Fälschung. Ole R. Börgdahl

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Fälschung - Ole R. Börgdahl

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Victor Jasoline, die ebenfalls das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut zeigten. Die Antwort des Fotolabors war von einer Angestellten signiert worden. Florence griff zum Telefon und wählte die angegebene Nummer des Anschlusses auf Tahiti. Das Telefon wurde sofort abgenommen. Es meldete sich eine Männerstimme.

      »Bonjour, Concorde Fotoservice Tahiti, was kann ich für Sie tun?«

      »Bonjour, mein Name ist Uzar, ich rufe aus Nuku Hiva an.«

      »Ah ja, Madame Uzar, ich weiß Bescheid«, sagte der Mann, ohne dass Florence weitersprechen konnte. »Ich hole schnell meine Kollegin.«

      Es gab ein Klacken, der Mann hatte den Telefonhörer abgelegt. Dann entfernte er sich und Florence hörte Stimmen im Hintergrund. Nach gut einer Minute wurde der Telefonhörer wieder aufgenommen. Eine Frau war am Apparat und stellte sich vor.

      »Ja, es tut mir leid, dass ich erst heute dazu gekommen bin, Ihnen zu antworten«, sagte sie, »aber ich hoffe, ich konnte Ihnen erst einmal weiterhelfen.«

      »Das konnten Sie sehr gut, danke. Ich habe aber doch noch eine Frage. Ich hatte Ihnen die Registrierungsnummern von zwei Fotografien geschickt. Können Sie herausfinden, wer die Personen auf den Bildern sind, ich meine ihre Namen?«

      »Oh, Madame, ich habe mir die Fotografien nicht angesehen. Ich habe nur anhand der Nummern und Ihrer Beschreibung die Unterlagen des damaligen Auftrags zusammengesucht. Ich weiß aber auch, dass es keine weiteren Informationen zu den Fotografien gibt, als die, die ich Ihnen schon geschickt habe, es tut mir leid. Wir sind froh, dass es wenigsten die Bildtitel und Jahreszahlen gibt, die Sie in der Liste gefunden haben. Es ist bei so alten Fotografien schon eine Menge, dass wir etwas über die Orte und den Zeitpunkt der Aufnahmen wissen und dass wir natürlich auch den Fotografen kennen, Sie verstehen.«

      »Das ist schade«, sagte Florence nachdenklich. »Dennoch haben Sie mir natürlich weitergeholfen. Gibt es wenigstens außer dem Namen noch mehr Informationen über die Fotografen?«

      Die Angestellte überlegte. »Wir haben eine Art Kurzbiografie über unsere Fotografen. Ich kann Sie Ihnen schicken.«

      »Ja, so etwas meine ich«, sagte Florence, »danke. Mich würde jetzt zunächst einmal nur dieser Victor Jasoline interessieren und ob es noch weitere Fotografien von ihm gibt, die nicht an die Ausstellung nach Nuka Hiva geliefert wurden.«

      »Wir haben natürlich jede Menge weiterer Bilder und sicherlich auch von Victor Jasoline«, antwortete die Angestellte, »aber diese Fotografien können Sie sich nur hier bei uns im Laden ansehen oder Sie kaufen Abzüge davon. Die Preise betragen allerdings zweihundertfünfzig Francs pro Stück, tut mir leid.«

      Florence zögerte. Sie würde in den nächsten Wochen bestimmt einmal wieder auf Tahiti sein. »Ich verstehe, dann schicken Sie mir bitte zunächst einmal nur die Information über Monsieur Jasoline. Wegen der Bilder komme ich besser persönlich bei Ihnen im Geschäft vorbei. Das erscheint mir auch sinnvoller, wo ich ja gar nicht weiß, was die Aufnahmen zeigen.«

      »Kein Problem, Madame, ich würde mich auf Ihren Besuch freuen. Ich kann Ihnen gleich sofort eine Mail schicken. Ich muss die Biografie nur eben heraussuchen.«

      Florence bedankte sich. Sie beendeten das Gespräch. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Mail eintraf. Florence hatte sich zwar in der Zwischenzeit mit der Buchhaltung beschäftigt, legte die Sachen aber beiseite und öffnete die Nachricht sofort.

      Victor Jasoline war kein professioneller Fotograf, er war Offizier, ein Angehöriger des französischen Militärs im Südpazifik. Seine Stationen waren in Europa noch Paris und Nantes gewesen, dann aber entschloss er sich wohl in die Ferne zu ziehen oder er wurde dienstlich dazu verpflichtet. Sein Ziel für mehr als zehn Jahre war Französisch-Polynesien. Von 1895 bis 1898, von 1900 bis 1901 und schließlich von 1902 bis 1906 war es Tahiti. Dann gab es aber auch Zeiträume, in denen er auf den Marquesas stationiert war. In dem kleinen Bericht wurde es als Aufenthalt in den Militärstützpunkten von Hiva Oa und Nuku Hiva beschrieben. Victor Jasoline hielt sich 1897 in Taoihae und von 1898 bis 1902 mehrmals in Atuona auf. Im Juni 1906 wurde Victor Jasoline aus dem Militärdienst entlassen oder er wurde wieder nach Frankreich geschickt. Was Victor Jasoline nach 1906 gemacht hatte, wurde nicht mehr beschrieben.

      Florence war zufrieden. Ihre kleine Recherche hatte etwas hervorgebracht. Sie wusste natürlich nicht, ob all diese Fakten nicht schon längst bekannt waren. Sicherlich wussten die Eigentümer des Ölgemäldes oder gar die Kunstwelt um seine Herkunft. Florence entschloss sich aber trotzdem, Colette zurückzuschreiben und ihr die alten Fotografien zusammen mit dem Lebenslauf von Victor Jasoline zu schicken.

      *

      Bevor Heinz Kühler am nächsten Tag zum Victoria and Albert Museum ging, besuchte er noch einmal die zu Tates gehörende National Gallery. Er hatte am Vortag eine Katalogbeschreibung über das Bild »Faa Iheihe« gelesen. Es stammte von 1898 und gehörte zu Gauguins Südseebildern. In der Ausstellung brauchte er nicht lange zu suchen, er fand das Bild sofort. Es hing in einem Raum, der sich mit insgesamt vier Bildern thematisch mit dem Maler Paul Gauguin beschäftigte, wobei nur das Bild »Faa Iheihe« aus der Südsee stammte. Es hatte ein etwas ungewöhnliches Format. Es war knapp fünfzig Zentimeter hoch und fast zwei Meter breit. Es war ein richtiges Ölgemälde, kein auf Leinwand gemaltes Aquarell. Er stand fast eine halbe Stunde davor, nur vor diesem einen Bild. Es waren mehrere Frauen abgebildet, ein Hund, der als Motiv immer wieder in Gauguins Werken auftauchte, und ein Reiter. Auch wenn alles zusammenzugehören schien, fehlte die richtige Einheit. Es schien, als wenn die Personen eher symbolhaft zusammenstanden. Heinz Kühler überlegte, ob er das Gemälde deshalb so verstand, weil er in den vergangenen Tagen zu viele Interpretationen über stilistische Eigenschaften von Kunstwerken gelesen hatte, oder ob er selbst auch so empfand. Er wusste es nicht genau. Er glaubte aber, dieses Symbolhafte auch in dem Bildnis der kleinen Julie wieder zu finden. Dann fiel ihm noch ein, dass Gauguin selbst nicht gewollt hatte, dass man seine Werke zu interpretieren versuchte, so hatte es Heinz Kühler zumindest irgendwo gelesen.

      Die Gauguins waren das Einzige, was er sich in der National Gallery ansah. Er hatte wenig Zeit. Er wollte seine Recherche noch heute im Victoria and Albert Museum fortsetzen und auch beenden. Sein Ziel waren die Historic Catalogues of the National Art Library, einer Art Datenbank, in der er gezielt nach bestimmten Stichworten suchen konnte, um die Arbeit in der Tate Gallery noch einmal abzusichern. Unter Umständen gab es Lücken, Einträge, die er in den Ausstellungskatalogen übersehen hatte. Er rechnete mit knapp fünf Stunden.

      Eine Stunde brauchte es allein, um wieder eine Zugangsberechtigung zu erhalten. Er wurde diesmal wenigstens nicht auf den nächsten Tag vertröstet. Während er wartete, suchte er aus seinen handschriftlichen Listen nach geeigneten Stichworten. Er schrieb an die fünfzig Begriffe heraus. Er hatte sich Titel von Gauguins Südseebildern notiert, die oft mit polynesischen Worten beschrieben waren. Er hatte zwar einige Übersetzungen in den Katalogen gefunden, aber von den meisten wusste er nicht, was sie bedeuteten. Sein zweiter Schwerpunkt waren Frauenbildnisse. Er notierte sich die Namen der Frauen und Mädchen, so wie sie in den Bildtiteln oder den Erklärungen zu den Werken zu finden waren. »Die schöne Angelie«, »Aline«, Gauguins Tochter, »Die nähende Suzanne« und nicht zuletzt die Namen der Geliebten, »Der liegenden Pau'ura« oder der »Javanerin Annah«. Er sah hinüber zu dem gläsernen Kasten, in dem gerade seine Zutrittsberechtigung hergestellt wurde. Es tat sich noch nichts. Er notierte sich weiter Stichworte. Jetzt waren die banalen Wörter dran, die wie er hoffte in Kombination mit den Gauguin spezifischeren Begriffen, erfolgreich sein konnten. Es waren Wörter wie »Boot« oder »Segelboot«, »Strand«, »Palme«, »Mädchen«, »Wasser«, »Sand« und nicht zuletzt die Wörter »Julie« und »Bois« oder eben »Wald«. Mehr fiel ihm nicht ein. Er würde sicherlich noch während der Recherche auf weitere Begriffe und Wortkombinationen stoßen.

      »Mr.

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