Tod und Schatten. Ole R. Börgdahl
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Читать онлайн книгу Tod und Schatten - Ole R. Börgdahl страница 9
Marek klopfte schließlich gegen die Glasscheibe der Tür. Dr. Kerstin Sander blickte auf, schien ihn aber nicht zu erkennen. Sie streifte den rechten Handschuh ab, zog den Mundschutz herunter, ging zur Tür und öffnete.
»Ich soll Sie nicht erschrecken, meinte der Wachmann, der mich ins Gebäude gelassen hat.«
Kerstin Sander schüttelte den Kopf. »Wenn Sie anklopfen, dann erschrecke ich mich auch nicht.« Sie lächelte. »Ich hatte mal einen Chef, so einen Grafzahl-Typ, der hat sich während meiner Obduktionen immer von hinten angeschlichen. Da habe ich mich nie dran gewöhnt.«
»Grafzahl-Typ?«, fragte Marek.
Kerstin Sander nickte. »Spitze Nase und immer in Schwarz gekleidet. Zahlen hat er allerdings nicht verkauft.« Sie lachte. »Haben Sie Zahlen dabei?«
»Nein, leider nicht. Ich hatte gehofft, dass Sie noch etwas für mich haben.« Marek deutete zum Obduktionstisch. »Ist er das?«
»Ja, das ist er. Ich habe schon mit der äußeren Leichenbeschau begonnen. Das kann man auch alleine machen.« Sie zeigte ihm das kleine Aufnahmegerät, dass sie in der linken Hand hielt. »Wollen Sie mal hören?«
»Warum nicht«, sagt Marek.
Kerstin Sander schüttelte aber den Kopf. »Das war ein Spaß. Das Band wird abgetippt, dann können Sie alles in Ruhe nachlesen. Ich werde Ihnen aber die wichtigsten Fakten direkt an der Leiche erklären.«
Sie drehte sich um und ging zurück zum Seziertisch. Marek musste ihr folgen.
»Sehen Sie ihn sich an. In voller Blüte. Er hat viel für seinen Körper getan. Leider konnte das nichts gegen eine Schusswaffe ausrichten. Bei der Untersuchung der Körperöffnungen gab es keine Befunde.«
»Was wären das für Befunde?«, fragte Marek und sah dabei Kerstin Sander direkt an, nicht allein, um den Blick auf die Leiche zu vermeiden.
Sie wandte sich jedoch ab und zeigte an dem Toten, was sie meinte. »Man untersucht nach Frakturen, zum Beispiel am Kopf oder an den Gliedmaßen. Ist der Schädel noch intakt? Gibt es äußere Verletzungen und so weiter? Dann schaut man sich die Körperöffnungen an, ob dort jemand etwas eingespritzt hat oder ob es Vergiftungserscheinungen an den Schleimhäuten gibt.« Sie deutete auf Nase, Mund und Augen. »Gerade bei den Augen muss man genau hinschauen«, erklärte sie und zog das untere Lid des Toten herunter.
Marek blickte nur einmal kurz hin.
Kerstin Sander lächelte. »Das ist wohl nichts für Sie, aber Sie wissen schon, dass im Falle einer ungeklärten Todesursache die Kriminalpolizei bei der inneren Leichenschau anwesend sein muss. Haben Sie daran schon einmal teilgenommen?«
»Ehrlich gesagt nicht, also nicht direkt«, antwortete Marek zögerlich. »Ich war einmal dabei, aber da waren eine Glasscheibe und ein halbes Dutzend Rücken zwischen mir und der Leiche.«
»Ein paar Tage hier unten und Sie gewöhnen sich daran. Aber jetzt will ich Sie nicht weiter quälen. Wir haben bei unserem Toten zwei Schussverletzungen. Ich kann jetzt schon sagen, dass es sich bei der einen Verletzung um einen Herzschuss handelt, womit wir die Todesursache haben, also nicht sehr spannend. Die erste Schussverletzung hat dagegen nicht viel angerichtet. Es sieht zwar wie ein Lungentreffer aus, ich habe allerdings keine Anzeichen gefunden, dass die Lunge verletzt wurde. Außerdem war es wahrscheinlich ein Durchschuss, da ich kein Projektil orten konnte. Näheres kann ich da aber erst nach der inneren Leichenschau sagen.«
»Wann machen Sie die?«, fragte Marek. »Heute noch?«
Kerstin Sander schüttelte den Kopf. »Wenn ich einen Sektionsassistenten bekomme, dann vielleicht morgenfrüh, spätestens aber am Montag. Da die Todesursache ja schon bekannt ist, brauchen Sie nicht dabei zu sein.« Sie stutzte. »Ach ja, eine Sache habe ich dann doch noch, die Sie schon einmal wissen sollten.« Sie griff über die Leiche nach einer metallenen Nierenschale, die auf der anderen Seite des Obduktionstisches stand. »Das hier habe ich aus den Schusswunden gefischt.«
In der Nierenschale lagen blutig gefärbte Stoffstücke. Kerstin Sander nahm die Pinzette und hob eines der Stoffstücke an, das sich zu einem langen dünnen Faden über der Schale abwickelte.
»Was soll das sein?«, fragte Marek.
»So hat man im Mittelalter Wunden versorgt.«
»Bitte?«
»Das war ein Scherz«, sie lachte. »Also man hat das damals schon so gemacht, die Wunden ausgestopft, aber in unserem Fall wollte jemand verhindern, dass die Wunden nachbluten. Im Durchschuss waren diese Stoffbänder sogar von beiden Seiten des Schusskanals eingeführt.«
»Sie meinen, dass jemand versucht hat, ihn noch ärztlich zu versorgen?« Marek deutete auf die Leiche.
»Einen Toten ärztlich versorgen?« Kerstin Sander schüttelte den Kopf. »Und dann noch auf diese Weise. Nein, da wollte jemand die Leiche beseitigen und verhindern, dass es währenddessen allzu viele Blutspuren gibt.«
Marek holte sein Notizbuch hervor.
»Das brauchen Sie nicht aufzuschreiben«, sagte sie. »Das nehme ich alles im Sektionsprotokoll auf. Die Stoffbänder bekommt Roose obendrauf und auch das Projektil aus der Herzwunde, sobald ich die innere Leichenschau abgeschlossen habe.«
»Ein bisschen was aufschreiben hilft mir aber beim Denken, auch wenn es später in den Berichten auftaucht.« Marek besah sich noch einmal die blutigen Stoffbänder. »Sind die aus Baumwolle, Mullbinden vielleicht?«
»Das kann schon sein. Vielleicht stammen sie aus dem erste Hilfekasten im Reisebüro.«
Marek blickte auf. »Haben Sie dort einen Erste-Hilfe-Kasten gesehen?«
»Nein, ich habe nur vermutet, dass dort einer sein könnte. Oder der Stoff stammt aus einer Verbandstasche, die später im Auto des Täters gefunden wird. Auf jeden Fall sind das Spuren, die der Tatorterkennungsdienst verwerten kann.«
Kerstin Sander hatte inzwischen eine Rollbahre an den Obduktionstisch geschoben. Sie gab Marek ein Paar der blauen Latexhandschuhe. »Zu zweit geht das einfacher, oder macht es Ihnen etwas aus?«
Marek schüttelte den Kopf und zog die Handschuhe über.
»Sie können die Füße nehmen«, erklärte Kerstin Sander. Sie selbst griff dem Toten unter die Achseln. »Fertig?«
Marek nickte konzentriert. Sie hoben den Körper an und luden ihn auf die Bahre.
»Die Handschuhe können Sie in den Eimer werfen und dort drüben ist ein Waschbecken.«
»Was machen Sie jetzt noch hier?«, fragte Marek, nachdem er die Handschuhe entsorgt hatte und dabei war, sich die Hände sehr gründlich zu waschen.
»Ich