Fälschung. Ole R. Börgdahl

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Fälschung - Ole R. Börgdahl

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ihm stand der Mann, dem er vor gut fünfundvierzig Minuten seinen Antrag ausgehändigt hatte. Britische Gründlichkeit dachte er noch.

      »Mit diesem Ausweis können Sie das Gebäude jetzt betreten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit«, näselte der Mann und gab ihm den checkkartengroßen Ausweis.

      Heinz Kühler bedankte sich. Er kramte die Zettel zusammen, die er neben sich auf die Bank gelegt hatte, und stopfte alles in seine schwarze Mappe. Er begab sich zum ebenfalls gläsernen Drehkreuz, führte seinen neuen Ausweis in den Leseschlitz und wurde eingelassen. Die Karte war stabil wie für die Ewigkeit und war dennoch nur für heute und morgen gültig. Es war nicht das erste Mal, dass er die Historic Catalogues besuchte. Er kannte sich aus. Er musste sich jetzt nur noch ein Terminal zuweisen lassen und schon konnte es losgehen. Er wurde anscheinend schon erwartet. In einem Empfangsraum, den er nach der Drehtür betreten hatte, konnte er wieder ein Schließfach für seine persönlichen Sachen beziehen. Eine ältere Dame sprach ihn an, nachdem er das Schließfach verriegelt hatte.

      »Mr. Kuhler?«, fragte sie, ebenfalls mit näselnder Freundlichkeit.

      »Ganz richtig.« Er hielt seinen Ausweis hin, als wenn sie es von ihm gefordert hätte.

      »Guten Tag. Ich zeige Ihnen jetzt Ihr Terminal«, sagte die Dame leicht irritiert.

      Sie ging voran und er folgte ihr durch einen Flur in einen Saal, in dem Dutzende Trennwände standen. Die Trennwände verbargen Computerarbeitsplätze. Vorne an jeder Trennwand war ein Schild mit einer Nummer angebracht. Sie hatte ihm noch nicht verraten, welches seine Nummer sein sollte. Sie gingen an zwei Reihen vorbei in die Dritte und dort etwa bis zur Mitte. Sein Platz hatte die Nummer dreiunddreißig, ohne Fenster, ohne Blumen, ohne jeden Schmuck. Er hatte vorher gewusst, was ihn erwartete. Er war heute zum vierten Mal hier, zuletzt vor gut zwei Jahren. Die Terminals waren erneuert worden. Das Victoria and Albert Museum legte immer größten Wert auf eine moderne und gute Einrichtung. Die Computer gehörten dazu, optimale Bedingungen für die Kundschaft.

      »Sie finden hier eine Beschreibung zur Bedienung des Arbeitsplatzes«, erklärte die Dame. »Sie haben selbstverständlich Zugriff auf die Archivdatenbank und auch auf das Internet. Sie können unbegrenzt surfen.«

      Sie sprach weiterhin leicht näselnd und darum wollte das Wort Surfen auch nicht recht zu ihr passen. Heinz Kühler hatte aber verstanden. Er nahm Platz. Sie schaltete ihm das Gerät ein und wartete noch, bis die Suchmaske der National Art Library automatisch erschien. Er bedankte sich und sie zog sich zurück.

      Zunächst einmal wollte er sich ausbreiten. In der Reihe, in der er saß, war bis zur Nummer dreiunddreißig kein anderer Platz belegt. Er rollte mit seinem Stuhl gut einen halben Meter zurück und stieß beinahe an die Stellwand der Reihe hinter ihm. Er blickte zur Seite, konnte aber keine weiteren Rücken erkennen. Er hätte jetzt noch rufen können, um festzustellen, wer sich sonst noch in dem Saal befand. Es schickte sich aber natürlich nicht. Ruhe war hier selbstverständlich. Später hörte er noch jemanden husten, es klang aber etwas entfernt. Er holte schließlich seine Notizen hervor und las sie sich durch. Ihm fielen dabei noch ein paar Begriffe ein, die er dazuschrieb. Er nummerierte die Bereiche, mit denen er beginnen wollte. Er ging vom Groben zum Feinen. Er begann also mit den Allerweltsworten, wie »Boot« oder »Palme«. Das Ergebnis schränkte er ein, indem er jeweils den Namen »Gauguin« hinzunahm. »Palme und Gauguin«, »Boot und Gauguin«, »Strand und Gauguin«. Bevor er sich die Ergebnisse ansah, notierte er die Anzahl der Treffer. Er sah sich eigentlich keines der Ergebnisse an, weil die Anzahl der Treffer jedes Mal bei mehr als einhundert lag. Dann kombinierte er weiter, um die Treffer noch zu reduzieren. Aus der Ergebnisliste wählte er mehrere Artikel aus. Er konnte schnell erkennen, dass sie nichts mit dem zu tun hatten, nach dem er suchte. Bei den angezeigten Themen fand er zum Beispiel Ausführungen zur Bedeutung des Meeres in Landschaftsbildern oder die Sanduhr als Symbol der modernen Kunst. Es gab auch einige Treffer zu Gemälden und Zeichnungen. Es waren auch Bilder von Paul Gauguin darunter. Er sah schnell, dass er dieses Material bereits kannte. Ohne eine Pause ging er zu der zweiten Gruppe von Suchbegriffen. Es waren die Wörter, die mit der Südsee oder den Marquesas zu tun hatten, wie zum Beispiel »Hiva Oa und Gauguin«. Hier war die Anzahl mit zweitausendeinhundertvierunddreißig Treffern besonders groß. Er fügte den Namen »Julie« hinzu und erhielt siebzehn Treffer. Sofort öffnete er einen der Artikel. Er las sich die ersten Zeilen durch. Es ging um Stammesgeschichtliches über die Ureinwohner der Marquesas, um deren Steinkunst und Rieten. Den Namen »Julie« konnte er so schnell nicht finden. Über die Textsuche wurde er dann aber fündig. Der Artikel selbst, sowie zahlreiche Literaturangaben stammten von einer Julia Bredehorst. Das System hatte die Namen »Julie« und »Julia« als Suchungenauigkeit interpretiert und beide in die Ergebnisse mit eingebunden. In den übrigen Treffern tauchte diese Frau Bredehorst immer wieder auf. Eigentlich hatte er sich von dem Namen »Julie« mehr versprochen. Er entfernte in seiner Suche das »Hiva Oa«, sodass er nur noch die Begriffe »Julie und Gauguin« verwendete. Diesmal erhielt er hundertzweiundzwanzig Treffer. Er nahm mehrere Stichproben. In den Ergebnistexten kam der Name »Julie« aber nur als Autorenname vor und nicht als Bezug auf ein Werk Gauguins. Er beließ es bei den Stichproben.

      Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Er nahm seine Notizen und plante weitere Kombinationen der Suchbegriffe. Einige der Artikel, die er geöffnet und gelesen hatte, beschäftigten sich mit dem Stil Gauguins. Symbolismus, Expressionismus und Impressionismus. Er beugte sich wieder über die Tastatur. Er löschte den Namen »Julie« aus seiner letzten Suchanfrage und fügte zu »Gauguin« die Begriffe »Symbolismus«, »Expressionismus« und »Impressionismus« hinzu. Zusätzlich verwendete er noch den Begriff »Hiva Oa«, um das Ganze weiter einzuschränken. Er löste die Suche aus. Nach wenigen Sekunden erschien wieder die Anzahl der Treffer auf dem Computermonitor. Immerhin waren es diesmal dreiundsiebzig. Er ließ sich die Liste mit den Titeln der Treffer anzeigen. Einiges war in Französisch, das meiste aber auf Englisch. Er hatte vorher noch nicht gesehen, dass er die Liste auch chronologisch sortieren konnte. Er ließ die Anzeige jetzt mit dem ältesten Artikel beginnen. Der dritte Eintrag war eine Abhandlung zum Tode Claude Monets vom Dezember 1926. Er überlegte kurz und ihm fiel ein, dass der Suchbegriff »Impressionismus« zu dem Treffer geführt haben musste, aber auch der Begriff »Gauguin« musste in dem Artikel vorkommen, da er seine Suche so eingestellt hatte, dass immer alle Suchbegriffe in einem Treffer vorkommen sollten. Er öffnete den Treffer über Claude Monet. Es war ein Leserbrief, aus einer neuseeländischen Tageszeitung, dem Auckland Chronicle. Der Autor behauptete Zeitzeuge gewesen zu sein und das Aufkommen des Impressionismus in Frankreich miterlebt zu haben. Der Leserbrief begann sehr ausschweifend. Erst nach mehreren Absätzen tauchte zum ersten Mal der Name Paul Gauguin auf, in einer Aneinanderreihung weiterer Künstler aus dem Umfeld oder der Zeit Claude Monets. Er las nicht weiter und machte sich noch nicht einmal die Mühe, den Leserbrief nach weiteren Stellen abzusuchen, an denen der Name Gauguin auch noch erwähnt wurde. Es bestand die Möglichkeit, ausgewählte Treffer in einer separaten Liste zu speichern, die später auf CD-ROM mitgenommen werden konnten. Er wusste nicht warum, aber er verschob den Leserbrief aus der neuseeländischen Zeitung ebenfalls in diese Liste, in der er schon gut zehn seiner bisherigen Treffer gesammelt hatte.

      Er beendete seinen Ausflug in die Kunststile des neunzehnten Jahrhunderts und nahm sich der polynesischen Sprache an. Er begann den Titel eines Gauguin-Bildes als Suchbegriff einzugeben. Alle Wörter des Bildtitels zusammen ergaben einen einzigen Treffer. Es war der Verweis auf das Werk selbst. Er nahm daraufhin die einzelnen Worte und verknüpfte seine Suche mit dem Namen »Gauguin«. Hierbei erschien ebenfalls nur der Verweis auf das Gauguin-Gemälde. Er probierte es weiter, mit anderen Bildtiteln, ohne Erfolg. Bei seinen letzten Versuchen konzentrierte er sich schließlich auf die Frauennamen. Den Namen »Julie« hatte er bereits ausgeschlossen. Er versuchte es jetzt mit den Namen von Gauguins Geliebten. Immerhin kamen dabei zusammen etwa dreißig Treffer heraus. In den Artikeln, die er als Treffer erhielt, ging es vornehmlich um die Bedeutung dieser Frauen in Gauguins Werk, sein Verhältnis zu ihnen und wie und wo er sie dargestellt hatte. Dieser letzte Punkt schien noch einmal interessant zu sein. Er öffnete zwei der Artikel,

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