Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches - Norbert Wibben страница 10
»Das ist für mich kein Problem. Du bist unsere Leiterin im Schachclub. Wir verkehren in der Bibliothek für alle sichtbar freundschaftlich miteinander. Und außerdem sind wir nicht nur Freunde, sondern auch Verbündete. Und das ist der Grund, warum ich dich sprechen muss.«
»Schsch. Bitte warte, bis wir nicht belauscht werden können! Sobald wir bei Iain Raven sitzen, unterhalten wir uns.« Im Weiterlaufen gibt die Professorin nun doch Annas Schulter frei. Die erstaunten Blicke entgegenkommender Schüler drücken widersprüchliche Gedanken aus, doch darauf achten weder Morwenna noch das Mädchen. Beim Büro des Schulleiters angekommen, treten beide durch die erste Tür. Die Professorin öffnet, ohne anzuklopfen, die zweite Eichentür in das Büro und beginnt bereits im Eintreten zu reden. »Iain, Anna weiß über das Geheimnis des … Iain? Wo steckst du?«
Der Raum scheint leer zu sein, doch das ist er nicht. Ein heftiges Schnaufen ist hinter einem Sessel zu vernehmen, aus dem sich jetzt der Schulleiter erhebt.
»W… was ist los? Ach, Morwenna und Anna! Hm. Sind wir hier verabredet? Ich meinte, wir hätten gestern Nacht alles Wesentliche erörtert.« Sein Blick ist fragend auf seine Besucher gerichtet. Er war offenbar im Sessel eingeschlafen, deshalb wiederholt die Bibliothekarin ihre ersten Worte.
»Anna weiß Bescheid, sie kennt das Geheimnis des Haselbusches.« Sofort korrigiert das Mädchen diese Behauptung.
»Das ist so nicht richtig. Ich sagte, dass mir etwas Wichtiges eingefallen sei, wonach ich verzweifelt suchte. Es geht um das Geheimnis des Haselbusches.«
»Hm«, beginnt der Schulleiter, »das ist nicht das Gleiche«, und blickt seine Besucherinnen abwechselnd an.
»Da war ich wohl etwas voreilig«, räumt die Professorin ein. »Das liegt vermutlich daran, dass ich gerade heute Morgen Wichtiges entdeckte, und das dreht sich um ein Buch.« Verlegen und leicht beschämt über ihre unbedachte Reaktion setzt sie sich in einen der vor dem Kamin stehenden Sessel. »Ich habe uns jetzt vermutlich völlig unnötig um das Frühstück gebracht. Kannst du mir verzeihen?« Ihr Blick sucht den von Anna.
»Es gibt nichts zu verzeihen. Ich hatte einen fürchterlichen Traum und direkt danach besuchte mich Ainoa. Das war gegen Morgen. Die Elfe teilte mir Ereignisse mit, die im Zusammenhang mit der Suche nach Informationen wichtig sein könnten. Im Anschluss suchte ich nach etwas, was mir absolut nicht einfallen wollte. Es handelt sich um das Geheimnis des Haselbusches, nach dem der Cythraul offenbar forscht. Ich vermute, dass er Seid Greif ist, aber das wird Ainoa bei Katherin zu klären versuchen. Möglicherweise müssen wir zusammen in den Norden reisen, um das zu überprüfen.«
»Nun, nun«, beginnt Iain Raven, »es ist vermutlich besser, wenn du uns zuerst berichtest, was ihr, Ainoa und du, besprochen habt. Bisher verstehe ich nicht, worum es geht.«
»Aber, habe ich das nicht bereits …?« Anna blickt die Erwachsenen an und nickt. »Stimmt. Ich bin wohl etwas durcheinander.« Sie atmet bewusst ein und aus und versucht dann, das Gespräch in den wesentlichen Bestandteilen wiederzugeben. Anschließend fasst sie zusammen. »Ich wollte dich, Morwenna, fragen, ob dir etwas über ein Geheimnis des Haselbusches bekannt ist. Wenn der Cythraul sich derart auffällig verhält und seine Kenntnisse daher rühren, dass er aus unserer Welt stammt, muss darüber etwas in der Literatur zu finden sein. Wichtig scheint mir, herauszubekommen, weshalb die Steinkreise bedeutend sein können.«
Der Schulleiter wirft einen Blick auf die große Uhr, die an einer Wand hängt.
»Anna, hast du heute keinen Unterricht? Du kommst längst zu spät.«
»Aber …«
»Keine Widerrede. Du kommst heute Nachmittag gegen drei Uhr erneut hierher. Morwenna wird dann ebenfalls hier sein und uns berichten, was sie so früh am Tag entdeckt hat.« Als diese zustimmend nickt, springt das Mädchen widerstrebend auf.
»Na gut!« Sie eilt aus dem Raum und überlegt, während sie durch den Flur eilt, welchen Grund sie für ihre Verspätung angeben soll. Im Klassenraum angekommen schließt sie leise und vorsichtig die Tür. Die Worte der Entschuldigung liegen ihr bereits auf der Zunge, als sie erkennt, dass sie nicht bemerkt worden ist. Leise hastet sie nach vorne, um sich in eine Bank der dritten Reihe zu setzen. Ihre Mitschüler schauen zwar verwundert, verpetzen sie jedoch nicht. Nur Tuscheln ist an verschiedenen Stellen zu vernehmen. Der Professor für Muttersprache hat nichts von Annas Verspätung mitbekommen, da er in die Lektüre eines Blattes vertieft ist, das er jetzt mit einem zufriedenen Lächeln auf einen Stapel gleicher Papiere zurücklegt. Anna hat es sich soeben bequem gemacht, als sein Blick auf ihr ruht.
»Also, ja. Ich habe mir eure Arbeiten angesehen.« Seine Augen wandern zu einem anderen Schüler. »Dabei habe ich festgestellt, …« Die Pause legt er gekonnt ein, um eine größere Aufmerksamkeit zu erhalten. »…, dass ihr Erstaunliches geleistet habt.« Erneut wandert sein Blick zu einem anderen Kind. »Deshalb freue ich mich, alle, …« Pause. »…bis auf eine Arbeit, mit einem »Gelungen!« oder »Ausgezeichnet!« bewerten zu dürfen.« Der nächste Schüler wird von ihm fixiert. »Diese besagte Ausarbeitung …« Pause. Die Augen wandern weiter. »… muss mit anderen Maßstäben betrachtet werden.« Eine erneute Unterbrechung lässt die Spannung steigen. Bedeutet das jetzt etwas Positives oder doch eher Schlechtes? Und, was die Kinder noch viel brennender interessiert, wer von ihnen hat die Ausnahme geschaffen?
Endlich räuspert sich der Professor, während seine Augen zum nächsten Schüler wandern. »In euren Reihen gibt es offenbar einen begabten Geschichtenerzähler mit großer Fantasie.« Pause. Anna schluckt. Ihre Geschichte über den Kolkraben und eine Schleiereule, die sich einen Schlafplatz teilen, hatte ihr bereits ein Lob eingebracht. Sollte die Erzählung über einen Feuerdrachen, der bei den Elfen aufgewachsen ist, erneut gut angekommen sein? Anna hatte lediglich das aufgeschrieben, was sie von Katherin und Saphira über Dragon-tan im Besonderen, und das normale Verhältnis von Drachen und Elfen im Allgemeinen, erfahren hat. »Ich freue mich, Anna als die begabteste Geschichtenerzählerin nennen zu können.« Jetzt blicken die braunen Augen sie erneut an. »Du bekommst ein »Außergewöhnlich ohne Gleichen!«, und das mit vollem Recht. Woher kommen nur deine Gedanken? Und dann verleihst du den Geschöpfen noch passende Namen! Ich bin begeistert. – Liest du uns bitte die Geschichte vor? Deine Mitschüler sollen erkennen, warum du dieses Lob verdient hast.« Er kommt mit den obersten Seiten des Stapels auf Anna zu und reicht ihr die Blätter. Die genannte Bewertung steht in großen Buchstaben in der obersten Zeile. Anna erhebt sich und senkt verlegen den Kopf. Eine leichte Röte zieht ihren Hals hinauf. Sie bedankt sich mit leiser Stimme, aber freudig glänzenden Augen, dann will sie sich wieder setzen.
»Nein, mein Kind. Komm bitte nach vorne, setz dich auf meinen Platz und lies die Geschichte vor!« Anna hätte alles andere lieber gemacht, doch ihr bleibt keine Wahl. Sie folgt dem Professor mit zögernden Schritten, bekommt den Stuhl zurechtgerückt und lässt sich darauf nieder. Ihr Blick wandert kurz durch die Klasse. Einige Schüler lächeln sie erwartungsvoll an, andere wirken gelangweilt, und zwei schauen aus dem Fenster.
Anna liest die ersten Worte mit leiser und unsicherer Stimme. Der Lehrer ermahnt sie, lauter zu reden, was einen Kloß in ihrem Hals bewirkt. Sie hustet und würgt, schließt kurz die Augen und konzentriert sich dann nur noch auf das Papier in ihren Händen. Sollen die anderen doch lachen, wenn ihnen danach zu Mute ist, weil sie sie für eine Spinnerin halten. Sie weiß, dass sie lediglich etwas Wahres berichtet. Anna atmet tief ein und aus, bevor sie mit fester und lauter Stimme beginnt.
Pünktlich um drei Uhr steht Anna im Büro von Professor Raven. Morwenna trifft kurz nach ihr ein. Als sie Platz genommen haben, beginnt das Mädchen erwartungsvoll.
»Nach