Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018 - Alfred Bekker страница 9
Es war Kakteenmarmelade, und sie empfand sie als ziemlich bitter. Aber es gab hier nichts anderes.
Er setzte sich zu ihr an den Tisch.
„Guten Morgen, Elsa.“
„Guten Morgen...“
„Gut geschlafen?“
„Es ging.“
„Na ja, verständlich - nach dem, was gestern Abend geschehen ist. Du solltest die Sache so schnell wie möglich vergessen.“
„Ich versuche es. Ehrlich. Aber das ist leichter gesagt als getan. Ich habe einen ziemlichen Schrecken gekriegt...“
„Wenn wundert's?“
„Ich meine, man hat solche Dinge so oft im Kino oder im Fernsehen gesehen, aber wenn es einem dann selbst passiert. Das ist dann doch etwas ganz anderes.“
„Natürlich.“
„Möchtest du auch etwas frühstücken, Robert?“
„Nein, danke. Ich habe schon.“
Sie musterte sein Gesicht, während sie sich das Brot in den Mund schob und abbiß. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher, vielleicht war das ihre wichtigste Empfindung ihm gegenüber.
Sie fand ihn auch sonst als anziehend, aber dieses Gefühl war beherrschend.
Bei einem Mann war für sie schon immer das Wichtigste gewesen, dass er ihr ein Gefühl von Sicherheit gab. Und dass er wusste, was er wollte und was zu tun war. Ein Mann, der vorausblickte, der Gefahren kommen sah, lange vor allen anderen.
Sie sah in sein Gesicht und dachte: Ja, er weiß was er will. Dies war das Gesicht eines entschlossenen Charakters, der keinen Moment zweifelt. Jedenfalls nicht an sich. Am Rest der Welt vielleicht, aber nie an sich selbst und seiner Kraft, seiner Intelligenz und seiner Überlegenheit.
Elsa war ganz anders.
Sie zweifelte ständig an sich, an ihrem Aussehen, ihrer Figur, ihrem Charakter, ihren Fähigkeiten, ihrer Intelligenz..., an allem, was sie betraf. Alles schien perfekt und schön und gut und überlegen zu sein, nur sie nicht.
Sie wusste nicht, woher das kam, und sie mochte auch nicht darüber nachdenken. Schon gar nicht in diesem Augenblick. Nein, in diesem Augenblick, als sie Robert gegenübersaß schon gar nicht.
„Was machst du?“, fragte er plötzlich.
Seine tiefe, ruhige Stimme... Ja, es war nicht nur das Gesicht, das ihr Sicherheit vermittelte. Es war auch diese Stimme. Ein Mann, der eine solche Stimme hatte, die kein bisschen unsicher klang, der musste sich seiner Sache einfach sicher sein, der konnte keine Zweifel haben.
Diese zersetzenden Zweifel. Sie verscheuchte diesen Gedanken erst einmal erfolgreich. Sie wusste ohnehin, wohin das führte. Geradewegs in eine Depression hinein.
Sie wusste es, weil sie es schon so oft erlebt hatte. Und sie war dumm genug, es immer wieder mitzumachen.
Ihr Arzt hatte ihr geraten, in eine psychologische Beratung zu gehen, aber sie hatte das empört von sich gewiesen.
Roberts Stimme drang wie ein blitzendes Messer durch ihre trüben Gedanken und durchtrennte den Nebel, der in ihrem Inneren herrschte.
„Was ich mache? Wie meinst du das?“
„Beruflich meine ich.“
„Ach so.“
„Also?“
„Ich studiere.“
„Was?“
„Germanistik und Kunst.“
„Interessant.“
Der Klang seiner Stimme hätte jedem anderen verraten, dass er es nicht besonders interessant fand. Aber sie hörte das nicht. Sie hatte einfach keine Ohren dafür.
„Auf Lehramt?“, fragte er.
„Ja. Erst habe ich ein Magisterstudium begonnen, aber jetzt bin ich umgestiegen.“
„Warum?“
„Man muss ja schließlich irgendwann auch einmal damit anfangen, sein eigenes Geld zu verdienen.“
„Ja, das ist richtig.“
„Und was machst du, Robert?“
Sie hörte ihre Stimme seinen Namen sagen, und auf einmal klang das, was über ihre Lippen kam, ihr selbst fremd. Sie blickte auf, direkt in seine hellblauen Augen. Und sie dachte: stell ihn dir mit grauen Haaren vor, dann könnte er dein Vater sein.
Aber er hatte keine grauen Haare.
Und er war auch nicht ihr Vater. Es war einfach ein Gedanke gewesen, der sie angeflogen und nicht wieder losgelassen hatte. Dieser Gedanke sollte sie noch eine ganze Weile lang verfolgen.
„Na?“, fragte sie. Er hatte nicht sofort geantwortet. Und an seinem unbewegten Gesicht war nicht zu erkennen, worin der Grund dafür lag.
Vielleicht war es auch nur Einbildung.
Vielleicht war sie einfach zu ungeduldig.
„Geschäfte“, sagte er unverbindlich.
„Müssen ganz gut laufen, deine Geschäfte“, meinte sie und er runzelte unwillkürlich die Stirn.
„Wie kommst du darauf?“
„Nun, die Sachen, die du trägst, sind nicht gerade billig. Die Uhr da an deinem Handgelenk... Ich vermute es einfach. Du siehst aus wie jemand, der Erfolg hat und der nicht jeden Pfennig umdrehen muss, bevor er ihn ausgibt.“
Er lächelte.
„Ja, das trifft es wohl...“, murmelte er nachdenklich. Sie hoffte, dass er noch etwas Näheres dazu sagen würde.
Aber es kam nichts mehr.
Stattdessen fragte er, als er sah, dass Elsa aufgegessen hatte: „Was machen wir heute?“
„Ich weiß nicht...“
„Mein Auto steht vor der Tür. Wir können etwas in der Umgebung herumfahren!“
Sie zuckte erst mit den Schultern. Dann nickte sie.
„Okay.“
Er lächelte und zeigte dabei seine Zähne.
„Gut, dann los!“
Robert fuhr einen Landrover.
„Wow!“, staunte Elsa. „Ich habe schon immer davon geträumt, mal in so einem Ding zu sitzen!“