Virtuelle Ethik. Dirk Schumacher

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Virtuelle Ethik - Dirk Schumacher

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      Das nachfolgende Essay ist meine Antwort auf die aufgerissenen Fragestellungen. Da ich kein Wissenschaftler bin und beruflich keine Zeit habe, mich diesen Fragen ausgiebig zu widmen, kann ich nicht in jedem Fall eine ausgiebige Analyse zum Ausdruck bringen. Doch ich werde mir Mühe geben, die Begrifflichkeiten klar dazulegen und gut zu begründen. Ich habe keine formelle Institution, wie z.B. eine Universität, die mir den Rücken stärkt, mir aber auch meine Unabhängigkeit nimmt. Ich werde Lebenserfahrung und Beschaulichkeit einbringen und jederzeit meine Äußerungen an ihrer pragmatischen Seite messen. Gleichzeitig habe ich größtenteils auf Zitate verzichtet um Urheberschutzfragen zu umgehen. Trotzdem wird ein großer Teil Theorie zu meinen Ausführungen gehören. Vor allem die Urtexte von Bourdieu und Luhmann habe eine sehr eigene Eloquenz und ich lege es jedem Leser nahe, der tiefer darin Einblick sucht, sich einzulesen. Es lohnt sich in jedem Fall durch die Tiefe der Gedanken und Bilder. Mir ist bewusst, dass Lebenserfahrung kulturelle Eingebundenheit, Einstellung, Charakter und eingenommene Rolle bedeutet. Ich halte es für ehrlicher meine Meinung direkt zu äußern, als dass ich einen stringenten logischen Zusammenhang abbilde, der den Leser zwingt auf diese Logik einzugehen. Und ihn auch zwingt, über die darin eingekapselte Verweigerung meines persönlichen Urteils zu schweigen, - weil es nicht in den argumentativen Rahmen des fachlichen Diskurses passt. Ich bin der Überzeugung, dass wenn ich weiß, dass es neben dem sachlichen auch einen persönlichen Rahmen gibt, so darf ich auch darüber reden. Doch dazu später, wir sind schon richtig in der Diskussion dessen, was technische Argumentation bedeutet und wo Individualität darin zu finden ist. Noch einen Schritt weiter und wir müssen die Frage stellen, was Technik und Sprache überhaupt ist. Und was Freiheit und Subjektivität damit zu tun haben...

      Es liegt jetzt fast 2 Jahre zurück, dass ich den Text von Brynjolfsson und McAfee gelesen habe. Mittlerweile gibt es ein weiteres Buch (1), wo sie ihre Thesen erhärten und versuchen den gesellschaftlichen Weg der modernen Technik mit den Möglichkeiten der Menschen zu verbinden. Es wird weiterhin die Frage gestellt, was die Technik mit uns macht und welche Möglichkeiten sie uns gibt. Ich frage mich, kann man die Folgen der Technik, mit ihrer Risikobereitschaft und den Datenschutzproblemen so wirklich auf den Grund gehen, indem man sich ihre technischen Möglichkeiten ansieht und den Menschen darin sucht? Es ist doch in beidem, in den gesellschaftlichen Möglichkeiten, wie den Problemen Informationstechnik enthalten. Die Frage ist, wie hängt die Zukunft des Arbeitsmarktes und die Whistleblowerskandale zusammen. Da ich aus dem informationstechnischen Bereich komme und dort einen guten Überblick habe, waren meine Ambitionen zuerst die Fragen die Brynjolfsson und McAfee aufgeworfen haben, technisch zu beantworten. So zum Beispiel, wie kann Bildung gefördert werden, dass die Menschen verstehen, was die Technik ihnen bieten kann? Wie müsste eine Schulstunde aussehen, das meine Kinder verstehen, wie Computer aufgebaut sind, und wie sie deren Vorteile benutzen und Nachteile vermeiden können? Welche Möglichkeiten bestehen darin soziale Netzwerke zu nutzen oder gar, wie kann ich so ein Netzwerk für mich aufbauen und später beruflich verwenden? Wie sieht meine Zukunft aus, wenn ich das, was ich lerne verwende und wie kann ich anderen damit helfen? Wie kann ich mit Computertechnik kreativ sein, Spaß haben und gleichzeitig gutes Geld verdienen? Was müsste ein Politiker tun, um die Informationstechnik zu fördern und um wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen? Wie sieht das WEB 3.0 aus? Wer programmiert das nächste soziale Netzwerk, das 1 Milliarde Mitglieder haben wird und denjenigen, der es erschafft, damit unübersichtlich reich machten wird?

      Ist es wirklich so, dass wir uns nur auf die neue Technik einstellen müssten und wir verstehen alles? Wir müssen die Technik nur richtig verstehen heißt es. Doch warum handeln Menschen so mit der Technik zusammen? Es ergibt sich aus den Fragen keine richtige Antwort und ich bewege mich im Kreis. Ich versuche technische Probleme mit technischen Fragestellungen zu beantworten. Aber dem Dahinterliegenden der Technik komme ich nicht näher. Solange ich die Informationstechnik aus ihrer eigenen Warte heraus anschaue, werde ich nur Fragen stellen können, die technisch zu lösen sind. Aber ich kann weder eine Antwort darauf bieten, was Technik tiefer überhaupt bedeutet und warum sie uns gegenüber steht. Ja sogar, was dieses Gegenüber überhaupt bedeutet, darauf habe ich keine Antwort. Ich werde die technischen Fragen verlassen müssen und mich mehr dem Menschen zuwenden. Denn eigentlich geht es bei der Technik nicht um die Technik als Selbstzweck, sondern um uns, um die Menschen. Technik alleine bewegt sich weder, noch entwickelt sie sich weiter, noch wäre sie überhaupt ohne uns da. Wir bedienen die Technik und füllen sie mit Leben. Das gilt es zu ergründen.

      Es stellt sich daraus die Frage, was Technik ist und wie sie mit uns Menschen zusammenarbeitet? Und wo die Konflikte liegen und wie sie entstehen? Betrachte ich die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik sehe ich nicht nur Anwendungen, Spaß und Gadgets. Sondern genau besehen sind dort auch jede Menge Konflikte. Ein Handy, dass in meiner Hand liegt und mit dem ich einen lustigen Beitrag eines Freundes über Facebook empfangen habe – hat vielleicht bei dem letzten Modellupdate Tausende von Arbeitsplätzen gekostet, weil die Fabrikationsanlagen in ein anderes Land verschoben wurden. Dort arbeiten Menschen und bauen mein Handy zusammen, unter Arbeits- und Lebensbedingungen, die in meinem eigenen Land sofort zu Fabrikschließungen, Arbeitnehmerklagen, journalistischen Nachforschungen, Armutsstatistiken, politischen Auseinandersetzungen und Amtsenthebungen führen würden. Ein Teil der Metalle wird aus Ländern exportiert, wo Krieg herrscht und die kriegführenden Parteien Nutzen davon haben, das ich Spaß mit meinem Handy habe. Kinder arbeiten an den Rohstoffen unter Arbeitsbedingungen, die wir uns in unserer westlichen Welt kaum vorstellen können oder sehen wollen. Pro Computer fällt in den Dritte Welt Ländern soviel Müll an, dass aus unserer Gesundheitsverantwortung her, wir die Computer dort eigentlich gar nicht bauen lassen dürften.

      Die Informationstechnologie hat zwei Seiten. Die globale Verbindung über das Internet und die globale Verbindung über die Produktions- und Vertriebsnetzwerke, die Rohstofftransporte und Märkte. Das was wir als moderne Technik bezeichnen, funktioniert nur über weltweite Verbindungen und definiert sich geradezu daraus. Wirtschaftliche Verbindungen, Konflikte, Krieg und Informationsaustausch liegen sehr nahe in ihren Auswirkungen beieinander.

      Doch nicht nur die Produktion und der Vertrieb von Informationstechnologie schafft Konflikte. Technische Großprojekte sind wirtschaftlich und technisch kaum noch einschätzbar, wenn sie in Verbindung mit Informationstechnologie stehen.

      Es geht darum, wie lassen sich die Konflikte lösen und beheben? Wo genau liegen sie? Die Informationstechnologie baut bei komplexen technischen Anlagen ein Sicherheitsgefühl auf, das sie in Wirklichkeit kaum halten kann. Die Sicherheitseinschätzung eines Kernkraftwerks kann nicht auf der Sicherheit von Computertechnik gründen. Sondern es sind immer Menschen, die in der Verantwortung stehen. Mit Hilfe der Technik ist es möglich Risiken aufzuteilen, zu verschleiern oder der Technik die Verantwortung aufzubürden. Schon im kleinen, wenn wir dem Computer gegenüber, wie einem Menschen gegenüber, persönlich werden und ihn beschimpfen – oder im Großen, wenn es um die Frage geht, war es menschliches Versagen oder technisches Versagen was zum Unglück in Fukushima führte? Geschichtlich gesehen sind wir zu jeder Zeit mit Handwerkszeug oder Technik Risiken eingegangen. Doch wem muss ich die Verantwortung zurechnen bei einem Großprojekt, was vielleicht im Fehlerfall Tausende von Leben kosten kann? Wo aber auch Tausende mitgearbeitet haben und niemand dabei ist, der noch alle Funktionen überblicken kann. Hier wird Risiko durch die Größe von technischen Projekten nur noch politisch verwaltbar, weil niemand mehr das allein fachlich verantworten kann.

      Überall sind die Konflikte der Technik sichtbar und ihre Risiken offensichtlich. Jeder, der sich umschaut findet sehr leicht Konflikte, die sich aus der Technik heraus entwickelt haben. Überall geht es um Individuen, technische Prozesse und paradoxe Situationen. In meinen Umfeld, wenn ich mich frage, warum das papierlose Büro mehr Papier produziert? In meinem weiteren Bereich, wenn ich mir die Frage stelle, ob Elektroautos wirklich energiesparend und umweltschonend sind? Oder ob uns das zwingt höhere Risiken beim Kernkraftwerksbau einzugehen? Und letztendlich Global, wenn mir über den NSA Skandal bewusst wird, wie fragil die Sicherheit im Netz ist und wie schnell nationalistische Reaktionen einer fernen Großmacht plötzlich vor meiner Haustür – oder sogar in meinem Haus – stattfinden.

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