Anleitung zum geistlichen Leben. Thomas von Kempen
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Gottes. Laß von der Neugier! Lies Bücher, die mehr der Zerknirschung als der
Unterhaltung dienen. Wenn du dich des übermäßigen Schwätzens und des müßigen
Umherlaufens enthältst und dein Ohr den Neuigkeiten und Gerüchten verschließest,
wirst du genügende und passende Zeit zu guter Betrachtung finden. Die größten
Heiligen mieden den Umgang mit Menschen, wo sie nur konnten, und zogen es vor,
Gott im verborgenen zu dienen. Es hat jemand gesagt: "Sooft ich unter Menschen
weilte, war ich beim Heimgehen weniger Mensch." Das erfahren wir öfter, wenn wir
uns lange unterhalten. Es ist leichter, nichts zu reden, als reden und nicht fehlen. Es
ist leichter, im Hause zurückgezogen zu leben, als draußen genügend über sich zu
wachen. Wer also ein innerlicher, ein geistlicher Mensch werden möchte, muss mit
Jesus der Menge ausweichen. Keiner tritt sicher an die Öffentlichkeit, der nicht gern
im Verborgenen bleibt. Keiner tritt im Reden mit Sicherheit auf, der nicht gern
schweigt. Keiner kann andern sicher vorstehen, der nicht gern untertan ist. Keiner
kann sicher befehlen, der nicht gut gelernt hat zu gehorchen. Keiner wird sich
wahrhaft freuen, wenn er nicht das Zeugnis des guten Gewissens in sich trägt.
2. Doch war die Sicherheit der Heiligen stets mit großer Gottesfurcht gepaart. Sie
lebten, gerade weil sie durch große Tugend und Gnade glänzten, nur um so
wachsamer und demütiger. Die Sicherheit der Bösen aber entspringt dem Stolz und
der Anmaßung und schlägt schließlich in Selbsttäuschung um. Versprich dir niemals
Sicherheit in diesem Leben, mag man dich auch für einen guten Ordensmann oder
einen frommen Einsiedler halten. Die sich im Leben besonderer Hochschätzung der
Menschen erfreuten, sind oft in die größte Gefahr geraten, weil sie zuviel auf sich
selbst vertrauten. Daher ist es für viele besser, dass sie von Versuchungen nicht
gänzlich frei bleiben, sondern öfters angefochten werden, damit sie sich nicht allzu
sicher fühlen, den Kopf nicht zu hoch tragen und nicht zügellos zu äußeren
Tröstungen abschweifen.
3. Wer niemals vergängliche Freude suchte und mit der Welt nichts zu tun haben
möchte, ein wie gutes Gewissen würde der sich bewahren! Wer alle eitle Sorge
ablegte, nur noch an heilsame und göttliche Dinge dächte und seine ganze Hoffnung
auf Gott setzte, welch tiefen Frieden, welche Ruhe würde er kosten! Keiner ist der
Tröstungen des Himmels würdig, der sich nicht eifrig in heiliger Zerknirschung geübt
hat. Willst du bis auf den Grund des Herzens zerknirscht werden, geh in deine
Kammer und verschließe dich dem Lärm der Welt, wie geschrieben steht: "Auf
eurem Lager erwecket Reue" (Ps 4, 5). In der Zelle wirst du finden, was du draußen
so oft verlierst. Stetig bewohnt, wird sie dir lieb, schlecht gehütet, erzeugt sie Ekel.
Wenn du sie zu Beginn deines Ordenslebens treu bewohnst und hütest, wird sie
später deine vertraute Freundin und ein höchst willkommener Trost. Im Schweigen
und in der Ruhe schreitet die hingegebene Seele voran und dringt sie in die Tiefe der
Schriften ein. Dort findet sie die Tränenbäche, worin sie sich allnächtlich wäscht und
reinigt, um ihrem Schöpfer um so näher zu kommen, je weiter sie sich von allem
Treiben der Welt fern hält. Wer sich also von Bekannten und Freunden zurückzieht,
dem naht sich Gott mit seinen heiligen Engeln.
4. Besser ist es, verborgen zu bleiben und für sein Heil zu sorgen, als sich selbst zu
vernachlässigen und Wunder zu tun. Zum Lobe gereicht es dem Ordensmann, wenn
er selten ausgeht, sich nicht gern zeigt und keinen Menschen sehen will. Warum
willst du sehen, was du doch nicht haben darfst? "Die Welt vergeht samt ihrer Lust"
(1 Joh 2, 17). Die Gelüste der Sinne bestimmen dich, spazieren zu gehen, ist aber die
Stunde vorüber, was anderes bringst du heim als ein beschwertes Gewissen und ein
zerstreutes Herz! Ein fröhlicher Ausgang erzeugt oft einen traurigen Heimgang, ein
lustiger Abend gebiert einen traurigen Morgen. So ist es mit jeder sinnlichen Freude:
sie schmeichelt sich ein, und dann beißt und tötet sie.
5. Was kannst du anderswo sehen, was du hier nicht schon sähest? Schaue zum
Himmel, schau auf die Erde, betrachte alle Elemente! Aus diesen ist alles gemacht.
Kannst du anderswo etwas sehen, was von Dauer ist unter der Sonne? Vielleicht
glaubst du dein Genüge zu finden, aber du wirst es nicht erreichen können. Wenn du
auch alles gegenwärtig sähest, was wäre es anders als leerer Schein? Erhebe deine
Augen zu Gott in der Höhe und bete wegen deiner Sünden und Versäumnisse.
Überlaß das Eitle den Eitlen, du aber achte auf das, was Gott dir befohlen hat.
Schließe hinter dir deine Tür und lade Jesus, der dir so lieb ist, zu dir ein. Bleibe mit
ihm in der Zelle; denn anderswo wirst du einen so tiefen Frieden nicht finden. Wärst
du nicht ausgegangen und hättest nichts von den weltlichen Redereien gehört, du
wärst leichter im rechten Frieden geblieben. Seitdem es dich reizt, zuweilen
Neuigkeiten zu hören, musst du damit rechnen, dass du in deinem Herzen von Unruhegequält wirst.
Das reuevolle Herz
1. Der Reueschmerz entspricht der