja. Okay? Wir sehen uns morgen. Ciao.«
Charley Chase war sein Anwalt und Freund. Und was Charley nun auf den Weg brachte, das hatte er für Michael Langton bereits zweimal durchgespielt. Die Langton Trade and Export Corporation Ltd. würde in den nächsten Tagen im Handelsregister gelöscht, genauso wie die frühere Michael Langton Quotation Ltd. und die Hang Seng Trading Ltd. zuvor. Dafür würde als sein neues Unternehmen die ML Logistics Ltd. Eingetragen werden.
Neuer Name, neue Adresse, neues Leben. Die Wiedergeburt des Geschäftsmanns Michael Langton war sichergestellt. Sollten die Brasilianer ruhig toben. Immerhin war auch er, Michael Langton, von Mr. Chen hereingelegt worden. Und dass sich sein Kunde in Südamerika auch noch an ihnen beiden bereichern wollte, war zwar verständlich, aber nicht sein Problem. Fairness im Geschäftsleben hin oder her. In dieser Beziehung war Michael Langton längst zum Vollblut-Chinesen geworden. Immerhin war er vor über dreiundzwanzig Jahren in dieser Stadt geboren worden und hier aufgewachsen, sprach Mandarin und Kantonesisch ebenso fließend wie Englisch, wenn auch alle drei mit dem Akzent aller Hongkonger. Sein Vater, John Langton, und seine Mutter, Lai a-Mong, waren beide leider sehr früh verstorben und er hatte kaum Erinnerungen an sie. Denn Michael war damals erst drei gewesen und wuchs von da an im Waisenhaus auf. Er konnte in all den Jahren nie an eine andere Familie vermittelt werden. Warum das so war? Das fand er erst viel später und als Erwachsener heraus.
Niemand wollte Sie, Michael, tut mir wirklich leid, hatte die Direktorin ihm auf seine Frage hin stets versichert. Misses Chan war eine kleine, gedrungene Frau mit dem breiten Gesicht einer Bulldogge und dem schwankenden, watschelnden Gang einer Ente, ebenso bissig, wie verschlagen. Doch jedes zusätzliche Waisenkind bedeutete für ihr privat geführtes Haus eine Einnahmequelle. Und so schmierte Misses Chan über viele Jahre hinweg die lokalen Sozialbehörden, damit deren Beamten für keinen ihrer Schützlinge jemals Platz in einer anderen Familie finden konnten.
Das alles war Michael allerdings erst richtig klar geworden, als er vor drei Jahren im Internet auf einen Bericht über die katastrophal niedrige Vermittlungsrate von Waisenkindern in Hongkong stieß. Eine junge Journalistin hatte das Thema eingehend recherchiert, mit Waisenhausbetreibern und Beamten des Sozialdepartements gesprochen und daraufhin eine Reihe von Zeitungsberichten veröffentlicht. Die Antworten der Amtspersonen überraschten Michael nicht wirklich. Unisono erklärten sie, dass Waisenkinder den besonderen Schutz des Staates verdient hätten und deshalb nur bestens geeignete Familien in Betracht kamen, dass man einfach nicht riskieren durfte, diese vom Schicksal bereits stark gebeutelten Kinder an womöglich schlechte Adoptiveltern zu vermitteln und ihnen so unnötiges und zusätzliches Leid zuzufügen. Denn auf der anderen Seite waren die Waisen in den Heimen auf das Beste untergebracht und liebevoll betreut, da alle diese Häuser ständiger staatlicher Überwachung unterlagen.
Als Michael diese Aussagen las, dachte er zurück an die tränenreichen Nächte, als er mit brennendem Hinterteil, auf dem Bauch liegend, die Trostlosigkeit seines Daseins in sein Kopfkissen weinte.
Auch die vielen, von der Journalistin festgestellten Missstände in den Einrichtungen wurden in den Beiträgen thematisiert. Doch irgendwie verlief die Reportage bald einmal im Sand, löste keine politische Diskussion aus, schaffte keine Schlagzeilen. Was außerhalb der Familie, der Sippe und des Freundeskreises ablief, war in den Augen der Mehrheit der Leserschaft die Aufgabe des Staates. Darum musste man sich nicht persönlich kümmern.
Michael Langton war heute dreiundzwanzig. Mit sechzehn Jahren durfte er eine kaufmännische Ausbildung bei einem britischen Transportunternehmen starten. Zehn-Finger-Tastaturschreiben brachte er sich selbst bei, beobachtete dazu bloß die Sekretärinnen bei ihrer täglichen Arbeit, übte später auf einer selbst gezeichneten Tastatur, bis es ihm gut gelang. Auch besaß Michael ein ausgesprochenes Flair für Computer, las die Anleitungen und Trainingsbücher durch, was sonst kaum einer in der Firma tat, funktionierte bald einmal im Nebenamt als IT-Supporter, wurde deshalb von seinem Boss immer wieder gelobt, durfte nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung im Unternehmen bleiben.
Mit zwanzig Jahren hatte er sich das erste Mal selbstständig gemacht, wollte nach der Subprime-Krise vom erneut einsetzenden Wirtschaftsboom auf dem chinesischen Festland und in Hongkong profitieren, seinen Anteil daran absahnen. Doch aller Anfang war schwer und so ging sein erstes Maklerbüro bereits nach wenigen Wochen ein. Niemand wollte mit einem so jungen Mann zusammenarbeiten, niemand traute ihm wirklich etwas zu und schon gar nicht über den Weg. Und die Wuchermiete seines winzigen Büros am Hafen trieben seine Hoffnungen allzu rasch in den Konkurs.
Beim zweiten Versuch ging er wesentlich klüger vor und stellte einen alten Chinesen ein, Mr. Wolfgang Lee, wie der sich nannte, in Anlehnung an Wolfgang Amadeus Mozart, wie der Kerl jedem augenzwinkernd bekanntgab, dem er sich vorstellte. Langton kleidete den heruntergekommenen Mr. Wolfgang Lee auf seine Kosten neu ein, trainierte mit ihm auch Auftreten und Manieren. Fortan waren sie stets zu zweit unterwegs gewesen, hatten viele chinesische und britische Unternehmen gemeinsam besucht und Geschäftskontakte geknüpft. Sie stellten sich jeweils als Firmeninhaber und Juniorpartner vor und hatten von Beginn an Erfolg. Mr. Lee wirkte distinguiert, aber meist wenig interessiert, was einen ausgesprochen seriösen Rahmen vortäuschte, während Michael Langton als der aufgeschlossene, vitale, amerikanisch-chinesische Manager auftrat und die notwendige Dynamik für die Geschäfte einbrachte.
Doch nach etwas über einem Jahr war dann Mr. Wolfgang Lee von einem Tag auf den anderen verschwunden, hatte zuvor die Firmenkonten leergeräumt und Kommissionsware von Kunden auf dem Schwarzmarkt verhökert. Sogar die Büroräume an der Queen’s Road hatte das verdammte Schlitzohr auf drei Jahre hinaus an eine andere Firma untervermietet und das Geld in bar kassiert. Michael Langton zitterte heute noch vor Wut, wenn er sich dann und wann an diesen Morgen erinnerte, wie er gegen acht Uhr mit dem Schlüssel in der Hand vor der Bürotür stand, hinter der Milchglasscheibe der Einfassung rege Bewegungen erkannte, dazu fröhliches Geplapper und Schreibmaschinen-Geklapper, wie er dann verwundert eingetreten war und ihn die drei Mitarbeiter der frisch eingemieteten Firma erwartungsvoll angeschaut