Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski. Knut Freiwald
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Oma, Tante und Onkel waren sehr an meinen schulischen Leistungen interessiert. Nachdem ich mein Zeugnis nach Erhalt zuerst meiner Mutter gezeigt hatte, wurde es beim nächsten Besuch in Schlieben begutachtet. Ihre Kritik nahm ich mir immer sehr zu Herzen. Während der Schulzeit war ich ja zu Hause und versuchte nach dem Tode meines Vaters meiner Mutter so viel wie möglich zu helfen. Mein Bruder ging schon mit 15 Jahre arbeiten, um meine Mutter finanziell zu unterstützen. In den Sommermonaten gingen wir auch oft in den nahen Wald, um Pilze zu sammeln, die anschließend verkauft wurden, um die Haushaltskasse aufzubessern.
Für die 8. -10. Klasse musste ich nun in die nächste Stadt nach Doberlug-Kirchhain, um dort die Allgemeine Polytechnische Oberschule zu besuchen. Die Umstellung fiel mir recht schwer. Eine neue Umgebung, fremde Mitschüler, mit meinem Selbstvertrauen war es damals nicht weit her. Viele aus meiner neuen Klasse kamen, wie man so sagt, aus gutem Hause, dem Mittelstand dieser Stadt. Deren Eltern waren meist Selbstständige, also durchaus für damalige Zeiten vermögend. Dazwischen nun ich, ein Nichts, ich konnte zum Beispiel nicht jeden Tag andere Sachen zur Schule anziehen, dieser Unterschied fiel mir als Erstes auf. Die einzige Chance, die ich hatte, war, mit schulischen Leistungen auf mich aufmerksam zu machen. So wurde aus mir ein strebsamer Schüler, der nicht zuletzt immer als positives Beispiel herhalten musste. In der 8. Klasse wurden die „Jungen Pioniere“ in die „FDJ“ (sozialistische Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“) aufgenommen. So wurde also auch ich Mitglied der FDJ. Ich sah es als selbstverständlichen und logischen Schritt an. Damit ging meine Kindheit zu Ende. Alles in allem, trotz aller Einfachheit und ohne Luxus, verbrachte ich eine wunderschöne Kindheit auf dem Lande und denke mit Dankbarkeit zurück.
Nun wurde es langsam Zeit, daran zu denken: Was willst du eigentlich später für einen Beruf ergreifen. Solange ich denken kann, habe ich auf die Frage: „Was willst du mal werden?“ stets geantwortet: „Matrose und Kapitän“. Ich weiß nicht warum, dieser Wunsch kam einfach aus meinem Inneren heraus. So wie andere sagen, ich werde Schauspieler oder Arzt. Vielleicht habe ich die Ader, zur See zu fahren von meinem Vater geerbt, der während des II. Weltkrieges bei der Kriegsmarine seinen Dienst tat. Oder es waren die Urlaube mit meiner Tante und meinem Onkel in Bansin auf der schönen Insel Usedom. Dort lernte ich zum erste Mal das Meer kennen, sah die Schiffe vorbeiziehen, die Richtung Stettin unterwegs waren. Ein unvergessliches Erlebnis. Es stand fest, ich wollte unbedingt später zur See fahren. Da war guter Rat teuer, niemand aus meiner Familie oder Bekanntschaft wusste einen Weg, wie und wo es sich zu bewerben galt. Zuerst musste erkundet werden, welche Möglichkeiten es überhaupt gab zur See zu fahren. Meine Tante unterstützte intensiv meinen Berufswunsch. Sie war es auch, die den ersten Kontakt herstellte. Es gab in der damaligen DDR nur drei Möglichkeiten zur See zu fahren, bei der Volksmarine mit späteren Besuch der Offiziershochschule „Karl Liebknecht” in Stralsund, in der Fischereiflotte oder bei der Deutsche Seereederei Rostock mit dem Beruf Vollmatrose sowie späterer Besuch der Seefahrtschule Wustrow. Binnenschiffer wollte ich nicht werden. Da ich unbedingt in die große weite Welt hinaus wollte, war klar, ich musste mich bei der Deutschen Seereederei Rostock bewerben. So habe ich mich schon 1964 bei der Deutschen Seereederei Rostock beworben. Natürlich war dies viel zu früh und ich erhielt als Antwort, mich mit dem Abschlusszeugnis der 9. Klasse erneut zu bewerben. Zumindest hatte ich schon einen Teilerfolg, ich wurde vorgemerkt mit dem Hinweis weiter meine schulischen Leistungen kontinuierlich zu steigern und an der gesellschaftlichen Arbeit aktiv teilzunehmen.
Mit 14 Jahren wurden wir mit der Jugendweihe feierlich in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Da ich nach meiner Geburt in der Kirche von Schlieben getauft worden war, bestand meine Mutter unbedingt darauf, dass ich noch konfirmiert werde. So musste ich damals fleißig alle Konfirmandenstunden besuchen, wozu ich aber nicht gerade Lust hatte. Sie war der Meinung: „Junge, du weißt nie, welche Frau du später findest.“ Es war ja noch in den Dörfern zu damaliger Zeit weit verbreitet, kirchlich zu heiraten. Im Jahre 1965 hatte ich dann Konfirmation. Im Übrigen war ich nicht der Einzige, der diesen Weg gegangen war. Heute bin ich ihr dankbar dafür, denn inzwischen habe ich eine ganz andere Einstellung zu Glauben und Kirche. Es war wohl ein schwerer Fehler, nicht nur in der DDR, sondern im ganzen sozialistischen Lager, dass den Menschen ihr Glaube an Gott genommen werden sollte. Die Suche nach Kompromissen und die Annäherung der Staatsführung an die Kirche zum Ende der DDR sollten zu spät kommen. Atheisten und Gläubige egal welcher Glaubensrichtung hätten durchaus auch in einem sozialistischen Staat ihr Auskommen und ihre Daseinsberechtigung gehabt. Der Glaube gibt insbesondere den einfachen Menschen Halt und Kraft. Betrachtet man den Lauf der Geschichte der Menschheit, so haben eigentlich über die Jahrtausende nur die Religionen überlebt, in welcher Art auch immer. Dynastien und große Reiche sind gekommen und gegangen, aber z. B. der katholische / evangelische Glaube, der Glaube an den Propheten Mohamed, um nur einige zu nennen, haben überlebt. Obwohl alle Glaubensrichtungen vom Grunde her nur Gutes für ihre Menschen wollen, hat Glaubensfanatismus viel Leid im Laufe der Jahrhunderte über die Menschen gebracht. Nicht einmal in der heutigen Zeit ist der Mensch in der Lage, tolerant gegenüber Andersgläubigen zu sein.
Ziel für die noch verbleibende Schulzeit musste also ein guter Abschluss der 10. Klasse sein, um meinem Berufswunsch näher zu kommen. Die aktive gesellschaftliche Arbeit kam von allein. Auf Grund meiner guten schulischen Leistungen wurde ich zum FDJ-Sekretär meiner Klasse vorgeschlagen und auch gewählt. Diesen Posten sollte ich bis zu meinem Schulabschluss behalten.
In dieses Alter fällt auch die Zeit, wo sich jeder das erste Mal unsterblich verliebt, ausgelassen die so genannte Kinderliebe, die ich natürlich auch hatte. Ich verliebte mich ausgerechnet in ein Mädchen aus meiner Klasse. Geschmäcker sind ja verschieden, aber für mich war Karla damals das schönste Mädchen der Welt. Mir gefielen am meisten ihre blauen Augen und ihr tiefschwarzes Haar. Sie hatte indirekt und unwissentlich einen sehr großen Einfluss auf meine Entwicklung. Sie weiß davon bis heute nichts. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, kam sie für mich aus einer anderen gesellschaftlichen Schicht und dies paradoxerweise in unserer doch eigentlich klassenlosen Gesellschaft. Ihre Eltern kamen aus der begüterten Mittelschicht und hatten ein eigenes Geschäft. Dies belastete und hemmte mich doch sehr, denn wir waren dagegen im Vergleich arm wie eine Kirchenmaus. Aber so eine erste Liebe, das ist schon heftig. Jeder, der das Glück hatte es zu erleben, weiß, wovon ich spreche. Dazu muss gesagt werden, dass die damalige Jugend noch nicht so frei alles auslebte wie unsere heutigen Jugendlichen. Es war noch viel Romantik dabei, Händchen halten und so. Als unter dem Sternzeichen Fisch geborener, war ich oft ein Träumer und kein Draufgänger. Sie gehörte in der Schule zu den sehr guten Schülerinnen in meiner Klasse und stand leistungsmäßig immer vor mir. Dies spornte mich unheimlich an, um meine Leistungen in der Schule zu verbessern. So wurde sie unbewusst zum Motor und Antreiber meiner schulischen Leistungen.
Inzwischen hatte ich mich mit dem Abschlusszeugnis der 9. Klasse erneut bei der Deutschen Seereederei beworben und war angenommen worden. Dies alles ohne Beziehungen, wie heute immer vermutet wird. Meine Mutter war weder in der Partei, noch hatte sie irgendwelche großen Gönner im Hintergrund. Meine Klassenlehrerin versuchte noch meine Mutter zu überzeugen, dass ich unbedingt auf die Erweiterte