Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches. Norbert Wibben

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Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches - Norbert Wibben Anna Q

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sie gleich morgen früh aufsuchen. Berichtest du mir, was ihr bisher herausgefunden habt?«

      Anna denkt an die lange Besprechung in Iain Ravens Haus vom vergangenen Abend. Sie weiß, dass ihr Bericht nicht besonders kurz sein wird, versucht ihn jedoch soweit möglich zu raffen.

      »Die Informationssuche ist bisher erfolglos verlaufen. Als Ausgangspunkt wurde Augustus Back genommen, der den Park des Internats gestaltet hat. Aus seinem Leben ist nicht viel bekannt, zumindest gibt es in unserer Bibliothek kaum Aufzeichnungen über ihn. Er hat während der Ausbildung für einige Gastsemester in einer bekannten Universitätsstadt studiert. Damals muss etwas vorgefallen sein, da er von dort für lange Zeit spurlos verschwand. Bisher fehlt von möglichen Verwandten jede Spur. Da weder Eltern oder Geschwister bekannt sind, ist Professor Mulham für Nachforschungen direkt in diese Stadt gereist.

      In alten Aufzeichnungen fand sie einen Vermerk, dass Augustus Back die Tochter eines Dekans verführt haben soll. Bei der Verfolgung dieser Spur, die sie in eine bekannte Bibliothek führte, traf Morwenna auf eine ehemalige Studienkollegin, die zeitweise dort als Bibliothekarin arbeitet. Nach der langen Zeit hatten sich Innocent Green und sie viel zu erzählen, zumal es außer ihrem Beruf eine weitere Parallele im Leben der Frauen gibt. Der Schachclub eines Internats wird von Professor Green geleitet und schnell befanden sie sich in einer angeregten Diskussion. Sie verlegten den Ort ihrer Unterhaltung in eine Teestube und verbrachten dort den Nachmittag. Die Recherche wurde leider nicht bis zum möglichen Ende durchgeführt, da Professor Mulham in großer Eile den letzten Zug erwischen musste. Aber die beiden haben einen Termin für einen Vergleichswettkampf zwischen den Schachteams vereinbart. An dem dafür vorgesehenen Wochenende wird Morwenna die Möglichkeit haben, außerhalb der Öffnungszeiten in der Bibliothek weiterzuforschen.«

      »Das hört sich gut an. Wann ist es soweit? Ich hoffe, dass uns der Cythraul nicht vorher eine unangenehme Überraschung bereitet. Er könnte eine Möglichkeit entdeckt haben, wie er den Übergang in eure Welt bewältigen kann. Er sucht nicht umsonst derart angestrengt in den Steinkreisen, die eine besondere Mystik ausstrahlen.«

      »Ich finde diese alten Anlagen auch geheimnisvoll, aber ob sie eine Verbindung in unsere Welt darstellen? Hm. Ich spreche Morwenna darauf an, vielleicht hat sie eine Idee. – Der Wettkampf findet in etwa zwei Wochen statt. Die Zeit bis dahin hört sich nicht so lang an, trotzdem wäre mir wohler, wenn die mögliche Verwandtschaft schneller geklärt werden könnte!«

      »Bietet uns eine familiäre Bindung Vorteile? Und was ist, wenn Seid Greif nicht mit Augustus Back verwandt ist? Wie können wir überhaupt gegen den Cythraul vorgehen, egal ob er von hier stammt oder nicht? Er ändert die Gestalt, wie es ihm beliebt. Er wird zur wilden Bestie mit riesigen Kräften, die alles Erreichbare um sich herum zerstört. Im nächsten Augenblick ist er ein harmlos aussehender älterer Mann, der in der Menge untertaucht, ohne eine Entdeckung befürchten zu müssen.«

      »Ich hoffe, wir finden durch eine bestätigte Verwandtschaft einen Ansatz, wie diesem Ungeheuer beizukommen ist. Was wir im anderen Fall machen können? Ich weiß es nicht. Das überlegen wir, wenn es so weit ist. Einverstanden?«

      »Ich stimme dir notgedrungen zu. Ich werde Katherin bitten, jedes Bisschen an Informationen von den Elfen des Nordens zu sammeln. Außerdem soll sie den Elfenrat zusammenrufen. Wir müssen eine Abwehrstrategie entwickeln. Vielleicht sollten wir alle Übergänge mit zusätzlichen Zaubern sichern. Hm. Aber möglicherweise dauert das länger, als uns lieb ist.«

      Die Freundinnen drehen ihre Köpfe erstaunt zum Fenster. Immer lauteres Vogelgezwitscher erklingt von draußen und kündet den baldigen Morgen an. Tatsächlich ist es auch bereits nicht mehr so dunkel.

      »Ainoa, du kannst dich am besten sofort zu Katherin auf den Weg machen. Vielleicht solltest du in den Norden reisen, um einen Blick auf den Cythraul zu werfen. Möglicherweise erkennst du diesen Mann als Seid Greif. Warte!« Erschrocken unterbricht sich Anna und streckt eine Hand aus, als ein feines, bläuliches Flirren den Kolkraben umgibt. »Wechsele nicht sofort in eure Welt. Wenn du dich auf die Suche in den Norden begibst, möchte ich dich unbedingt begleiten. Ich würde mir ewig Vorwürfe machen, wenn dir beim Nachspüren dieses Ungeheuers etwas passiert. Zusammen sind wir vermutlich nicht unbesiegbar, aber auf jeden Fall ein eingespieltes Team, oder nicht?« Ein entschuldigendes Lächeln umspielt Annas Lippen, als sie forschend zu Ainoa schaut. Die gemeinsame und erfolgreich verlaufene Suche nach Saphira ist noch nicht allzu lange her.

      »Ich habe mich schon gewundert, ob du mich wirklich allein dorthin schicken willst.« Ein keckerndes Krächzen schallt laut durch das Zimmer. Das Mädchen hält sofort einen erhobenen Finger vor seine Lippen, woraufhin die Elfe etwas zerknirscht erwidert: »Ja, ja. Ich weiß, ich soll nicht so laut sein! – Ich werde jetzt zu Katherin wechseln. Falls ich den Auftrag zur Suche im Norden bekomme, hole ich dich ab. Versprochen!«

      »Danke!«

      Im nächsten Moment flirrt die Luft um den Kolkraben und hüllt ihn mit einem bläulichen Schimmer ein, dann ist Ainoa verschwunden. Die Lichtkugel unter der Zimmerdecke erlischt ebenfalls. Die Dunkelheit wirkt zuerst größer als bisher, dann erhellt die Morgendämmerung die Gegenstände in dem kleinen Raum.

      Anna überlegt, was sie jetzt machen soll. Zum Einschlafen ist sie zu aufgeregt. Irgendetwas von der Unterhaltung spukt ihr im Kopf herum. Es war ein Satz oder doch eher ein Detail, ein Begriff? Aber jedes Mal, wenn sie den Gedanken fast zu fassen bekommt, entschwindet er wieder. Anna fühlt sich unbehaglich, denn das, was sie nicht klar zu erkennen vermag, stellt einen wichtigen Hinweis dar, ist sie sicher. Wie sie es auch früher schon gemacht hat, versucht sie nicht, weiter nach diesem Gedanken zu forschen. Sie weiß, wenn sie sich mit etwas Anderem beschäftigt, wird sie urplötzlich wissen, worum es sich handelt.

      Also konzentriert sie sich auf Schach. Das Mädchen spielt in Gedanken eine Partie Zug um Zug durch, bei der sie es fast geschafft hätte, Alexander zu schlagen. Es will die Stelle finden, an der ein anderer Spielzug erfolgversprechender gewesen wäre.

      Noch vor dem Frühstück versucht Anna, Morwenna Mulham zu treffen, um von der Unterhaltung mit Ainoa zu berichten. Das gelingt ihr, als sie vor dem Speisesaal auf die Professorin wartet. Diese fragt erschrocken, was so früh am Morgen passiert sei und offenbar bei der Schülerin eine große Besorgnis hervorgerufen hat. Das vermutet Morwenna, weil Anna bei ihrem Zusammentreffen ihren Mund zwar öffnet, dann jedoch sprachlos verharrt. Auf dem Gesicht der Schülerin breitet sich ein zufriedenes Lächeln aus. Hellblaue Pünktchen in ihrer grauen Iris scheinen dabei zu leuchten. Das geschieht manchmal bei Aufregung, dann wirken sie wie kleine Sterne. Das Mädchen mit der jungenhaften Figur und einigen Sommersprossen auf und um die gerade, schmale Nase herum, streicht die schulterlangen, blonden Haare rechts und links hinter die Ohren.

      »Morwenna, mir ist gerade etwas Wichtiges eingefallen, worüber ich verzweifelt im Bett nachgedacht habe. Es geht um das Geheimnis des Haselbusches.« Die darauffolgende Reaktion verläuft anders, als von Anna erwartet. Es gibt keinen verständnislosen Blick, der ungläubig und fragend auf eine Erklärung wartet. Nein. Stattdessen wird das Kind an beiden Schultern gefasst.

      »Was? Woher weißt du?« Das Erstaunen im Gesicht der Professorin ist vollkommen. Ihre hellgrauen Augen, blicken weit aufgerissen durch die Brille mit den großen Gläsern. Die hagere Gestalt beugt sich zur kleineren der Schülerin hinab und flüstert: »Wir gehen besser zu Iain Raven ins Büro. Das ist nichts für die Ohren anderer.« Ohne eine Antwort abzuwarten, richtet sie sich wieder auf, dreht sich um und eilt mit Anna durch den Flur. Als ihnen Schüler begegnen, deren Blicke andeuten, dass sie eine anstehende Bestrafung des Mädchens zu erwarten meinen, lässt Morwenna die umfasste Schulter nicht los. Dass sie befürchtet, Anna würde nicht mitgehen,

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