Anleitung zum geistlichen Leben. Thomas von Kempen

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Anleitung zum geistlichen Leben - Thomas von Kempen

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2. Die Reue setzt die Loslösung voraus. 3. Ohne Reue keine göttliche Tröstung.

       4. Zur Reue führt der Gedanke an: Leid, Sünde, Tod, Hölle, Fegfeuer.

      1. Willst du vorwärts schreiten, so erhalte dich in der Furcht Gottes. Sei nicht gar zu

      frei, sondern halte alle deine Sinne im Zaume und überlass dich nicht einer

      ungehörigen Freude. Erwecke von Herzen Reue, und du wirst Hingabe finden. Die

      Reue ist der Schlüssel zu vielen Gütern, die Ausgegossenheit bedeutet gewöhnlich

      deren schnellen Verlust. Es ist zum Staunen, dass sich der Mensch in diesem Leben

      jemals freuen kann, wenn er an seine Verbannung denkt und an die vielen Gefahren,

      die seiner Seele drohen. In unserer Leichtfertigkeit und Gewissenlosigkeit gegenüber

      unseren Fehlern haben wir das Gefühl für den elenden Zustand unserer Seele

      verloren. Wir lachen oft ohne Anlaß, wo wir zu Recht weinen sollten. Es gibt keine

      wahre Freiheit und keine edle Freude außer in der Gottesfurcht und im guten

      Gewissen.

      2. Glücklich, wer alles, was ihn hindert und zerstreut, abwerfen, sich zum Einswerden

      heiliger Zerknirschung sammeln kann. Glücklich, wer sich von allem loslöst, was

      sein Gewissen beflecken oder belasten kann. Streite männlich! Gewohnheit wird

      durch Gewohnheit überwunden. Wenn du es verstehst, die Menschen in Ruhe zu

      lassen, so werden sie auch dich in deinem Tun nicht stören. Mische dich nicht in

      fremde Dinge, und kümmere dich nicht um die Händel der Großen. Achte immer

      zuerst auf dich und ermahne vor allem dich selbst, mehr als alle, die dir lieb sind.

      3. Wenn du die Gunst der Menschen entbehrst, werde nicht traurig, das aber nimm dir

      zu Herzen, wenn du nicht immer so gut und so vorsichtig wandelst, wie es sich für

      einen Diener Gottes und einen frommen Ordensmann geziemt. Es ist dem Menschen

      oft dienlicher und sicherer, dass er in diesem Leben nicht viele Tröstungen empfängt,

      besonders dem Fleische nach. Doch dass wir den göttlichen Trost gar nicht oder nur

      selten empfinden, ist unsere eigene Schuld. Wir bemühen uns nicht um die

      Zerknirschung des Herzens und geben den Trost der äußeren Dinge, der doch so

      vergänglich ist, nicht auf. Wisse: Du bist des göttlichen Trostes unwürdig, aber

      Trübsal in Menge hast du umso mehr verdient.

      4. Ist ein Mensch völlig zerknirscht, dann ist ihm die ganze Welt lästig und bitter. Der

      gute Mensch findet Grund genug zu trauern und zu weinen. Ob er an sich selbst denkt oder an den Mitmenschen, er weiß, dass keiner hier ohne Trübsal lebt. Und je genauer er sich betrachtet, umso größer wird sein Leid. Unsere Sünden und Fehler bieten Anlass genug zu begründeter Trauer und zur inneren Zerknirschung. Wir sind derartig in sie verstrickt, dass wir uns nur selten imstande fühlen, die himmlischen Dinge zu betrachten. Dächtest du öfter an dein Sterben als an ein langes Leben, du würdest weit eifriger an deiner Besserung arbeiten. Wenn du überdies die zukünftigen Qualen der Hölle und des Fegfeuers mit Herz und Gemüt erwägen wolltest, ich glaube, du nähmst gern Mühen und Leiden auf dich und schrecktest vor keiner Strenge zurück.

      Weil uns aber diese Gedanken nicht zu Herzen gehen und unsere Liebe jenen Dingen

      gilt, die uns schmeicheln und locken, bleiben wir kalt und maßlos träge. Oft ist es

      Mangel an Geist, daß sich der elende Leib so leicht beklagt. Bete darum demütig zum

      Herrn, er möge dir den Geist der Zerknirschung verleihen, und sprich mit dem

      Propheten: "Speise mich, Herr, mit dem Brote der Tränen und tränke mich mit dem

      Tranke der Tränen in reichem Maße" (Ps 80, 6).

      Der Blick in das menschliche Elend

       1. Das Menschenleben ist Elend in vielfacher Gestalt.

       2. Viele hängen trotz allem an der Welt, andere erheben sich über sie.

       3. Werde nicht müde am Leben; ringe dich tapfer und geduldig durch.

       4. Dein Elend vor Augen, demütige dich und beginne von neuem.

      1. Elend bist du, wo immer du weilst und wohin du dich auch wendest, wenn deine

      Richtung nicht auf Gott zielt. Was wirst du so unruhig, wenn es dir nicht nach

      Wunsch und Willen geht? Wer ist der Mensch, der alles hat, was er sich wünscht? Ich

      nicht und du nicht und kein Mensch auf Erden. Keinem in der Welt bleiben irgendwie Plage und Trübsal erspart, mag er König sein oder Papst. Und wer hat es besser?

      Ohne Zweifel der, der für Gott zu leiden vermag. Da äußern die Kranken und

      Schwachen: Sieh da, was hat der aber für ein gutes Leben! Wie reich ist der, wie

      groß, wie mächtig und hochstehend! Du aber blicke auf die himmlischen Güter, und

      du wirst sehen, dass all das Irdische nichtig und gänzlich unsicher ist, ja mehr eine

      Last bedeutet, da man es nie ohne Sorge und Furcht besitzen kann. Das macht die

      Seligkeit des Menschen nicht aus, Zeitliches bis zum Überfluss zu besitzen. Ein

      Mittelmaß genügt. Es ist wahrhaftig ein Elend, auf Erden zu leben. Je geistiger ein

      Mensch leben möchte, desto bitterer wird ihm das gegenwärtige Dasein; denn er

      durchlebt tiefer und durchschaut klarer die Gebrechen der menschlichen

      Verderbtheit. Denn dem Essen, Trinken, Wachen, Schlafen, Ruhen, Arbeiten und

      dem übrigen Bedürfen der menschlichen Natur unterworfen sein, ist wirklich ein

      großes Elend und Leid für den frommen Menschen. Er möchte ja so gern davon

      befreit und aller Sünde ledig sein. Denn der innerliche Mensch fühlt sich durch das

      Bedürfen des Leibes doch sehr bedrängt in dieser Welt. Darum bittet der Prophet

      inständig,

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