Worin besteht mein Glaube. Лев Толстой

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Worin besteht mein Glaube - Лев Толстой

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von Jahren nach jenem Gesetze zu leben versucht, – versuchet nun das meinige, das entgegengesetzte zu befolgen.

      Es ist merkwürdig! In der letzten Zeit habe ich oft Gelegenheit gehabt mit den verschiedenartigsten Menschen über dieses Gesetz Christi von dem Nichtwiderstreben dem Übel zu sprechen. Und wenn auch selten, so habe ich dennoch Leute gefunden, die mit mir übereinstimmten. Zwei Arten Leute aber sind es, welche selbst nicht im Prinzip eine einfache, gerade Auffassung dieses Gesetzes zugeben und die Gerechtigkeit des Widerstrebens dem Übel lebhaft verteidigen. Das sind jene Leute der zwei äussersten Pole: die patriotisch-konservativen Christen, die ihre Kirche als die einzig wahre ansehen, und die revolutionären Atheisten. Weder die einen noch die andern wollen dem Rechte entsagen mit Gewalt dem zu widerstreben, was sie für das Übel halten. Und selbst die klügsten und gelehrtesten unter ihnen wollen durchaus nicht jene einfache, augenscheinliche Wahrheit einsehen, dass, sobald man zugibt, ein Mensch dürfe sich mit Gewalt dem widersetzen, was er für ein Übel ansieht, ein anderer gleichfalls sich mit Gewalt dem widersetzen darf, was er seinerseits für ein Übel hält. Unlängst hatte ich einen in dieser Hinsicht belehrenden Briefwechsel zwischen einem orthodoxen Slavophilen und einem christlichen Revolutionär in Händen. Der eine verteidigt die Gewalttätigkeit des Krieges im Namen der unterdrückten Brüder, der Slaven, der andere die Gewalttätigkeit der Revolution im Namen der unterdrückten Brüder, der russischen Bauern. Beide verlangen Gewalttaten und beide stützen sich auf die Lehre Christi.

      Alle fassen die Lehre Christi im verschiedenartigsten Sinne auf, nur nicht in dem geraden, einfachen Sinne, der unverkennbar seinen Worten entströmt

      Wir haben unser ganzes Leben auf den Grundsätzen erbaut, die er verwirft, wir wollen seine Lehre nicht in ihrem einfachen, geraden Sinne verstehen und behaupten vor uns und vor den andern, entweder, dass wir uns zu seiner Lehre bekennen, oder dass diese seine Lehre für uns nicht taugt. Die sogenannten »Gläubigen« glauben, dass Gott-Christus, die zweite Person der Dreieinigkeit, zur Erde niedergestiegen ist um den Menschen ein Beispiel des Lebens zu geben, und erfüllen die kompliziertesten Handlungen, die zur Innehaltung der heiligen Sakramente, zur Errichtung von Kirchen, zur Sendung von Missionären, Einsetzung der Priester, Seelsorge der Gemeinde und Verbesserung des Glaubens erforderlich sind, – nur vergessen sie bei alledem einen geringen Umstand, sie vergessen das zu tun, was er gesagt hat. Die Nichtgläubigen dagegen versuchen auf allerhand Weise ihr Leben einzurichten, aber nicht nach dem Gesetze Christi, indem sie die Untauglichkeit desselben voraussetzen. Das aber zu tun, was er sagt, das will niemand versuchen. Abgesehen davon: bevor sie überhaupt versuchen danach zu handeln, nehmen die Gläubigen sowohl wie die Nichtgläubigen im voraus als entschieden an, dass solches unmöglich ist.

      Christus sagt einfach und klar: jenes Gesetz des Widerstrebens dem Übel mit Gewalt, das ihr als Grundsatz eures Lebens aufstellt, ist falsch und unnatürlich; und er gibt ein anderes Gesetz des Nichtwiderstrebens dem Übel, welches seiner Lehre nach allein die Menschheit vom Übel befreien kann. Er sagt: ihr glaubt, dass eure Gesetze der Gewalttätigkeit das Übel vermindern: nein, sie vergrössern es. Ihr habt tausende von Jahren euch bemüht das Übel durch das Übel zu vernichten und habt es nicht vernichtet, sondern ihr habt es vergrößert. Tuet das was ich sage und tue und ihr werdet erkennen ob das wahr ist. – Und er sagt es nicht bloß, sondern er erfüllt durch sein ganzes Leben und durch seinen Tod seine Lehre über das Nichtwiderstreben dem Übel.

      Die »Gläubigen« hören das alles an, lesen es; man liest es auch in den Kirchen und nennt es göttliche Worte; man nennt ihn Gott, sagt aber: das alles ist sehr schön, bei unseren Lebenseinrichtungen aber ist es unmöglich auszuführen; es würde unser ganzes Leben zerstören, wir aber sind an dasselbe gewöhnt und lieben es. Und deshalb glauben wir an alles das nur in dem Sinne, dass es ein Ideal ist, nach welchem die Menschheit streben soll, – ein Ideal, welches durch das Gebet und durch den Glauben an die Sakramente, an die Erlösung und die Auferstehung von den Toten erreicht wird. Die andern hingegen, die »Nichtgläubigen«, die freien Erläuterer der Lehre Christi, die Historiker der Religionen – Strauss, Renan u. a. – nachdem sie sich die kirchliche Erläuterung dessen vollständig zu eigen gemacht, dass die Lehre Christi gar keine direkte Anwendung auf das Leben hat, sondern eine schwärmerische Lehre ist, die schwachsinnigen Menschen zum Troste gereicht, sagen mit dem grössten Ernste, dass die Lehre Christi allerdings gut war um den wilden Bewohnern der Einöden von Galiläa gepredigt zu werden, uns aber erscheine sie, bei unserer Kultur, nur als ein lieblicher Wahn des »charmant docteur«, wie Renan sagt. Ihrer Meinung nach konnte Christus sich nicht zu der Höhe des Verständnisses all' der Weisheit unserer Zivilisation und Kultur emporschwingen. Stände er auf derselben hohen Stufe der Bildung, wie diese Gelehrten, so spräche er nicht jene lieblichen, unnützen Dinge über die Vögel des Himmels, über das Hinhalten des Backens und die Sorge bloß um den heutigen Tag. Die gelehrten Historiker urteilen über das Christentum nach dem Christentum, das sie in unserer Gesellschaft sehen. Nach dem Christentum aber unserer Gesellschaft und unserer Zeit wird unser Leben mit seinen Einrichtungen, als da sind: Gefängnisse, Einzelhaft, Alkazare, Fabriken, Zeitungen, Bordelle und Parlamente, – als das wahre und heilige anerkannt und aus der Lehre Christi wird nur das genommen, was dieses Leben nicht stört. Da nun aber die Lehre Christi dieses ganze Leben verwirft, so wird aus der Lehre Christi nichts genommen als Worte. Die gelehrten Historiker sehen dies, und da sie nicht genötigt sind es zu verheimlichen, wie die Scheingläubigen es tun, so unterwerfen sie gerade diese, jeglichen Inhalts bare Lehre Christi einer scharfsinnigen Kritik, verwerfen sie und bringen höchst wohlbegründete Beweise dafür an, dass das Christentum nie etwas anderes gewesen ist als eine schwärmerische Idee.

      Man sollte annehmen, dass es notwendig wäre, bevor man die Lehre Christi beurteilt, zu verstehen worin diese Lehre besteht. Und um zu entscheiden ob diese Lehre vernünftig sei oder nicht, müsste man zu allererst anerkennen, dass Christus das, was er gesagt hat, wirklich gesagt hat. Dieses aber tun wir eben nicht: die kirchlichen ebensowenig wie die freidenkenden Erläuterer. Und wir wissen sehr gut weshalb wir das nicht tun.

      Wir wissen sehr wohl, dass die Lehre Christi immer wie auch jetzt jene menschlichen Irrtümer in ihre Verwerfung mit einbegriffen hat, jene »tohu«, jene Götzen, die wir unter dem Namen der Kirche, des Staates, der Kultur, der Wissenschaft, der Kunst, der Zivilisation aus der Reihe der Irrtümer zu retten vermeinen. Christus aber spricht gerade gegen diese, indem er gar keine »tohu« ausschliesst.

      Nicht nur Christus, sondern auch alle hebräischen Propheten, Johannes der Täufer, alle wahren Weisen der Welt sprechen gerade über dieselbe Kirche, über denselben Staat, über dieselbe Kultur und dieselbe Zivilisation und nennen sie das Übel und das Verderben der Menschen.

      Nehmen wir an: der Baumeister sagt zum Hausbesitzer, Ihr Haus ist schlecht, Sie müssen es vollständig umbauen. Und dann wird er über die Einzelheiten sprechen, was für Balken dazu notwendig sind, wie sie behauen und wohin sie gelegt werden müssen. Der Hausbesitzer wird die Erklärung, dass das Haus schlecht sei und umgebaut werden müsse, überhören und wird mit erheuchelter Achtung den Worten des Baumeisters über die weiteren Anordnungen und Einrichtungen im Hause lauschen. Augenscheinlich werden alle Ratschläge des Baumeisters untauglich erscheinen und der den Baumeister Missachtende wird diese Ratschläge geradezu einfältig nennen. Genau dasselbe geschieht in Beziehung auf die Lehre Christi.

      Da ich keinen besseren Vergleich fand, habe ich diesen angewendet und erinnere dabei noch, dass Christus beim Predigen seiner Lehre eben denselben Vergleich aufgestellt hat. Er hat gesagt: ich werde euren Tempel zerstören und in drei Tagen einen neuen Tempel aufbauen. Und dafür ward er gekreuzigt. Und dafür kreuzigt man jetzt seine Lehre.

      Das Geringste was man von Menschen verlangen kann, die irgend jemandes Lehre beurteilen, ist, dass sie diese Lehre so verstehen, wie der Verkündiger derselben sie selbst aufgefasst hat. Und Christus fasste seine Lehre nicht als irgend ein entferntes Ideal der Menschheit auf, das zu erreichen eine Unmöglichkeit wäre, nicht als schwärmerische, poetische Phantasie, mit der er die einfältigen Einwohner von Galiläi bezaubern wollte, nein, er fasste seine Lehre auf als ein Werk, das die Menschheit erlöst, und er schwärmte

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