Hoffentlich musst du nicht in den Krieg. Gerhard Ebert

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Hoffentlich musst du nicht in den Krieg - Gerhard Ebert

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aber die Sache war völlig harmlos. In der Tür des Häuschens, an dem sie vorbei mussten, stand ein Herr in Uniform, lächelte Tom zu und zeigte sonst keinerlei Regung. Also liefen sie beide nach freundlichem, etwas scheuem Gruß an dem Herrn und am Zoll vorbei. Jetzt waren sie richtig im Hafen.

      Schiffe. Viele Schiffe. Große, kleine, ganz verschiedene. Und Kräne, die sich unentwegt bewegten. Die einen hievten Waren, große Ballen zum Beispiel, auf ein Schiff, andere brachten aus großen Luken der Dampfer gewaltige Bündel von Säcken hervor, die sie auf Eisenbahn-Waggons luden, die auf Schienen gleich neben dem Hafenbecken standen. Alles schien völlig durcheinander zu gehen. Matrosen, manche schwarz wie die Nacht, riefen irgendwelche Kommandos hoch zu Männern in Kabinen, von denen aus sie die Kräne dirigierten. Im Wasser tuckerten kleine Kähne hin und her. Drüben auf der anderen Seite, Tom konnte es zwischen zwei Schiffen gerade noch sehen, zerrte ein kleiner Dampfer einen großen weg von der Hafenmauer.

      "Der Kleine ist ein Schlepper“, meinte Opa, „der zieht den Großen in die Fahrrinne. Der ist neu beladen und schwimmt dann mit eigener Kraft die Weser runter."

      Plötzlich regnete es Haselnüsse auf sie herab. Über ihnen schwenkte ein Kran ein Bündel Säcke, von denen einer ein Loch hatte, aus dem bereits entschalte Nüsse herausquollen.

      "Schnell, die sind ja pur", rief Opa, bückte sich, sammelte Nüsse auf und steckte sie sich in die Hosentasche. Tom tat es ihm gleich. Im Nu hatten sie alle Taschen gefüllt, die sich an ihrer Kleidung auffinden ließen. Tom, dem plötzlich Bedenken kamen, schaute hoch zu dem Kranführer. Der winkte und lachte. Na, wenn das so ist, dachte Tom.

      "Genug jetzt!" meinte Opa, und sie bummelten weiter, nun Nüsse mampfend.

      Die ungewöhnlichen exotischen Gerüche des Hafens nach Meer, Öl, Fisch, undefinierbar eigentlich, imponierten Tom. Sie regten ihn an, brachten irgendwie die große weite Welt ganz nah. Und die Schiffe dazu aus allen möglichen Ländern entfachten Sehnsucht nach fernen Gestaden. Leider kannte er die Flaggen nicht, die hinten an den Schiffen baumelten. Opa wusste ein bisschen besser Bescheid. Er sprach von Frankreich, Spanien und England. Aber alle kannte er auch nicht.

      „Der kommt bestimmt aus Afrika“, meinte er bei einem Pott, auf dem deutlich nur ganz fremde Leute arbeiteten. Es waren das ja tatsächlich von Hautfarbe völlig schwarze und nicht etwa ölverschmiert schmutzige Männer. Tom war das schon ein bisschen unheimlich. Er hatte so einen richtig rabenschwarzen Afrikaner, so einen lebendigen Mohren, noch nie gesehen. Und hier liefen die auf ihren Schiffen einfach so herum wie normale Menschen. Es fehlte noch, dass einer lang kam zwischen den Waggons. Ob das gut gehen würde? Zum Glück waren sie jetzt am Ende des Kais angelangt, und Opa riet zur Rückkehr, nachdem sie noch gewartet hatten, bis das Schiff, das ein Schlepper hinaus bugsierte, hinter einer Biegung verschwunden war.

      Als sie auf ihrem Rückweg das Schiff mit den rabenschwarzen Männern hinter sich ließen, wurde Tom wohler. Aber da! Bei einem anderen Dampfer! Aus einem geöffneten Bullauge, kaum einen halben Meter über der Kaimauer, also genau in Toms Höhe, lachte ihn ein dunkelhäutiger Mann mit dicken roten Lippen und weißen Zähnen an und winkte ihn zu sich. Tom erstarrte.

      "Na, geh schon", hörte er Opa sagen.

      Der Mann in dem Bullauge schwadronierte irgendein unverständliches Zeug und streckte ihm eine große Banane hin. Was tun, wenn der unheimliche Kerl aus seinem komischen Loch einfach heraus fassen, ihn brutal packen und menschenfresserisch hineinzerren würde in das Schiff? Tom war äußerst mulmig im Bauch und weich in den Beinen. Weit und breit war keine Hilfe. Man würde sein Verschwinden überhaupt nicht bemerken. Noch ehe sein alter Opa die Polizei geholt hätte, wäre er, Tom, vielleicht schon geschlachtet und – in kleine Stücke zerteilt – in einem kochenden Kessel zu Gulasch verarbeitet worden. Während ihm dieses mögliche grausame Schicksal durch den Kopf schoss, trat er doch näher heran, sah trotz aller Aufregung sogar an dem rabenschwarzen Mann vorbei ins Schiffsinnere, das wie eine Küche aussah. Dunkle Gestalten hantierten mit blanken Messern. Er zitterte und zögerte, nach der Banane zu fassen.

      "Du, guter Junge!" sagte der schwarze Mann plötzlich und streckte ihm demonstrativ die Banane entgegen, wobei er noch immer lachte. Dies Lachen war unergründlich. Tom schien, der Fremde lachte über ihn, weil er Toms Angst spürte und sich über ihn amüsierte. Aber dann schien ihm auch, er lache einfach fröhlich und ohne jeden bösen Hintergedanken. Tom fasste sich ein Herz, ergriff die Banane, sagte erregt "Danke!“ und machte prompt kehrt. Jetzt aber lachte der schwarze Mann in dem Bullauge unverhohlen laut und schallend, und Tom empfand fast so etwas wie eine Demütigung.

      Hatte Tom nicht Grund, Angst zu haben? Schließlich kam er aus einer Gegend im Lande, wo Mohren wirklich nur in Büchern und neuerdings vielleicht auch mal im Kino vorkamen. Solch total schwarzer Mensch war ein Bösewicht. Anders konnte es doch gar nicht sein. Und wenn er an seine Tante Luise dachte, Muttis älteste Schwester, die daheim im Elternhaus wohnte, dann hörte er sie mahnend sagen: "Von so einem finsteren Kerl nimmt man überhaupt nichts!"

      "Komm", sagte jetzt Opa, griff nach der Banane und ergänzte: "Die iss mal lieber nicht!" Er schaute sich kurz um und warf das unschuldige Ding in hohem Bogen ins Wasser. Das schien nun Tom übertrieben, denn innen war die Banane ja nicht berührt worden. Außerdem hatte er jetzt echt Appetit gehabt.

      "Das können wir noch immer selber kaufen", brummte Opa, der spürte, dass sein Enkel mit seiner Entscheidung nicht so ganz einverstanden war. Tom dachte, warum hatte Opa ihn erst an den Kerl rangelassen, wenn er jetzt auf das bisschen Banane böse war. Er ging einige Schritte von Opa weg und maulte.

      Als sie auf ihrem Rückweg nun wieder an dem Schiff vorbeikamen, bei dem es Haselnüsse geregnet hatte, lagen da noch immer allerhand herum. Tom bückte sich, eine Hosentasche hatte sich schon ziemlich geleert inzwischen. Aber Opa hielt ihn jetzt barsch zurück.

      "Lass das!" sagte er gebieterisch, „wir müssen durch den Zoll!"

      Das hatte Tom ganz und gar vergessen.

      "Iss mal schnell noch paar, damit die Taschen nicht so prall aussehen", ergänzte Opa und schob sich eine Portion in den Mund. Außerdem sortierte er seine Taschen um, verteilte die Beute so, dass möglichst nichts zu sehen war.

      "Müssen wir ins Gefängnis?" fragte Tom.

      "So schlimm wird es hoffentlich nicht werden", meinte Opa.

      Nun hatte Tom keinen Bock mehr auf den Hafen. Opa wollte eine Biege machen, damit sie noch bisschen was verspachteln konnten. Aber Tom interessierte sich nur noch für den Zoll. Wofür war der überhaupt nütze? Er löcherte Opa und erfuhr, dass so ein Hafen ein sogenannter Freihafen ist, weil nämlich eine Art Ausland, so dass Waren auch nur zwischengelagert werden können, also im Grunde von dem einen Schiff in ein anderes umgeladen werden, so dass sie gar nicht in Deutschland zum Verkauf kommen, sondern sonst wo auf der Welt. Das hängt alles mit den Preisen zusammen, meinte Opa, und damit, dass der Staat mit Hilfe des Zolls bei dem Handel auch etwas verdient, ohne etwas zu tun.

      "Und wer bezahlt den Hafen?" fragte Tom.

      "Wahrscheinlich wird vom Zoll dafür etwas abgezweigt", antwortete Opa. Aber so ganz genau wisse er das auch nicht.

      Inzwischen waren sie dem Ausgang und dem Zollhäuschen so nahe gekommen, dass jedes Zögern auffallen musste. Beide, Opa und Tom, dachten jetzt, aller Augen, vor allem die der Zöllner, wären auf sie gerichtet. Opa schwitzte, wischte um Stirn und Hals mit dem Taschentuch.

      "Los jetzt!" sagte er und schritt hastig voran. Tom folgte und war so aufgeregt, dass er vergaß, noch einmal zurück in den Hafen und zu den Schiffen zu schauen. Als sie fast schon bei dem gelangweilten Zöllner angelangt waren, der offenbar nichts anderes zu tun

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