Das Duell. Anton Tschechow

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Das Duell - Anton Tschechow

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nach den Fieberanfällen ein gelbes, schläfriges Gesicht hatte, einen welken Blick und ein krampfhaftes Gähnen, daß sie während der Anfälle ganz zusammengezogen unter ihrem Plaid lag und eher einem Knaben als einer Frau ähnlich sah, daß es in ihrem Zimmer schwül war und schlecht roch – all das störte nach seiner Ansicht die Illusion und war ein einziger Protest gegen Liebe und Ehe.

      Als zweiten Gang bekam er Spinat mit harten Eiern, Nadeschda Fjodorowna aber als Patientin Fruchtgelee mit Milch. Als sie mit sorgenvollem Gesicht das Gelee zuerst mit dem Löffel befühlte und es dann träge zu essen begann, und dazwischen immer einen Schluck Milch trank, und als er ihr Schlucken hörte, erfaßte ihn ein heftiger Haß. Er gestand sich, daß solch ein Gefühl sogar einem Hunde gegenüber beleidigend gewesen wäre, aber er ärgerte sich nicht über sich, sondern über Nadeschda Fjodorowna, weil sie dies Gefühl in ihm erregte, und er begriff, daß es Leute gäbe, die ihre Geliebten ermordeten. Selbst hätte er natürlich nicht gemordet, aber als Geschworener hätte er solch einen Mörder freigesprochen.

      »Gesegnete Mahlzeit, mein Schatz,« sagte er nach dem Essen und küßte Nadeschda Fjodorowna auf die Stirn.

      Dann begab er sich in sein Kabinett und ging dort fünf Minuten lang auf und ab und schielte nach seinen Stiefeln. Endlich nahm er sie, setzte sich auf den Diwan und murmelte:

      »Entfliehen, entfliehen! Klarheit in die Beziehungen bringen und entfliehen!«

      Er legte sich hin, und ihm fiel wieder ein, daß Nadeschda Fjodorownas Mann durch seine Schuld gestorben sein könnte.

      Einen Menschen deswegen anklagen, weil er sich verliebt hat, oder aufgehört hat zu lieben, ist eine Dummheit, überredete er sich. Dabei zog er im Liegen die Füße herauf, um die Stiefel anzuziehen. – Liebe und Haß haben wir nicht in unserer Gewalt. Und was den Mann betraf, so konnte er ja möglicherweise indirekt mit eine Ursache seines Todes gewesen sein. Aber war er vielleicht daran schuld, daß er sich in seine Frau verliebt hatte, und sie sich in ihn?

      Dann stand er auf, suchte seine Mütze und ging zu seinem Kollegen Scheschkowskij, bei dem sich täglich die Beamten versammelten, um Whist zu spielen und gekühltes Bier zu trinken.

      ›In meiner Unentschlossenheit erinnere ich an Hamlet‹, dachte er unterwegs. – ›Wie richtig hat Shakespeare das gezeichnet, wie richtig!‹

      3

      Doktor Samoilenko hatte in seinem Hause einen Mittagstisch eingerichtet. Die Sache machte ihm Vergnügen und außerdem gab es in der Stadt kein einziges Gasthaus, und Junggesellen und Neuangekommene wußten nicht, wo sie essen sollten. Augenblicklich aßen bei ihm nur zwei Herren, ein junger Zoolog, Herr von Koren, der für den Sommer ans Schwarze Meer gekommen war, um die Embryologie der Medusen zu studieren, und der Diakon Pobjedow. Dieser hatte erst vor kurzem das Priesterseminar verlassen und war in dieses Städtchen kommandiert worden zur Vertretung des alten Diakons, der zu einer Badekur beurlaubt war. Sie zahlten für Mittag- und Abendessen monatlich zwölf Rubel, und Samoilenko hatte ihnen das Ehrenwort abgenommen, pünktlich um zwei Uhr zu Mittag zu erscheinen.

      Zuerst kam gewöhnlich Herr von Koren. Er setzte sich schweigend ins Wohnzimmer, nahm das Album vom Tisch und begann die verblaßten Photographien unbekannter Herren in breiten Hosen und Zylindern und Damen in Krinolinen und Hauben zu betrachten. Selbst Samoilenko wußte nur noch von wenigen die Namen, sagte aber von jedem mit einem Seufzer: »Es war ein reizender, hochbegabter Mensch.« Wenn das Album durchblättert war, holte Herr von Koren sich eine Pistole von der Etagere, drückte das linke Auge zu und zielte lange auf ein Porträt des Fürsten Woronzow, oder er stellte sich vor den Spiegel und betrachtete sein dunkles Gesicht, seine hohe Stirn und seine schwarzen Haare, die lockig waren wie bei einem Neger, dann sein Hemd aus dunklem, großgeblumtem Kattun, das an einen persischen Teppich erinnerte, und den breiten Ledergurt, der die Stelle der Weste vertrat. Diese Musterung der eigenen Person machte ihm fast noch mehr Vergnügen als das Durchblättern des Albums und die Untersuchung der Pistole mit dem kostbaren Beschlag. Er war sehr zufrieden mit seinem Gesicht, dem hübsch zugestutzten Bärtchen und den breiten Schultern, die einen augenscheinlichen Beweis seiner guten Gesundheit und kräftigen Konstitution bildeten. Er war auch zufrieden mit seiner gigerlhaften Kleidung, von der Krawatte, die so schön mit der Farbe des Hemdes harmonierte, bis hinab zu den gelben Schuhen.

      Während er das Album besah und vor dem Spiegel stand, mühte sich Samoilenko in der Küche und nebenan im Hausflur. Ohne Rock und Weste, mit bloßer Brust, erregt und schwitzend, machte er Salat an oder bereitete irgendeine Sauce oder legte Fleisch, Gurken oder Zwiebeln für die kalte Suppe zurecht. Dabei sah er seinen Burschen, der helfen mußte, wütig an und gestikulierte bald mit dem Löffel, bald mit dem Messer auf ihn ein.

      »Bring' den Essig her,« befahl er, »ach was, Unsinn, nicht Essig, Provenceröl,« schrie er und stampfte mit dem Fuß, »wohin läufst du denn, Rindvieh?«

      »Das Öl holen, Exzellenz,« sagte der Bursche erschrocken mit seiner blechernen Tenorstimme.

      »Na, vorwärts! Im Schrank steht es. Und sag' Darja, sie soll, wenn sie die Gurken bringt, auch Dill mitbringen. Dill! Deck' den Rahm zu, du Schlafmütze, sonst fallen die Fliegen hinein!«

      Und von seinem Geschrei schien das Haus zu erdröhnen. Etwa zehn Minuten vor zwei erschien der Diakon, ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, hager, langhaarig, noch ohne Vollbart, auch der Schnurrbart war noch kaum zu merken. Im Wohnzimmer bekreuzigte er sich zuerst vor dem Heiligenbild, dann lächelte er und reichte Herrn von Koren die Hand.

      »'n Morgen,« sagte der Zoolog kühl, »wo kommen Sie her?«

      »Ich hab' im Hafen Kaulbarse geangelt.«

      »Dacht' ich mir's doch. Diakon, Diakon, Sie werden sich auch nie mit einer vernünftigen Arbeit beschäftigen.«

      »Warum denn? Die Arbeit läuft mir nicht fort,« sagte der Diakon, lächelte und versenkte die Hände in die ungeheuren Taschen seines weißen Priesterrockes.

      »Ja, Sie zu prügeln, wie einen kleinen Jungen, hat keiner das Recht,« seufzte der Zoolog.

      Fünfzehn bis zwanzig Minuten vergingen, das Essen kam nicht, und man hörte noch immer, wie der Bursche mit seinen schweren Stiefeln trampelnd zwischen Küche und Flur hin und her lief, und wie Samoilenko schrie:

      »Stell' es doch auf den Tisch! Wohin läufst du denn! Wisch' es zuerst ab!«

      Der Diakon und Herr von Koren waren hungrig und begannen zu applaudieren und mit den Absätzen zu stampfen, um nach Art der Galeriebesucher im Theater ihrer Ungeduld Ausdruck zu geben. Endlich öffnete sich die Tür, und der abgehetzte Bursche bat zu Tisch. Im Esszimmer trafen sie Samoilenko. Er war feuerrot im Gesicht, ganz aufgelöst von der Hitze in der Küche und wütend, betrachtete sie ärgerlich und gab keine Antwort auf ihre Fragen. Mit dem Ausdruck von Schrecken im Gesicht hob er den Deckel von der Terrine und schöpfte jedem seinen Teller voll, und erst, als er sich überzeugt hatte, daß sie mit Appetit aßen, und daß es ihnen schmeckte, seufzte er erleichtert auf und setzte sich in seinen bequemen Lehnstuhl. Sein Gesicht wurde heiter und freundlich, er goss sich ein Gläschen Schnaps ein und sagte:

      »Aufs Wohl der jungen Generation!«

      Samoilenko hatte nach dem Gespräch mit Lajewskij die ganze Zeit vom Morgen bis zum Mittag ungeachtet seiner vorzüglichen Laune in der Tiefe seines Herzens ein drückendes Gefühl verspürt. Lajewskij tat ihm leid, und er wollte ihm helfen. Nachdem er vor der Suppe sein Schnäpschen getrunken hatte, seufzte er und sagte:

      »Heute hab ich Wanja Lajewskij gesehen. Der arme Kerl hat

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