Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker

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sie.

      Bevor die Situation noch peinlicher werden konnte, meldete sich Marwitz’ Handy, indem es in reichlich scheppernden Akkorden den Triumphmarsch aus Aida schmetterte.

      Viel Schein, wenig Sein, dachte Berringer. Aber unglücklicherweise schien sich genau diese besondere Angeber-Spezies bestens zu vermehren.

      „Marwitz, Agentur Event Horizon – Motto: Wir machen alles möglich, aber Wunder dauern fünf Minuten länger. Was kann ich für Sie tun?“ Berringer überlegte, wie oft Marwitz diesen Spruch wohl schon heruntergerattert hatte, um ihn in dieser exorbitanten Geschwindigkeit fehlerfrei und immer noch deutlich akzentuiert über die Lippen zu bringen. Da zeigt sich der wahre Profi, dachte Berringer.

      Marwitz schien das größte Schnellsprechtalent seit Dieter Thomas Heck zu sein, doch der Fluch der späten Geburt hatte dafür gesorgt, dass seine Zeit schon vorbei gewesen war, bevor er seine Karriere hatte starten können. Der Mantel der Geschichte hatte diesen Moderatorentyp gestreift und war an ihm vorbeigegangen, und nun mussten Männer wie Frank Marwitz auf Ü-30-Partys grölende Massen unterhalten anstatt eine Samstagabendshow im ZDF zu moderieren.

      Marwitz sagte ein paar Mal knapp, zackig und ganz gegen seine ansonsten ausschweifende Diktion „Ja!“ und beendete dann das Gespräch. Dann stand er auf und sah gewichtig auf seine Armbanduhr, die zwar aussah wie eine Rolex, aber nur ein preiswertes Imitat war, wie Berringer auf den ersten Blick erkannte. In der Zeit, als er noch mit einer Polizeimarke gegen das organisierte Verbrechen gekämpft hatte, hatte er unzählige solcher Fälschungen sichergestellt. Sie wurden von kriminellen Banden über die EU-Grenzen geschleust und dann für einen Bruchteil des Preises angeboten, den ein Originalprodukt kostete.

      „Ich muss leider weg. Ich habe wider Erwarten jemanden gefunden, der mir eine PA-Anlage liefern kann.“

      „Wie ...?“, fragte Berringer.

      „PA – Public Adress. Eine Anlage zur Beschallung einer öffentlichen Veranstaltung – also mit genügend Leistung.“

      Marwitz hatte Berringer gründlich missverstanden. Berringer wusste durchaus, was eine PA-Anlage war. Er wunderte sich nur, dass sie Marwitz plötzlich wichtiger war als seine Sicherheit. Jedenfalls schien er auf einmal keinerlei Furcht mehr davor zu haben, dass man noch einen weiteren Anschlag auf ihn verüben könnte.

      „Wir sehen uns also heute Abend in der Kaiser-Friedrich-Halle“, sagte Marwitz und eilte schon Richtung Tür.

      „Wann fängt die Party denn an?“, fragte Berringer schnell.

      „Um acht. Aber ich bin schon um sieben da, und es wäre schön ...“ Den Rest bekam Berringer nicht mehr mit.

      „Seltsamer Typ“, sagte Berringer, als der Event-Manager weg war.

      „Ich fand ihn nett“, meinte Vanessa.

      „Na ja ...“ Berringer bemühte sich, nicht mit den Augen zu rollen.

      Als nächstes versuchte er Mark Lange anzurufen, um ihm zu sagen, dass er ihn am Abend unbedingt brauche. Aber Mark war nicht erreichbar. „Hat bestimmt das Handy abgestellt, damit ich ihn nicht belästige“, brummte Berringer.

      „Schreib ihm doch 'ne SMS“, schlug Vanessa vor.

      Berringer seufzte. „Bleibt mir wohl nichts anderes übrig“, knurrte er. Er hoffte nur, dass sich Mark die Nachricht auch rechtzeitig ansah. „Mit dir rechne ich natürlich auch ganz fest“, fügte er an Vanessa gerichtet hinzu.

      „Kein Problem.“

      Na, da hat der Charme des Möchtegern-Medienstars aber volle Wirkung gezeigt!, ging es Berringer durch den Kopf, denn ansonsten brachte Vanessa ganz obligatorisch ein paar Widerworte vor, wenn er eine Aufgabe für sie hatte.

      Die nächste Nummer, die Berringer wählte, gehörte Kriminalhauptkommissar Thomas Anderson. Sie war im Adressbuch der Telefonanlage gespeichert.

      „Kann ich gleich mal vorbeikommen?“, fragte der Detektiv. „Wie, was heißt hier: Es ist im Moment gerade schlecht? Die Sache ist sehr wichtig, und eine Hand wäscht die andere, das weißt du doch.“

      Berringer lauschte der Antwort, sagte dann „Ja, ja – schon gut“ und legte auf.

      „Na, meiden dich jetzt schon alte Freunde, Berry?“, fragte Vanessa spitz.

      „Nein, das nicht. Allerdings muss ich in einer halben Stunde in Gladbach sein. Thomas muss in die Drachenhöhle.“

      Vanessa runzelte die Stirn. „Ist dein Kommissar-Kumpel nicht ein bisschen zu alt für Fantasy-Rollenspiele?“

      „Drachenhöhle wird im Gladbacher Polizeipräsidium das Büro der Staatsanwaltschaft genannt, insbesondere das von Frau Dr. Müller-Steffenhagen. Und bei der soll der arme Thomas in 'ner Stunde antanzen.“

      „Klingt ja richtig gruselig“, neckte Vanessa.

      „Ja, da bin ich richtig froh, mit dem ganzen Laden nichts mehr zu tun zu haben“, seufzte Berringer.

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