Fälschung. Ole R. Börgdahl

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fälschung - Ole R. Börgdahl страница 24

Автор:
Серия:
Издательство:
Fälschung - Ole R. Börgdahl

Скачать книгу

Kataloge aus dem Folkwang Museum Essen, mindestens ebenso viele aus dem Musee d’Orsay. Später brachte ihm der Instruktor noch Kataloge aus dem Detroit Institute of Arts, vom Fine Arts Museums of San Francisco, aus der Neuen Pinakothek, aus der Staatsgalerie Stuttgart und von weiteren Museen und Galerien. Es war erstaunlich, welche Häuser alles Ölgemälde, Zeichnungen und sogar Skulpturen von Gauguin besaßen. Oft waren es nur wenige Werke, die für Ausstellungen mit Leihgaben ergänzt wurden. Die Eremitage in Sankt Petersburg besaß eine umfangreiche Sammlung gerade jener Bilder Gauguins, die auf Tahiti und den Marquesas entstanden waren. Dann fanden sich noch Südseebilder in New York, im Guggenheim Museum und im Metropolitan Museum of Art und auch hier in London, in der National Gallery. Mit der Zeit, von Ausstellung zu Ausstellung und über die Jahre und Jahrzehnte wiederholten sich die gezeigten Werke. Es dauerte nicht lange und Heinz Kühler hatte einen recht guten Überblick. Es gab Ausstellungen nur über den Maler Paul Gauguin, sein Schaffen vor 1892 und danach, aus der Zeit, in der er auf Tahiti und den Marquesas lebte. Dann gab es Themen, die sich nur mit der Kunstrichtung beschäftigten, die Gauguin vertreten und auch geprägt hatte. Bei Ausstellungen zum Synthetismus waren neben Paul Gauguin auch Maler wie Émile Bernard, Louis Anquetin und Paul Sérusier vertreten, die durch die sogenannte Schule von Aven bekannt geworden waren. Eine Ausstellung zum Symbolismus kam ganz ohne Gauguins Bilder aus, lediglich einige seiner schriftlichen Ausführungen und Briefe zu diesem Thema begleiteten die Werke von Nesterow, Bonnard, Klinger, Moreau und Munch. Bei mehreren Ausstellungen zum Expressionismus wurde Gauguin gar als der große Wegbereiter gefeiert. Die Liste der Künstler, die er inspiriert hatte und die mit ihren Bildern gezeigt wurden, war beinahe endlos. Alle Ausstellungskataloge waren in einem hervorragenden Zustand. Die Abbildungen der Ölgemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Lithografien waren von hoher Qualität. Heinz Kühler konnte sich an den Fotografien nicht sattsehen. Er musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, was er hier eigentlich suchte, um nicht abzuschweifen. Den ganzen Vormittag, fast bis nach 13:00 Uhr verbrachte er an seinem Arbeitsplatz, ohne eine Pause. Schließlich zwang er sich, doch zu einem Milchkaffee, den er sich aus dem Automaten im Eingangsbereich des Archivs holte. Das Personal am Eingangstresen hatte gewechselt. Anstelle des militärisch gekleideten Herrn war jetzt eine junge Dame erschienen, die ihm freundlich zulächelte. Er zog sich auch noch ein Sandwich aus dem anderen Automaten und aß es im Stehen, während er den Tresen beobachtete. Zur Mittagszeit verließen viele Besucher das Archiv. Ein Mann, der in der anderen Ecke des Lesesaals gesessen hatte, bediente sich ebenfalls am Kaffeeautomaten. Sie sprachen aber nicht miteinander. Der Mann sog sein Getränk schnell in sich ein und ging wieder zurück an die Arbeit. Nach fünfzehn Minuten suchte auch Heinz Kühler wieder seinen Schreibtisch im Lesesaal des Archivs auf und setzte seine Recherche fort.

      Die zahlreichen Abbildungen in den Katalogen hatten ihm inzwischen ein Gespür für den Malstil Gauguins vermittelt. Er hatte sich in seiner bisherigen Laufbahn eigentlich noch nie richtig mit diesem Künstler beschäftigt. Er war sich auch sicher, noch nie zuvor auf einer Auktion gewesen zu sein, auf der ein Gauguin versteigert wurde. Die Impressionisten, Expressionisten oder andere zeitgenössische Maler gehörten dazu ohnehin selten zum Geschäft des Hauses Blammer. Die einzige kleine Sensation, die Blammer jemals zu verzeichnen hatte, war die Versteigerung eines Liebermann. Es war allerdings keines der millionenschweren Werke, sondern ein eher unbekanntes Aquarell, aber immerhin ein Liebermann, der mehrere Hunderttausend eingebracht hatte. Das Kunst- und Auktionshaus Blammer war allerdings nur der Veranstalter und hatte damals eher bescheiden daran verdient.

      Heinz Kühler suchte nochmals nach dem Instruktor, der aber mittlerweile müde geworden war. Er gab ihm jetzt nur noch Tipps, wie er sich selbst auf die Suche machen konnte, um auch die vielbeachteten Privatsammlungen einsehen zu können. Es war seine letzte Chance, zumindest was die Tate-Sammlungen betraf. Es war aber auch eher wahrscheinlich, dass der Gauguin irgendwann einmal in einer der Privatsammlungen schlummerte und Edmund Linz ihn darum überhaupt erst kaufen konnte. Von einem Museum erhielt man höchst selten ein Kunstwerk, es sei denn, man war ein anderes Museum oder aber es handelte sich um Diebesgut, was Heinz Kühler im Falle des Gauguins zu fast hundert Prozent ausgeschlossen hatte. Unter dem Stichwort Privatsammlung gab es zwei verschiedene Arten der Veröffentlichung. Entweder entlieh ein Sammler einzelne, thematisch zu der Ausstellung eines Museums passende Werke, oder es wurde von einer Privatperson eine eigene Ausstellung organisiert, in der alle Schätze des Sammlers gezeigt wurden, ohne Rücksicht auf Stile und Themen, die die einzelnen Objekte verkörperten. Um 15:00 Uhr hatte Heinz Kühler für den ersten Tag genug. Er durfte die Bände, die er noch nicht durchgesehen hatte, an seinem Platz liegen lassen. Es war fast wie in einer richtigen Bibliothek. Der Instruktor fertigte sogar ein Kärtchen mit dem Namen des Benutzers an und stellte es neben die Bücher.

      Am nächsten Morgen war er bei Weitem nicht der Erste im Tate-Archiv. Er kam diesmal erst gegen zehn. Neben seinem Arbeitsplatz hatte sich ein sehr britisch aussehender älterer Herr eingerichtet. Sie begrüßten sich mit einem Nicken, ohne etwas zu sagen. Heinz Kühler musste sich erst einmal wieder orientieren. Seinen Notizblock hatte er gestern auch liegen gelassen. Es waren gerade einmal anderthalb Seiten, auf denen er sich Notizen zu bestimmten Ausstellungen gemacht hatte. In einem zweiten Block hatte er auf immerhin gut zehn Seiten alle Kataloge verzeichnet, die er durchgesehen hatte. Es war der aufwendigste Teil seiner Recherche. Neben den Titeln der Ausstellungen hatte er auch das Jahr und die Anzahl der gezeigten Objekte notiert. Später würde er die Liste im Sekretariat seines Chefs von Frau Hoischen oder von einer der anderen Damen abschreiben lassen. Die Liste diente dann als Beleg für seine Arbeit. Für den Fall, dass ihn später irgendjemand noch einmal auf eine Ausstellung aufmerksam machen würde, könnte er mit der Liste immer nachsehen, ob er die Unterlagen nicht doch schon bearbeitet hatte. Die jetzt noch handschriftliche Liste würde in den nächsten Stunden noch länger werden.

      Die meisten privaten Sammler besaßen aus dem Werk von Paul Gauguin nur einzelne Zeichnungen oder Aquarelle, die sie zum Teil gemeinsam mit den Besitztümern anderer Sammler präsentierten. Heinz Kühler hatte schon bei den Museumskatalogen immer mit der Gegenwart begonnen und war dann in der Zeit weiter zurückgegangen. Dies hielt er auch bei der Durchsicht der Privatsammlungen so. Anfangs bestanden die Kataloge und Verzeichnisse noch aus prächtigen Fotografien der gezeigten Bilder. In der Zeit vor 1950 dominierten dann Schwarzweißaufnahmen. In einem der Kataloge waren überhaupt keine Bilder enthalten. Die Objekte wurden lediglich bis ins Detail beschrieben. Die Fotos machten es natürlich leichter. Heinz Kühler musste jetzt die einzelnen Abschnitte genau durchlesen. Die Kreidezeichnungen und Aquarelle hatte er zunächst überschlagen. Er suchte nach einem Ölgemälde. Es fand sich unter den gut dreißig Werken nur ein einziges, ein Stillleben. Er blätterte zurück zum Anfang und ging jetzt alle anderen Texte durch. Er überflog die Seiten meistens nur und suchte dabei nach Begriffen, die etwas mit Edmund Linz Gauguin zu tun haben konnten. Die Aquarelle waren in der Mehrzahl. Der Titel eines Bildes lautete »Die Hirtin«, wenigstens ein weibliches Modell, während die vorherigen Seiten oft nur Landschaften oder Brücken beschrieben. Er las jetzt etwas langsamer. Er übersprang zwei Zeilen, weil sein Auge unbewusst etwas wahrgenommen hatte. Er fand die Stelle, »...bretonischer Mädchenkopf«. Ihm vielen sofort die Worte von Claudius Brahm wieder ein. Claudius Brahm sprach von einer bretonischen Bauerntochter, die Gauguin als Basis für das Motiv des kleinen Mädchens verwendet haben könnte. Er konnte das Kind im übertragenen Sinne von der rauen Atlantikküste mit in die liebliche Südsee genommen und sie in eine neue Umgebung hineinversetzt haben. Es konnte sich dabei um ein stilistisches Mittel handeln, das in der Kunst durchaus üblich war und auch noch heute ist.

      »Bretonischer Mädchenkopf«, sagte Heinz Kühler laut vor sich hin.

      Der Mann am Nebentisch sah kurz zu ihm herüber. Dann war für einige Sekunden wieder Stille, bis Heinz Kühler ruckartig aufstand. Der Stuhl polterte und er entschuldigte sich für den Lärm. Wo war der Instruktor. Sein Platz war leer. Während Heinz Kühler auf das Pult zuging, sah er sich in den Gängen um. Er hatte Glück, gleich hinter einer Säule zog der Instruktor einen Band aus dem Regal und übergab es an einen seiner Kunden. Heinz Kühler winkte ihm zu und der Instruktor kam ihm langsamen, mit bedächtigen Schritten entgegen.

      »Ich suche etwas«, flüsterte er halblaut, als ihn der Instruktor fast erreicht hatte.

Скачать книгу