Morgenrosa. Christian Friedrich Schultze
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Morgenrosa - Christian Friedrich Schultze страница 14
Nun, weder Galilei, der immerhin nur sechs Jahre jünger als Giordano Bruno gewesen war und vermutlich viel von ihm gelernt hatte, noch dieser gewannen bei der internationalen Wissenschaftsgemeinde durch diese Maßnahmen der Führung der katholischen Kirche etwas hinzu. Die Genialität und Richtigkeit der Erkenntnisse dieser Menschen, die immerhin hundert Jahre, nachdem Luther seine Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlicht hatte, noch in einen derartigen Konflikt mit der Curie geraten waren, war von den Menschen der Aufklärung längst anerkannt. Die katholische Kirche allein wollte durch dieses Verfahren etwas gewinnen!
Da aber die merkwürdig ambivalent programmierten Menschen in dieser Organisation ebenso wie in Wauers SED dazu neigten, sich an irgendwelchen seine festhalten zu wollen, so lange es ging und ungern eigene Verantwortung trugen, war nicht damit zu rechnen, dass die Partei, die die einzig richtige wissenschaftliche Weltanschauung und den wahren Wissenschaftlichen Kommunismus verkörperte, irgendwann und irgendwie demokratischer würde, als die vollkommen undemokratische und noch dazu von zölibaten Männern geleitete einzig rechte Kirche.
Galileo Galilei widerrief nicht kampflos, war aber schlau genug, sich nicht durch eigene Sturheit auf den Scheiterhaufen zu bugsieren, wie dies Giordano Bruno gemacht hatte. Natürlich war Giordanos Weg irgendwie das glaubwürdigere und elegantere Zeichen, etwa so mythenbildend wie die angebliche Kreuzigung Christi. Aber Wauer fand, dass es dennoch nicht zur Nachahmung anregte.
Etwa zur gleichen Zeit wurden in Westdeutschland von der renommierten Zeitschrift Stern angeblich soeben aufgefundene Hitlertagebücher veröffentlicht. Es war erstaunlich, welches Aufsehen und welches Interesse dieser Vorgang im deutschen Volke hervorrief. Wauer hatte das Empfinden, als befänden sich gewisse Kreise in der BRD in der Erwartung einer Wiederauferstehung des Führers. Jedenfalls meinten nach den Lektüren der nach und nach erscheinenden Tagebucheinträge nicht wenige meinungsbildende Politologen, Historiker und Institutsleiter, nun müsste die deutsche Geschichte umgeschrieben werden. Daran haben gewiss viele ein dringendes Interesse, dachte Wauer, denn es war nicht gerade befriedigend für einen Deutschen, in der ganzen übrigen Welt als einer dazustehen, dessen Volk den Holocaust organisiert und zwei Weltkriege mit zuerst zwanzig und danach fünfzig Millionen Toten angezettelt und dann auch noch verloren hatte.
Kurz bevor die beiden Wauers, Vater und Sohn, mit dem verlässlichen Trabant Kombi in die Slowakei zu ihrem Berg-Zelturlaub aufbrachen, stellte sich heraus, dass diese Hitlertagebücher Meisterwerke eines begabten Fälschers waren. Aber die Auflage der Zeitschrift Stern hatte sich zu dieser Zeit annähernd verdoppelt. Das war doch ein schönes Beispiel für Kapitalismus in Reinkultur! Marx hätte seine Freude daran gehabt.
8.
Sie waren am 9. Juli vormittags in Frankfurt-Oder losgefahren. Der Weg sollte durch Polen über Zielona Gora, dem vormaligen Grünberg, Breslau, an Gleiwitz und Kattowice vorbei bis hinauf nach Zakopane und dann über den Grenzübergang Javorina, hinüber in die Slowakei zu dem auserkorenen Zeltplatz in Strebske Pleso führen. Das waren etwa achthundert Kilometer über schlechte polnische Straßen, die die beiden in ihrem DDR-Volkswagen sowieso nicht an einem Tage hätten bewältigen können. Wauer hatte deswegen einen Zwischenhalt in der Gegend von Bytom vorgesehen. Am liebsten hätte er einen Tag für die Besichtigung der Gedenkstätte des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau geopfert. Aber dann hatte er seinen Sohn Lothar, der am 21. März des Jahres elf Jahre alt geworden war, doch noch als zu klein für solch eine Belastung befunden und war bis in die Gegend von Krakau vorgestoßen, wo sie ihr Zelt abends auf der Wiese eines Bauern aufstellen durften.
Ihren Urlaub verbrachten sie dann aber doch nicht wie geplant in Strebske Pleso, da ihnen der dortige Zeltplatz nicht gefiel. Das große Europa-Camping unterhalb von Tatranska-Lomnica sagte ihnen dann auch nicht richtig zu, da es ihnen viel zu riesig und zu teuer erschien und außerdem ziemlich weit weg von der Tatra-Bahn gelegen war, die sie zum Erreichen der Ausgangsorte für ihre Bergwanderungen benutzen wollten. So landeten sie schließlich in einem kleinen, romantischen Lager in Tatranska-Polianka, das preiswert, schön schattig, inmitten alter Kiefern und noch dazu an einem wasserreichen Bergbach gelegen war.
Der Juli des Jahres 1983 wurde als einer der heißesten der letzten Jahrzehnte beschrieben und das spürte man selbst an diesem hochgelegenen Ort. Der Bach führte aber noch genügend Wasser, welches kühl und rein von den Hängen der Hohen Tatra herabgeflossen kam. Fleißige Zelturlauber vor ihnen hatten an einer Stelle des Gewässers, das wie alle Gebirgsbäche mit unzähligen bunten großen und kleinen, angenehm abgerundeten Steinen verschiedenster Herkunft übersät war, ein Wehr gebaut, so dass sich ein Badebecken angestaut hatte, welches tagsüber meist voll besetzt war.
Abends saß man oft am Lagerfeuer am kleinen Flüsschen und trank Tee oder Tee mit Rum oder Wodka-Cola, je nach Alter und Bedürfnis. Lothar fand bald gleichaltrige Freunde und konnte an den Ruhetagen, an denen nicht gewandert wurde, nach Herzenslust am oder im Bach oder im angrenzenden Wald spielen. Wauer lernte nach ein paar Tagen Skatfreunde kennen, so dass an den hellen Abenden auch oft miteinander geskatet wurde.
Ihn trieb es aber bei dieser außergewöhnlichen Sommerhitze im Tal hinauf in die Berge. Sehr bald fuhren Vater und Sohn daher an einem Wochentag zeitig hinüber nach Tatranska-Lomnica, um früh die Bergseilbahn zu erwischen, die sie auf die 2632 Meter hohe Lomnitzspitze bringen sollte. Sie kamen mit den wartenden Touristen in eine der ersten Gondeln und hatten auf dem Gipfel eine wunderbare Fernsicht, wie dies nur selten vorkommt. So konnten sie wirklich fast das gesamte kleinste Gebirgsmassiv Europas einschließlich der im Osten querliegenden, so genannten Weißen Tatra übersehen.
Das war ein guter Einstieg in ihren Bergurlaub und Wauer konnte seinem Sohn von hier oben die Gipfel und Wege zeigen, die sie sich vornehmen wollten. An der Zwischenstation Enzian am Skalnate pleso, in der man hinauf wie hinunter die Seilbahn wechseln musste, stiegen sie bergabwärts aus und nahmen den Magistralenweg in westlicher Richtung bis zur Bergstation Hrebiniok unterhalb der Schlagendorfer Spitze. Diese Strecke war nicht besonders anstrengend, vermittelte dem Jungen aber bei dem herrlichen Wetter dieses Tages wunderbare Aussichten und ein erstes Gefühl für die Schönheiten eines Hochgebirges. Von da fuhren sie mit der Zahnradbahn hinunter zur Station der Tatrabahn, mit der sie dann in ihr Zeltlager zurückkehrten.
Die größte Tour des Urlaubes und erste wirkliche Bergfahrt für Lothar fand dann eine Woche später statt. Ohne besondere Probleme zogen sie gemeinsam die bekannte Wanderung von Tri studnicky auf den Gipfel des Krivan durch. Dieser westliche große, fast frei stehenden Eckpfeiler der Hohen Tatra sah dem Matterhorn ein wenig ähnlich, faden die beiden. Für den Aufstieg benötigten sie geschlagene vier Stunden. Nach der Gipfelrast bewältigten sie den ebenso langen Abstieg hinab in den Flecken Strebske pleso mit seinem gleichnamigen See und dem charakteristischen großen Berghotel mit nur einer kurzen Rast.
Der Junge hatte sich derart wacker gehalten, dass er nach einem Eis am Stiel, das er am Kiosk bekam, am oberen See noch eine halbe Stunde Ruderboot fahren wollte. Vom See aus hatten sie wunderbare Ausblicke auf die rundum gelegenen Gipfel des östlichen Bergkammes und Wauer schoss eine Reihe kalenderreife Erinnerungsfotos fürs Familienalbum. Sie erreichten knapp die letzte Bahn, um in ihr Lager zurückzukehren.
Zwischen