Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches - Norbert Wibben страница 4
»Hallo Anna. – Ist das … ein Rabe?« Robin staunt. »Ich war schon in Sorge, unser Picknick würde ausfallen. Ist etwas passiert? Habe ich zu lange im Sonnenschein gesessen oder hast du auch das komische Glitzern der Luft bemerkt?« Der Junge ist auf dem sonnenbeschienenen Platz von der Decke aufgesprungen und starrt das Mädchen und den Vogel an.
»Entschuldige meine Verspätung. Ich werde dir gleich den Grund sagen, wenn ich von unglaublichen Ereignissen berichte. Hm. Ich hoffe, sie sind es nicht wirklich, sonst bringt es nichts, sie zu erzählen.«
Der Junge blickt sie verwundert an.
»Du sprachst heute Morgen schon so rätselhaft. Wenn ich mich richtig erinnere, fragtest du, was ich von magischen Wesen, Zauberern und Drachen halte. – Das hat jetzt nichts mit deinen Recherchen zu tun, die dich vor Tagen in der Bibliothek vom Schachspiel abhielten?«
Ainoa legt den Kopf schräg und krächzt: »Willst du mich vorstellen, oder soll ich euch vielleicht besser allein lassen. Junge Liebe will manchmal nicht …«
»Halt deinen Schnabel«, sendet Anna empört ihre Gedanken an den frechen Vogel. Erneut breitet sich eine feine Röte auf ihrem Hals aus. »Ich beginne gleich!« Laut fährt sie an Robin gerichtet fort: »Ich sagte doch, dass ich Teil eines unglaublichen Geschehens geworden bin. Darin hatte ich es mit richtigen, feuerspuckenden Drachen zu tun.«
»Du sprachst beim Frühstück von einem Eisdrachen, dem du im Traum begegnet wärst. Spuckt der denn Feuer? – Außerdem sagtest du, Professor Raven habe dich ermahnt, dass du trotz der erlebten Abenteuer kein unterrichtsfrei bekämst. Heißt das, er kennt die Ereignisse, von denen du berichten willst?«
»Spann den Jungen doch nicht so auf die Folter!«, krächzt Ainoa.
»Mach ich doch nicht!« Dieses Mal spricht Anna aus, was sie eigentlich nur gedanklich an die Elfe senden will. Den Fehler bemerkt sie an Robins fragendem Blick.
»Entschuldige, das war für Ainoa bestimmt. – Ich beginne am besten mit dem Anfang der Ereignisse.«
»Das ist keine schlechte Idee«, keckert der Vogel krächzend.
Das beachtet Anna jedoch nicht und setzt sich mit Robin auf die Decke. Sie zerbröckelt einen der Schokokekse, die der Junge mitgebracht hat und streut die Krümel auf die Unterlage. Sie deutet darauf und sendet gedanklich: »Das ist für dich, du solltest es probieren.« Sofort folgt der Vogel der Aufforderung und hockt im nächsten Moment auf der Decke. Er legt den Kopf schrägt, klappert mit den Augendeckeln und nimmt vorsichtig einen ersten Krümel. Sofort kollert er zufrieden und schnappt sich das nächste Stück.
Das Mädchen wendet sich jetzt an den Jungen.
»Robin, ich möchte dir diesen Kolkraben vorstellen. Sein Name ist Ainoa und in Wahrheit ist er, besser gesagt, sie, eine Elfe. – Jetzt schau mich nicht so an, als ob ich verrückt geworden wäre. Es begann alles damit, als ich vor einigen Tagen in der Nacht ein Krächzen hörte. Eine Elfe, also dieser Rabe, steckte in einer Durchlauffalle, die vom Gärtner unter einem Haselbusch aufgestellt worden war.« Die nächsten zwei Stunden berichtet Anna. Sie wird nur gelegentlich vom Krächzen Ainoas unterbrochen, um eine Ungenauigkeit in dem Bericht zu korrigieren. Als das Mädchen endet, blickt es den Jungen flehend an. »Ich hoffe, du denkst jetzt nicht, ich sei verrückt geworden!« Robin schluckt mehrmals, so wie er es auch während des langen Berichts zwischendurch immer wieder gemacht hat. Dann wendet er sich zuerst an den schwarzen Vogel.
»Ich freue mich, dich kennenzulernen, Ainoa!« Dann blickt er Anna an. »Warum hast du mich nicht früher eingeweiht. Ich hätte doch mitkommen und dir, ähem, euch helfen können.« Anna fällt ein Stein vom Herzen. Robin glaubt ihr, das ist klar. Doch im gleichen Augenblick spürt sie, wie sich ihre Fäuste unwillkürlich ballen.
»Warum meinst du, dass ich deine Hilfe benötigt hätte? Wie du soeben gehört hast, haben wir Saphira nicht nur gefunden, sondern auch sicher aus dem Nebelwald nach Hause …« Hier wird das aufgebrachte Mädchen, dass sich erhoben hat, von dem Jungen unterbrochen.
»Halt! Sei nicht empört. Ich wollte keinesfalls andeuten, dass die Aufgabe mit meiner Hilfe besser oder schneller hätte gelöst werden können! Ich hätte dich nur zu gern begleitet, um die Wunder der Anderswelt mit eigenen Augen zu bestaunen. Außerdem …« Er macht eine längere Pause und blickt Anna direkt in die Augen, die sich währenddessen etwas verlegen auf die Decke setzt. »Ich verspürte im Nachhinein Sorge um dich! Mein Herz wollte bei deinem Bericht mehrfach stehenbleiben, so sehr fieberte ich um dich mit.« Die letzten Worte werden immer leiser, so dass sie kaum zu verstehen sind. Doch Anna und auch Ainoa haben ein feines Gehör.
»Ich glaube, ich lasse euch doch allein«, krächzt der Vogel.
»Das ist eine gute Idee«, sendet das Mädchen und wendet sich laut an Robin. »Auch wenn deine Sorge um mich im Nachhinein unnötig ist, freue ich mich darüber. Aber jetzt sollten wir uns beeilen, wenn wir nicht zu spät in den Speisesaal kommen wollen.« Auf das Gekrächze des Kolkraben antwortet sie so, dass der Junge es auch verstehen kann. »Danke für dein Angebot, Ainoa. Aber diesmal nutzen wir besser keine Zauberkräfte. Wir sehen uns vermutlich morgen Nachmittag. Lass es dir bis dahin gut gehen.« Der Vogel krächzt laut und schwingt sich in die Abendluft. Die Freunde packen die Decke zusammen und eilen zum Internatsgebäude.
Schach
Die Treffen des Schachclubs finden in festgelegten Abständen in der Bibliothek statt. Viele der Spielpaarungen setzen sich aus etwa gleichstarken Teilnehmern zusammen. Das sind beispielsweise Anna und Robin, Benjamin und Caitlin oder Alexander und Harald. Professor Mulham achtet aber darauf, dass die Gegner regelmäßig wechseln. Es liegt auf der Hand, dass sie damit die schwächeren Spieler fördert. Einige der Teilnehmer reagieren zuerst frustriert. Die Stärkeren fühlen sich gelangweilt, nicht genügend gefordert. Sie merken aber schnell, dass sie trotz ihrer vermeintlichen Überlegenheit genauestens aufpassen müssen, um keine Fehler zu begehen. Bei den offensichtlich Schwächeren wird nach ersten Niederlagen deren Ehrgeiz geweckt. Sie konzentrieren sich, rufen Spielzüge der Gegner aus ihrem Gedächtnis auf und kopieren sie.
»Ja, ja, ja!«, jauchzt plötzlich Finn, ein zwölfjähriger Junge mit dichten, rötlich braunen, gelockten Haaren und vielen Sommersprossen. Er besucht den zweiten Jahrgang der Schule, bildet mit der rechten Hand eine nach oben gerichtete Faust und stößt den Ellenbogen ruckartig nach unten. »Ja, ich habe ihn!« Sein Gegenüber, Alexander, kann es nicht fassen. Er, der bislang unumstrittene Champion der Schule, ist von einem der jüngsten Spieler besiegt worden!
»Ich gratuliere dir!« Auch wenn dieser Satz etwas gepresst über die Lippen des 15-jährigen Schülers mit der schwarzen Lockenpracht kommt, reicht er dem Jüngeren die Hand. Der strahlt übers ganze Gesicht.
»Danke!«, ist alles, was der erwidern kann. Sein Blick schweift in die Runde und zeigt seinen Stolz über den unerwarteten Sieg. Professor Mulham räuspert sich und bittet mit erhobenen Händen um Aufmerksamkeit.
»Ich gratuliere dir, Finn!« Sie nickt in seine Richtung, dann blickt sie dessen Gegner an. »Alexander, dir möchte ich auch meinen Glückwunsch aussprechen. Halt, ich will dich nicht auf den Arm nehmen! Ich meine es ernst! Deine Gratulation an Finn zeugt davon, dass du ein guter Verlierer sein kannst, wenn du denn mal in diese Rolle schlüpfen musst.« Das Gesicht des Jungen schwankt kurz