Virtuelle Ethik. Dirk Schumacher
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Gerade eben, im vorherigen Absatz, habe ich auch einige Urteile abgegeben, um etwas sehr wichtiges als Beispiel aufzuzeigen, nämlich, dass eine Diskussion über die Verbindung von Mensch und Technik nicht technisch – fachlich entschieden werden kann. Denn Urteile lassen sich nicht technisch entscheiden! Sie sind immer zutiefst menschlich. Die Diskussion muss menschlich entschieden werden, über geschichtliche und soziale Hintergründe. Technische Urteile beziehen immer Fach, Funktion und Wert bezogene Ansichten mit ein. In der Diskussion der Beziehung von Mensch und Technik geht um Handlungsmöglichkeiten und Handlungsanweisungen in ihrem Konflikt. Um das: „Was soll ich tun?“ Um die Frage: „ Wie beeinflusst mich Technik und wie kann ich trotzdem damit umgehen, auch wenn es um globale Prozesse geht?“
Doch was bedeutet das für unsere Urteile über die Technik? Und wie können wir daraus unser Handeln ableiten? Wenn wir über Handlungen urteilen und das, was wir tun sollen, bezieht die Diskussion ethische Gesichtspunkte mit ein. Die Frage nach dem Umgang mit Technik wird plötzlich zu einer Frage auf der Ebene der Ethik. Wenn ich die Frage nach der Technik nicht auf technische Weise beantworten möchte, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen, sind die Aussagen, die daraus entstehen ethische Aussagen. Die Frage nach der Technik und ihrem Umgang ist letztendlich eine ethische Frage, weil die Frage nach dem Umgang mit der Technik in die Frage mündet, wie werden wir selber mit uns umgehen. Ethik bedeutet, wir müssen uns Gedanken über unsere Handlungen machen und deren Zusammenhang mit Technik.
Die Erkenntnis, dass wir persönlich urteilen müssen, ist sehr wichtig. Es stellt sich auch die Frage, worüber wir urteilen? Wir urteilen über unseres technisches Denken. Aber was ist das genau?
In jeder von den folgenden Fragen tauchen die Ursprünge technischer Denkweisen auf: „Wie kann ich etwas am besten erreichen?“, „Wie funktioniert das?“, „Was kann ich von mir erwarten um das noch besser zu verstehen?“, „Ich sehe ein Problem vor mir, also muss ich wie handeln?“. Es geht um Funktionalität, Kausalität und Subjektivität. Die Frage nach dem Umgang mit Technik muss wissen, was diese Fragen bedeuten, sie muss aber auch den Menschen sehen, denn letztendlich ist Technik ohne Menschen unmöglich. Auch wenn es so erscheint, als wenn viele menschliche Tätigkeiten schon von Maschinen erledigt werden können, ja sogar ein Teil der Denk- und Sinnesfähigkeiten erlangt haben. Forscher erwarten den selbstdenkenden Computer in wenigen Jahren. Doch wir müssen uns bewusst werden, was das bedeutet! Je moderner die Technik ist, je mehr Menschen in einem technischen Verbund zusammen arbeiten, um diese Technik zu ermöglichen, desto unübersichtlicher wird es für den einzelnen!
Zur Größe und Unübersehbarkeit technischer Produkte möchte ich ein Beispiel geben. Um ein Rad an einen Wagen zu montieren, reichen vielleicht ein paar Tausend Menschen aus. Nicht nur der Schmied, Wagenlenker, Reiter und Holzfäller ist damit gemeint. Sondern es gehören dazu noch mehrere Siedlungen, die diese Technik weitergeben können, über Generationen weiterentwickeln. Es gehören Menschen dazu, die sich Gedanken über runde Gegenstände und deren Funktion machen können. Es gehören Menschen dazu, die andere dazu anleiten können, so etwas zu entwickeln, zu bauen, zu pflegen und zu kaufen und tauschen. Es gehören Menschen dazu, die die Notwendigkeit von etwas besserem verstehen und es gehört eine technische Infrastruktur dazu, die es ermöglicht Neuerungen in bestehende Arbeitsabläufe zu integrieren und Techniken, die es erlauben, überhaupt so etwas zu bauen. Und es gehört eine soziale, politische und gesellschaftliche Struktur dazu, die es ermöglicht Arbeitsabläufe rund um die Entstehung, der Verbreitung und Verbesserung des Rades, stabil auf Dauer zu etablieren. Und das nur zu so etwas einfachem wie ein Wagenrad. Ich weiß nicht, ob es vielleicht zu gering gegriffen ist, mit ein paar Tausend Menschen. Vielleicht braucht es mehr dazu.
Denken wir weiter, denken wir an Schusswaffen, mehrstöckige Häuser, Antibiotika, Autos, Flugzeuge und letztendlich Computer. So wird klar, dass zum Bau eines einzigen intelligenten Gehirns wahrscheinlich Millionen und sogar Milliarden von Menschen notwendig sind. Es geht hier um die notwendige Infrastruktur, die benötigt wird, um so etwas zu bauen. Nicht um den einzelnen Forscher, der vielleicht der noch nicht ganz funktionierenden Rechenlogik, aufgrund seiner Erfahrung und seiner Eingebung, einen neuen Algorithmus hinzugefügt hat. So dass der letzte Schritt zur Intelligenz im Programm gewagt werden konnte. Wobei dieser Forscher wahrscheinlich auf hunderte Menschen in seiner Umgebung Zugriff hat und mit ihnen Erfahrungen und Erkenntnisse diskutieren kann. Und auf den Schultern von ganzen Generationen von Forschern steht.
Hier wird klar, das moderne Technik nicht mehr national begrenzt werden kann. Heutige Technik ist immer global und ohne Begrenzung, weil sie in ihrer Dimension die Basis der Wirtschaft und Wissenschaft von Millionen oder Milliarden Menschen auf der Erde benötigt. Kein einzelnes Land, auch keine Großmacht, könnte sich so von alleine auf den Stand der heutigen Technik entwickeln, wie es heute Bestand hat.
Wie komme ich auf den Begriff virtuelle Ethik? Es geht mir im Begriff der Virtuellen Ethik darum eine Änderung unserer Sicht auf Technik herbeizuführen. Es geht um die Frage, was bedeutet für uns Technik und wie funktioniert der Umgang mit ihr? Es geht darum, wie uns Technik verändert und was sie aus uns macht. Und wo der Unterschied ist in unserem Umgang mit der neueren Informationstechnik.
Das möchte ich mit dem Konfliktbegriff näher erklären. Wo Konflikte auftreten, taucht mit der modernen Technik eine neue Sichtweise auf. Ob in erhöhter Risikobereitschaft, wo Kompromisse durch Diskussion nicht mehr verhandelbar sind oder in angstvollen Sicherheitsbedenken, ja in Kriegen, wo es um die „gerechte“ Versorgung mit Gütern und Werten geht. Da technische Artefakte eine globale Infrastruktur benötigen, ist diese natürlich auch in ihrer Benutzung sichtbar. Kein orthodoxes, islamische, buddhistisches oder christliches Land kann sich soweit von der Benutzung technischer Artikel emanzipieren, dass demjenigen, der die Technik benutzt, nicht ein klein wenig dieser Sichtweise offenbart wird, die benötigt wurde, um diesen technischen Artikel zu erschaffen. Kurzum es ist überall! Es ist sozusagen mit eingebaut. Den Umgang damit nennt man normalerweise Know-How und ist beim Begreifen von Technik unabdingbar. Ob es um Motoren geht, um Antriebe, um Radar, um ein Handy oder um das Verstehen wirtschaftlicher Prozesse, überall wird mit dem technischen Artikel Kultur transportiert und in Personen integriert. Gerade das ist ja das schöne an der modernen Technik. Ein Automotor kann auch am Rande der Welt in einem kleinen Dorf repariert werden, wenn die Funktionalität begriffen wird. Gleichzeitig ist in dem Motor aber noch die Handhabung von Werkzeugen, von Stahlbearbeitung, die Lagerung von Brennstoffen, die Erlangung von Mobilität usw. erkennbar. Wer nichts von Motoren versteht, sich aber in die Funktionalität eines Motors eindenkt und versucht dieses Ineinandergreifen von Einzelfunktionen zu begreifen, wird danach ein anderer Mensch sein. Er hat die Funktion begriffen. Und ein Teil von der Kultur, die dahinter liegt. Es wird ihm nahe liegen, Dinge nun auch eher so sehen zu können, wie sie als