Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches. Norbert Wibben

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Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches - Norbert Wibben Anna Q

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mit anderen spricht. Ich bin bisher eine Ausnahme, obwohl ich lediglich einmal als junges Mädchen dort gewesen bin. Seit einigen Wochen redet er auch immer wieder mit Anna, besonders deshalb, weil das Rätsel um Seid Greif gelöst werden muss.«

      »Ich befürchte, dass eine große Gefahr von diesem Mann ausgeht!« Das Hereinkommen des Professors haben sie überhört. Ob seine eindringlichen Worte sie deshalb erschauern lassen, ist nicht klar. Ihre Blicke richten sich auf ihn, der auf einem Tablett vier dampfende, große Tassen trägt. Er reicht jedem eine davon, die angenehm nach heißer Schokolade und etwas Zimt duftet. »Aber jetzt trinken wir erst einmal von diesem wunderbaren Getränk. – Habe ich euch schon verraten, dass ich ein Geheimrezept dafür nutze? Hm, möglicherweise habe ich das. – Sobald sich dessen Wärme wohltuend in unseren Körpern ausbreitet, werden Morwenna und ich euch mitteilen, was wir bisher erfahren haben.«

      Anna fühlt sich unbehaglich. Woher kommt nur das Gefühl, die Situation bereits einmal erlebt zu haben? Ihr Kopf ruckt nach oben. Was war das soeben für ein Schrei? Sie sucht den Himmel ab. Dort ist nichts Ungewöhnliches zu entdecken! Doch halt! In der Ferne ist knapp oberhalb des Horizonts, in dem leicht bläulichen Morgendunst ein kleiner Punkt wahrzunehmen! Verändert er seine Größe, bewegt er sich, oder warum zieht er ihre Aufmerksamkeit auf sich? Nach mehreren Augenblicken ist sie überzeugt, dass er langsam größer wird. Mit dieser erschreckenden Erkenntnis schafft sie es endlich, ihren Blick von dort in die nähere Umgebung zu richten. Hastig hält sie Ausschau nach einem Versteck, ohne eine Ahnung zu haben, wo sie in der unwirtlichen Gegend dieses Berggipfels einen nur annähernd dafür geeigneten Platz finden soll. Anna schaut zu dem dunklen Höhleneingang, aus dem sie vorhin herausgetreten ist, als ein erster, schriller Schrei in ihr Bewusstsein dringt. Könnte sie darin sicher sein? Falls sich ihre Vermutung bestätigt, dass ein Eisdrache hierher unterwegs ist, versucht sie ihr Heil besser in einer schnellen Flucht. Sie muss einen möglichst großen Abstand zu diesem Ort schaffen, bevor das Untier ihn erreicht hat. Dessen Vermögen, geringe Spuren von Wärme wahrzunehmen und so Opfern zu folgen, ist etwas, was Annas Unruhe steigert.

      Ihr Blick richtet sich auf einen verzierten Elfenbogen und den Köcher mit Pfeilen, die sie mit einer Hand umklammert hält. Einen Moment überlegt sie, ob sie aus der vermeintlichen Sicherheit der Höhle einen gezielten Schuss auf die Unterseite des Drachen abgeben sollte. Ihre linke Hand beginnt unbewusst einen gefiederten Schaft herauszuziehen, um ihn auf die Sehne zu legen, als ein neuer Schrei zu ihr herüberweht.

      Sofort kneift das Mädchen die Augen zusammen. Die Sonne ist im Osten hinter weiteren Bergkuppen erschienen, wo soeben noch der größer werdende Punkt zu sehen war. Die grellen Strahlen blenden. Sollte von dort ein gefährlicher Drache herannahen? Annas Blick schweift hastig über die schroffe Landschaft. Sie hofft weiter auf den Hinweis für ein geeignetes Versteck. Große Bäume gibt es hier nicht, lediglich verkümmerte Exemplare, die weiter unten als Windflüchter zu sehen sind. Einige zerzauste Büsche sind oberhalb der Baumgrenze zu erkennen. Es ist hauptsächlich Ginster, dessen gelbe Blüten komischerweise auf das Mädchen ermutigend wirken. Etwa so, als wollten sie sagen: Schau her und fasse Mut, der Frühling ist gekommen und vertreibt die kalte Winterzeit.

      Das Mädchen schüttelt den Kopf. Was sollen diese Gedanken? Nur weil die Sonne die Kälte des Winters vertreibt und die Büsche neu erblühen lässt, wird das Zusammentreffen eines Kindes mit einem gefährlichen Eisdrachen nicht ebenso positiv verlaufen. Um das zu überstehen, hilft nur schnellste Flucht!

      Gleich darauf schrickt Anna zusammen. Ein neuer hoher, schriller Ton zerreißt die morgendliche Stille. Ihre Augen werden zu schmalen Schlitzen und suchen trotz Gegenlicht nach der Kreatur, die voller Selbstvertrauen ihre Herausforderung laut kundtut. Das Mädchen spürt ein Kribbeln auf der Kopfhaut. Hat es zu lange gezögert und dadurch wertvolle Zeit verspielt? Jetzt sind aus dem einen drei Punkte am Himmel geworden, die scheinbar direkt aus der Sonne kommend, heranrasen. Das gibt den Ausschlag. Gegen einen Drachen könnte Anna mit viel Glück einen tödlichen Schuss platzieren, bei dreien wäre bereits der Versuch ihr Todesurteil.

      Mit grimmigem Gesichtsausdruck rennt sie den Berghang hinab. Auch wenn sie bisher kein Versteck entdeckt hat, heißt das nicht, dass sie keines finden wird. Sie weicht Unebenheiten auf dem Pfad aus, macht einen kleinen Satz zur Seite, rutscht kurz aus, fängt sich wieder und weiter geht es. Wieso kommt ihr plötzlich in den Kopf, dass sie als Rabe oder Waldkauz schneller vorankommen würde? Wie sollte sie deren Gestalt annehmen können?

      Ihre Flucht führt im Zickzack vom steilen Berggipfel hinab. Erneut schrillen Schreie durch die Luft. Sie klingen so laut, dass die Wesen, die sie ausstoßen, fast direkt über dem Mädchen sein müssen. Das Herz klopft heftig, und eisige Schauer rieseln über seinen Rücken. Am Himmel nach den Kreaturen zu suchen, traut es sich nicht. Ein Stolpern über die vielen Unebenheiten des Bodens wäre die sichere Folge. Jetzt ist eine schnelle Flucht vor diesen Ungeheuern wichtiger.

      Anna erschauert. Wie konnte sie nur so töricht sein? Hatte sie tatsächlich auf einer Bergkuppe übernachtet und dort unbedacht ein Feuer entzündet? Das musste in der Nacht weithin sichtbar gewesen sein und hat vermutlich dadurch die Feinde herbeigelockt! Anna weicht ersten, verkrüppelten Büschen aus, die an einigen Stellen sogar den Pfad überwuchern. Sie zuckt unwillkürlich bei dem nächsten lauten Schrei zusammen, duckt sich und zieht die Schultern hoch. Das ist bei diesem halsbrecherischen Lauf eine unbedachte Bewegung. Prompt stolpert sie über einen kleinen Busch, den sie so nicht überspringen kann. Ihr Versuch, den Sturz abzufangen, misslingt völlig. Mit rudernden Armen schlägt sie der Länge nach hin. Mit dem Kopf voraus rutscht Anna über Flechten und Geröll. In der nächsten Kehre des kaum sichtbaren Pfades schießt sie wie ein Geschoss geradeaus. Einen kurzen Moment fliegt sie durch die Luft, bevor sie in einen hohen Stechginsterbusch kracht, der ihr Gesicht zerkratzt.

      Die Rutschpartie wird dadurch abrupt gestoppt. Ächzend windet sich das Mädchen aus dem Gebüsch. Angstvoll richten sich seine Augen zum Himmel und suchen nach den Drachen. Das Rauschen großer Flughäute und erneutes Kreischen ziehen den Blick unweigerlich zur Bergkuppe. Drei riesige Eisdrachen umzingeln sie und den Höhleneingang. Im nächsten Augenblick zischen von ihnen geschleuderte Eisspeere in den Eingang. Eines dieser Wurfgeschosse, das eine besonders widerwärtig aussehende, gezackte Spitze hat, wird zielsicher hineingejagt, wo letzte Wärmespuren vom erloschenen Feuer zu ahnen sein müssen. Sofort zischt es und weißer Wasserdampf dringt aus der Höhle heraus. Sollte die Feuerstelle derart heiß gewesen sein? Das wäre gut, weil dadurch die dagegen geringere Temperatur des Mädchens und die von ihm hinterlassene Spur verdeckt werden. Eisdrachen können Wärme besser wahrnehmen als Hunde die Witterung eines Kaninchens.

      Da dreht einer der Lindwürmer seinen weißen Kopf in die Richtung, in die das Mädchen geflüchtet ist. Sollte er ihre Fährte hangabwärts wahrnehmen? Sein schriller Schrei durchschneidet die kühle Morgenluft. Er klingt wie zerberstendes Eis. Der Drache stößt weißen Atem aus, der die Bergflanke mit Schneekristallen überzieht. Anna überlegt, ob sie sich besser still verhalten oder aufspringen und weiterrennen soll. Die Köpfe der beiden anderen rucken herum. Eisblaue Augen, mit darin loderndem, silbernem Feuer, blicken starr. Plötzlich meint das Mädchen, von ihnen gesehen zu werden. Es will aufspringen und fortlaufen, doch irgendetwas lähmt die Beine. Sie versagen einfach ihren Dienst! Die Drachen kreischen erneut und schwingen sich in die Luft. Sie breiten ihre Flughäute aus und segeln schnell heran. Ein Schwall weißer Luft umhüllt Anna. Sie kneift die Augen zu, um die herannahende Gefahr auszusperren.

      Plötzlich stutzt sie. Ob es an der Kälte des eisigen Atems liegen mag, dass das Brennen des zerkratzten Gesichts und der Arme jetzt unerwartet nachlässt?

      Anna streckt die Hände vor sich und öffnet mit Anstrengung ihre Augen. Sie richtet sich auf – und befindet sich im Bett! Das Herz klopft wild und ein gieriger Atemzug beweist, dass sie unwillkürlich die Luft angehalten hat. Wollte

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