Anleitung zum geistlichen Leben. Thomas von Kempen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Anleitung zum geistlichen Leben - Thomas von Kempen страница 13
4. Zur Reue führt der Gedanke an: Leid, Sünde, Tod, Hölle, Fegfeuer.
1. Willst du vorwärts schreiten, so erhalte dich in der Furcht Gottes. Sei nicht gar zu
frei, sondern halte alle deine Sinne im Zaume und überlass dich nicht einer
ungehörigen Freude. Erwecke von Herzen Reue, und du wirst Hingabe finden. Die
Reue ist der Schlüssel zu vielen Gütern, die Ausgegossenheit bedeutet gewöhnlich
deren schnellen Verlust. Es ist zum Staunen, dass sich der Mensch in diesem Leben
jemals freuen kann, wenn er an seine Verbannung denkt und an die vielen Gefahren,
die seiner Seele drohen. In unserer Leichtfertigkeit und Gewissenlosigkeit gegenüber
unseren Fehlern haben wir das Gefühl für den elenden Zustand unserer Seele
verloren. Wir lachen oft ohne Anlaß, wo wir zu Recht weinen sollten. Es gibt keine
wahre Freiheit und keine edle Freude außer in der Gottesfurcht und im guten
Gewissen.
2. Glücklich, wer alles, was ihn hindert und zerstreut, abwerfen, sich zum Einswerden
heiliger Zerknirschung sammeln kann. Glücklich, wer sich von allem loslöst, was
sein Gewissen beflecken oder belasten kann. Streite männlich! Gewohnheit wird
durch Gewohnheit überwunden. Wenn du es verstehst, die Menschen in Ruhe zu
lassen, so werden sie auch dich in deinem Tun nicht stören. Mische dich nicht in
fremde Dinge, und kümmere dich nicht um die Händel der Großen. Achte immer
zuerst auf dich und ermahne vor allem dich selbst, mehr als alle, die dir lieb sind.
3. Wenn du die Gunst der Menschen entbehrst, werde nicht traurig, das aber nimm dir
zu Herzen, wenn du nicht immer so gut und so vorsichtig wandelst, wie es sich für
einen Diener Gottes und einen frommen Ordensmann geziemt. Es ist dem Menschen
oft dienlicher und sicherer, dass er in diesem Leben nicht viele Tröstungen empfängt,
besonders dem Fleische nach. Doch dass wir den göttlichen Trost gar nicht oder nur
selten empfinden, ist unsere eigene Schuld. Wir bemühen uns nicht um die
Zerknirschung des Herzens und geben den Trost der äußeren Dinge, der doch so
vergänglich ist, nicht auf. Wisse: Du bist des göttlichen Trostes unwürdig, aber
Trübsal in Menge hast du umso mehr verdient.
4. Ist ein Mensch völlig zerknirscht, dann ist ihm die ganze Welt lästig und bitter. Der
gute Mensch findet Grund genug zu trauern und zu weinen. Ob er an sich selbst denkt oder an den Mitmenschen, er weiß, dass keiner hier ohne Trübsal lebt. Und je genauer er sich betrachtet, umso größer wird sein Leid. Unsere Sünden und Fehler bieten Anlass genug zu begründeter Trauer und zur inneren Zerknirschung. Wir sind derartig in sie verstrickt, dass wir uns nur selten imstande fühlen, die himmlischen Dinge zu betrachten. Dächtest du öfter an dein Sterben als an ein langes Leben, du würdest weit eifriger an deiner Besserung arbeiten. Wenn du überdies die zukünftigen Qualen der Hölle und des Fegfeuers mit Herz und Gemüt erwägen wolltest, ich glaube, du nähmst gern Mühen und Leiden auf dich und schrecktest vor keiner Strenge zurück.
Weil uns aber diese Gedanken nicht zu Herzen gehen und unsere Liebe jenen Dingen
gilt, die uns schmeicheln und locken, bleiben wir kalt und maßlos träge. Oft ist es
Mangel an Geist, daß sich der elende Leib so leicht beklagt. Bete darum demütig zum
Herrn, er möge dir den Geist der Zerknirschung verleihen, und sprich mit dem
Propheten: "Speise mich, Herr, mit dem Brote der Tränen und tränke mich mit dem
Tranke der Tränen in reichem Maße" (Ps 80, 6).
Der Blick in das menschliche Elend
1. Das Menschenleben ist Elend in vielfacher Gestalt.
2. Viele hängen trotz allem an der Welt, andere erheben sich über sie.
3. Werde nicht müde am Leben; ringe dich tapfer und geduldig durch.
4. Dein Elend vor Augen, demütige dich und beginne von neuem.
1. Elend bist du, wo immer du weilst und wohin du dich auch wendest, wenn deine
Richtung nicht auf Gott zielt. Was wirst du so unruhig, wenn es dir nicht nach
Wunsch und Willen geht? Wer ist der Mensch, der alles hat, was er sich wünscht? Ich
nicht und du nicht und kein Mensch auf Erden. Keinem in der Welt bleiben irgendwie Plage und Trübsal erspart, mag er König sein oder Papst. Und wer hat es besser?
Ohne Zweifel der, der für Gott zu leiden vermag. Da äußern die Kranken und
Schwachen: Sieh da, was hat der aber für ein gutes Leben! Wie reich ist der, wie
groß, wie mächtig und hochstehend! Du aber blicke auf die himmlischen Güter, und
du wirst sehen, dass all das Irdische nichtig und gänzlich unsicher ist, ja mehr eine
Last bedeutet, da man es nie ohne Sorge und Furcht besitzen kann. Das macht die
Seligkeit des Menschen nicht aus, Zeitliches bis zum Überfluss zu besitzen. Ein
Mittelmaß genügt. Es ist wahrhaftig ein Elend, auf Erden zu leben. Je geistiger ein
Mensch leben möchte, desto bitterer wird ihm das gegenwärtige Dasein; denn er
durchlebt tiefer und durchschaut klarer die Gebrechen der menschlichen
Verderbtheit. Denn dem Essen, Trinken, Wachen, Schlafen, Ruhen, Arbeiten und
dem übrigen Bedürfen der menschlichen Natur unterworfen sein, ist wirklich ein
großes Elend und Leid für den frommen Menschen. Er möchte ja so gern davon
befreit und aller Sünde ledig sein. Denn der innerliche Mensch fühlt sich durch das
Bedürfen des Leibes doch sehr bedrängt in dieser Welt. Darum bittet der Prophet
inständig,