Anleitung zum geistlichen Leben. Thomas von Kempen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Anleitung zum geistlichen Leben - Thomas von Kempen страница 9

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Anleitung zum geistlichen Leben - Thomas von Kempen

Скачать книгу

für das rechte Urteil. Wäre Gott stets das reine Ziel unseres Verlangens, wir

      würden durch den Widerstand unserer Denkart nicht so leicht aus der Fassung

      geraten. Aber oft bleibt uns von innen her etwas verborgen oder kommt von außen

      auf uns zu, was uns sofort mitreißt. Viele suchen im geheimen bei ihrem Tun und

      Lassen sich selbst und wissen es nicht. Dem Anschein nach leben sie, solange die

      Dinge nach ihrem Wunsch und Willen gehen, in tiefem Frieden. Kommt es aber

      anders, als sie wünschen, sind sie gleich erregt und traurig.

      2. Wegen der Verschiedenheit im Fühlen und Denken entstehen häufig Zwistigkeiten

      unter Freunden und Mitbürgern, unter Ordensleuten und Gottesfreunden. Eine alte

      Gewohnheit gibt man schwerlich auf, und niemand lässt sich gern über seine eigene

      Anschauung hinausführen. Wenn du dich mehr auf deine Vernunft und auf deinen

      Fleiß verlässt als auf die bezwingende Kraft Jesu Christi, wirst du nur selten und erst

      spät ein Mensch der Erleuchtung; denn Gott will, dass wir uns ihm vollkommen

      unterwerfen und uns mit flammender Liebe über alles natürliche Denken erheben.

      Handeln aus der Liebe

       1. Alles geschehe aus Liebe.

       2. Die Liebe sei ganz rein.

      1. Um kein Ding in der Welt und niemandem zuliebe darf man Böses tun. Wohl aber

      soll man, um einem Bedürftigen zu helfen, bisweilen ein gutes Werk aus freien

      Stücken unterlassen oder in ein besseres ändern. Denn dadurch wird das gute Werk

      nicht aufgehoben, sondern in ein höheres verwandelt. Ohne Liebe hat das äußere

      Werk keinen Wert. Alles aber, was aus Liebe geschieht, mag es auch klein und

      unansehnlich sein, bringt ganz reiche Frucht. Denn Gott sieht mehr auf die

      Gesinnung, die dein Tun beseelt, als auf deine Leistung. Vieles vollbringt, wer viel

      Liebe hat. Vieles vollbringt, wer eine Sache recht tut. Gut handelt, wer mehr der

      Gemeinschaft als seinem Eigenwillen dient.

      2. Oft scheint etwas wie Liebe auszusehen, und es ist mehr natürliches Begehren;

      denn die Neigung der Natur, der Eigenwille, die Hoffnung auf ein Entgelt und der

      Hang zur Bequemlichkeit verlangen immer ihr Recht. Wer wahre, vollkommene

      Liebe hat, sucht in keiner Sache sich selbst, hat vielmehr in allem nur Gottes Ehre im

      Auge. Er beneidet niemanden, verlangt für seine Person nach keiner Freude und sucht

      sie auch nicht in sich selbst. Nur in Gott, über alle Erdengüter hinaus, möchte er sich

      erfreuen. Er schreibt keinem etwas Gutes zu, sondern bezieht es ganz auf Gott, den

      Urquell alles Guten und das Ziel, in dem alle Heiligen ihre selige Ruhe finden. Wer

      nur einen Funken wahrer Liebe hätte, fürwahr, er würde spüren, daß alles Irdische

      voller Eitelkeit ist.

      Ertrage die Unzulänglichkeiten der anderen

       1. Ertrage, ohne zu streiten, und bitte um Kraft.

       2. Beurteile dich und die Welt nicht nach zweierlei Maß.

       3. Das Ertragen ist gottgewollte Ordnung.

      1. Was der Mensch an sich oder anderen nicht bessern kann, muß er geduldig tragen,

      bis Gott es anders fügt. Denke: Es ist so vielleicht besser für deine Bewährung in der

      Geduld, ohne die unsere guten Werke ja kein Gewicht haben. Du mußt jedoch bei

      solchen Schwierigkeiten zu Gott flehen, daß er dir gnädig zu Hilfe komme und dir die

      Kraft gebe, sie ruhig hinzunehmen. Sollte sich jemand nach ein oder zweimaliger

      Ermahnung nicht fügen, streite nicht mit ihm, sondern stelle alles Gott anheim, dass

      sein Wille geschehe und dass alle seine Diener ihm Ehre erweisen. Es ist ihm ja ein

      leichtes, das Böse zum Guten zu wenden.

      2. Lerne Geduld zu haben mit anderer Menschen Fehlern und Schwächen, welcher

      Art sie auch sein mögen. Auch du hast vieles an dir, was andere ertragen müssen.

      Wenn es dir nicht gelingt, ein Charakter zu werden, wie er dir vorschwebt, wie kannst

      du den anderen nach deinem Wunschbild formen? Andere haben wir gern

      vollkommen, die eigenen Fehler aber bessern wir nicht. Andere sollen streng

      zurechtgewiesen werden, wir selbst aber wollen uns nichts sagen lassen. Die

      weitgehenden Freiheiten, die anderen gegeben werden, erregen unser Mißfallen, die

      eigenen Wünsche aber wollen wir erfüllt sehen. Andere sollen durch Verordnungen

      eingeengt werden, und selbst dulden wir keine weitere Einschränkung. So ist es also

      offenbar: Wir messen den Nächsten nur selten mit dem Maße, mit dem wir uns

      messen.

      3. Wenn alle vollkommen wären, was hätten wir dann von den anderen um Gottes

      willen zu leiden? Nun aber hat Gott die Ordnung getroffen, dass wir lernen, "der eine

      die Last des andern zu tragen" (Gal 6,2). Denn keiner ist ohne Fehler, keiner ohne

      Last, keiner sich selbst genug, keiner hinreichend weise. Vielmehr müssen wir uns

      gegenseitig ertragen und trösten, ebenso uns stützen, belehren und ermahnen. Wie

      weit es aber jeder in der Tugend gebracht hat, zeigt sich am deutlichsten bei

      Gelegenheit einer Anfechtung. Denn solche Anlässe machen den Menschen nicht erst

      schwach, sondern sie zeigen nur, wie es um ihn steht.

Скачать книгу