Virtuelle Ethik. Dirk Schumacher

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Virtuelle Ethik - Dirk Schumacher

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Einzel, Gruppen, organisatorische und nationale gesellschaftliche Entscheidungen prägt und beeinflusst. In Virtueller Ethik müssen wir uns davon verabschieden, Ethik aufgrund von moralischen Entscheidungen einzelner zu denken. Mag es Helden, Staatsführer oder weise Männer sein. Alle sind verdächtig. Wir müssen uns daran gewöhnen global zu denken und uns von uns selbst zu emanzipieren, vom Einzelnen. Ohne gleich unser Heil in Gott, Logik, Schmerz, Schönheit oder Glück zu suchen. Auch das ist verdächtig. Es geht um den Bestand dessen, was ist. Wir Menschen in einer funktional denkenden technischen durchwirkten globalen Welt, abgehoben vom einzelnen Bewusstsein.

      Es ist nicht einfach, ein Urteil zu begründen, wenn der Mensch sich im virtuellen der technischen Welt auflöst. Hier beginnt die Schwierigkeit erst, denn wie kann ich an dieser Stelle überhaupt noch meine Meinung begründen? Und worin löse ich mich auf? Diese Frage gilt es zu beantworten. Virtuell bedeutet, dass ich mich mit meiner Meinung auflöse und mit der Technik verbinde. Wo soll sich darin noch ein begründbares Urteil bilden können? Das Essay ist die Antwort darauf.

      Als Grundlage einer virtuellen Ethik möchte ich im folgenden Kapitel zuerst darauf eingehen, wie Bewusstsein entsteht, was es bedeutet als Mensch in einem sozialer Verbund zu leben und wieso die Technik von unserem Menschsein nicht zu trennen ist.

      2. Der Einzelne erwacht. „Ich denke, also bin ich.“

      Folgend möchte ich einige Konzepte vorstellen, die es ermöglichen der Frage nachzugehen, was den Einzelnen ausmacht, was sein Bewusstsein oder seine Persönlichkeit eigentlich ist. Ich werde auf die Konzepte eingehen, die meiner Meinung nach, Stand heute, besonders in der Diskussion stehen und Einfluss nehmen. Kurz gesagt, was modern ist. Das darf nicht diejenigen kränken, die ich vergessen habe.

      Kenneth J. Gergen schreibt in seinem Buch „Konstruierte Wirklichkeiten“ (2) bezüglich Descartes Schrift Discours de la Méthode, das Cogito ergo sum bedeutet, dass der Mensch sich aus dem Denkvorgang heraus gebildet hat. Demnach, dass das Denken in den Vordergrund geschoben würde, ist Autorität auf den Willen des Einzelnen nicht mehr zurückführbar. Für Gergen ist hier der Ansatz der Französischen Revolution und damit natürlich des modernen Denkens. Das Denken ersetzt den Willen des Einzelnen. Gergen, Begründer des sozialen Konstruktionismus und Vertreter einer konstruktivistischen Vorstellung von Kultur, geht in seiner Argumentation sehr vorsichtig vor. Er ist sich der Tragweite seiner Konzepte sicherlich bewusst, führt die Folgerungen aus seinen Ideen aber nicht konsequent weiter aus. Er schildert, was seiner Meinung nach möglich wäre und welche Auswirkungen es hat. Aber seine eigene Argumentation und seine Person integriert er darin nicht. Er bleibt als Erzähler außerhalb seiner geschilderten Welt, auch wenn er sich z.B. im Gespräch mit seinem Sohn versucht hinein zu bewegen. Seine Aussage ist, das jedwede Äußerung, jedes Gefühl und jede kulturelle Leistung durch soziale Verbünde konstruiert ist. Es ist eine Idee, aber wie sie stattfindet, darüber lässt er sich nicht aus. Und die Konsequenzen daraus werden uns sehr vorsichtig und diplomatisch offen gelegt.

      Schauen wir doch mal nach, was das genau bedeuten würde. Wenn jedes Gefühl, auch der Schmerz sozial konstruiert ist. Wo bleibt da die Begründung einer Ethik? Denn sie müsste sich ja selbst begründen, sie wäre auch sozial konstruiert. Das Ganze fühlt sich an, wie Maschinen, die sich selbst bauen und so auch zu ihren Gefühlen kommen. Das er einen moderaten und warmen Ton einschlägt in seinem Buch und immer wieder ethische Konstrukte aufbaut – aus seinem Herzen her durch intellektuelle Worte begründet, lässt letztendlich nur Verunsicherung zurück. Ich denke, das Buch ist nur für starke Charaktere geeignet, die die Destruktion darin erkennen, aber wie Gergen eine gewisse Distanz dazu einhalten und es nicht auf sich wirken lasse. Die Erkenntnis prallt sozusagen an seiner eigenen kulturellen Verwurzelung ab.

      Gehen wir doch einen Schritt weiter und fragen uns, wohin das führt? Wenn das Denken in den Vordergrund geschoben wird und die Autorität des Einzelnen zurückdrängt, stellt sich die Frage, worin besteht das Denken und was ist dagegen der Wille des Einzelnen? Wenn das Denken eine soziale Konstruktion ist, ist auch das denkende Sein, das Bewusstsein vom Wert des eigenen Ich's eine soziale Konstruktion. Der Wille des Einzelnen, der die Autorität will und nun zurückgedrängt wird, war schon immer eine soziale Konstruktion. Nie hat ein Herrscher allein eine Schlacht gewonnen oder ein Land besiegt. Es waren die Untertanen, die die Arbeit machen, die sich Vorteile (oder weniger Nachteile) versprechen, wenn sie der Autorität dienen. Das ist nichts anderes als eine gemeinsame soziale Vorstellung, die zum Handeln nötigt. Kurzum, eine soziale Konstruktion hat die andere ersetzt. Der Satz, „ich bin ich selbst und kein Untertan mehr“ hat eine revolutionäre Kraft in Gang gesetzt, die ganze Kontinente veränderte. Aber es ist nicht das Abschütteln einer Autorität gewesen, sondern die Konstruktion einer anderen Autorität. Das „Ich“ ist eine soziale Konstruktion von Autorität. Max Weber spricht davon, dass moderne Arbeitsweisen erst damit ermöglicht wurden. Die Verlagerung der Autorität ins Innere des Menschen gehen mit der Funktionalisierung von Arbeitern, Technik, Produktion und Bewusstsein Hand in Hand. Marx nennt das Arbeit, was bei Hegel noch im Geiste vor sich geht. Wir wissen das. Doch was ist das explosive am sozialen Konstruktionismus? Es ist das furchtbare im Konstruieren. Als wenn das funktionelle, das maschinenhafte, das technische Denken im sozialen tätig wäre. Der menschliche Umgang wäre wie in einem Uhrwerk und wir erschaffen daraus die Welt. Wir schauen genau hin und definieren gemeinsam, was wir sehen. Je genauer, desto zutreffender wäre es und am Ende hätten wir so etwas wie Whitehead's Prozess und Struktur. Wenn nicht Wittgenstein uns nicht vorher die Leiter wegstößt. (3) Die Vorstellung einer sozialen Konstruktion der menschlichen Kultur setzt gerade das Denken voraus, was durch die Technik erst erschaffen wurde. Das bedeutet, wir sind beim funktionalen Betrachten von sozialen Konstrukten auf einem Auge blind und schaffen einen Widerspruch zwischen eigenem Willen und der Willenlosigkeit innerhalb der Konstruktion.

      Doch auch wenn ich mich hier ein wenig lustig mache, der Weltgeist Hegels, der sich in Arbeit umwandelt und nachher sich selber konstruiert, hat einen Kern der uns berührt. Den Kern dessen, was Geschichte bedeutet und wie wir ihn erleben. Nicht als etwas Einzelnes von uns, sondern als etwas, was wir mit anderen Menschen zusammen tragen. Das Geschichte, die scheinbar nur aus Auseinandersetzungen besteht und nicht aus glücklichen ruhigen Momenten, genauso ist wie die Flutmarken in den Häfen. Hier steht auch nicht, wann das Meer ruhig war, sondern jeder Strich zeigt uns, wann dort Menschen Angst hatten und ihr Leben gelassen habe. Das Leben zeitigt nicht bis zum Tode. Das ist Egoismus. Sondern die Zeit besteht aus Wendemarken, die aufzeigen, wo soziale Konstrukte sich verändert haben.

      Wenn der Einzelne ein soziales Konstrukt mit seinem Bewusstsein ist, dann muss ich mir die Frage stellen, was erlebe ich dann die ganze Zeit? Und habe ich ein Recht darauf „Ich“ zu sagen? Ist da noch etwas, was mich als Einzelner ausmacht? Versuchen wir uns ein wenig von den Konstrukten zu lösen, auch wenn die Idee, die dahinter liegt einiges an Attraktivität hat. Sie erklärt, wie Menschen zusammen etwas erschaffen, ohne das Gott es gewollt hätte oder ein König befohlen. Im Konstruktionismus fehlt der Inhalt de Kultur, wie wir ihn ganz praktisch erleben.

      „Für alles Weitere stelle ich mich also auf den Standpunkt, dass die Aggressionsneigung eine ursprüngliche, selbständige Triebanlage des Mensch ist, und komme darauf zurück, dass die Kultur ihr stärkstes Hindernis in ihr findet. Irgendeinmal im Laufe dieser Untersuchung hat sich uns die Einsicht aufgedrängt, die Kultur sei ein besonderer Prozess, der über die Menschheit abläuft , und wir stehen noch immer unter dem Banne dieser Idee. Wir fügen hinzu, sie sei ein Prozess im Dienste des Eros, der vereinzelte menschliche Individuen, später Familien, dann Stämme, Völker, Nationen zu einer großen Einheit, der Menschheit zusammenfassen wolle. Warum das geschehen müsse, wissen wir nicht; das sei eben das Werk des Eros. Dieser Menschenmengen sollen libidinös aneinander gebunden werden; die Notwendigkeit allein, die Vorurteile der Arbeitsgemeinschaft werden sie nicht zusammenhalten. Diesem Programm der Kultur widersetzt sich aber der natürliche Aggressionstriebe der Menschen, die Feinseligkeit eines gegen alle und aller gegen einen. Dieser Aggressionstrieb ist der Abkömmling und Hauptvertreter

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