Worin besteht mein Glaube. Лев Толстой

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Worin besteht mein Glaube - Лев Толстой

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urteilest?

      Das Wort, das mit dem Worte afterreden wiedergegeben ist, heisst καταλαλέω. Ohne im Lexikon nachzuschlagen kann man sehen, dass dieses Wort beschuldigen bedeutet. Und das bedeutet es auch, wovon jeder sich überzeugen kann, indem er im Wörterbuch nachschlägt. Es ist übersetzt: wer seinem Bruder afterredet, der afterredet dem Gesetz. Und unwillkürlich entsteht die Frage: weshalb? – Wenn ich noch so sehr meinem Bruder afterrede, so afterrede ich doch nicht dem Gesetz; wenn ich aber meinen Bruder durch das Gericht beschuldige und richte, so ist es augenscheinlich, dass ich dadurch das Gesetz Christi beschuldige, καταλαλέω ich erachte Christi Gesetz für unzulänglich und beschuldige und richte das Gesetz. Dann ist es klar, dass ich sein Gesetz nicht erfülle und mich selbst zum Richter aufwerfe. Der Richter aber, sagt der Apostel, ist derjenige, der erretten kann. Wie kann denn ich, der ich nicht im Stande bin zu erretten, Richter sein und strafen?

      Diese ganze Stelle spricht vom menschlichen Gerichte und verwirft es. Die ganze Epistel ist von diesem Gedanken durchdrungen. In derselben Epistel Jakobi (Kap. 2, 1–13) heisst es: 1. Lieben Brüder, haltet nicht dafür, dass der Glaube an Jesum Christum, unsern Herrn der Herrlichkeit, Ansehen der Person leide. 2. Denn so in eure Versammlung käme ein Mann mit einem goldenen Ringe und mit einem herrlichen Kleide, es käme aber auch ein Armer in einem unsauberen Kleide; 3. Und ihr sähet auf den, der das herrliche Kleid trägt, und sprächet zu ihm: setze du dich her aufs beste; und sprächet zu dem Armen: stehe du dort oder setze dich her zu meinen Füssen; 4. Und bedenket es nicht recht, sondern ihr werdet Richter, und machet bösen Unterschied. 5. Höret zu, meine lieben Brüder, hat nicht Gott erwählet die Armen auf dieser Welt, die am Glauben reich sind und Erben des Reichs, welches er verheissen hat denen, die ihn lieb haben? 6. Ihr aber habt dem Armen Unehre getan. Sind nicht die Reichen die, die Gewalt an euch üben und ziehen euch vor Gericht? 7. Verlästern sie nicht den guten Namen, davon ihr genannt seid? 8. So ihr das königliche Gesetz vollendet nach der Schrift: liebe deinen Nächsten als dich selbst, so tut ihr wohl. (Lev. 19, 18.) 9. So ihr aber die Person ansehet, tut ihr Sünde und werdet gestraft vom Gesetz, als die Übertreter. 10. Denn so jemand das ganze Gesetz hält und sündiget an Einem, der ist es ganz schuldig. 11. Denn der da gesagt hat: du sollst nicht ehebrechen, der hat auch gesagt: du sollst nicht töten. So du nun nicht ehebrichst, tötest aber, bist du ein Übertreter des Gesetzes. (Levit. 28, 17–25). 12. Also redet und also tut, als die da sollen durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden. 13. Es wird aber ein unbarmherziges Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat; und die Barmherzigkeit rühmet sich wider das Gericht. (Die letzten Worte: die Barmherzigkeit rühmet sich wider das Gericht, sind oft auch folgendermaßen übersetzt worden: die Barmherzigkeit wird im Gerichte verkündigt, und wurden in dem Sinne angeführt, dass ein christliches Gericht bestehen könne, dass es aber barmherzig sein müsse.)

      Jakobus ermahnt die Brüder keinerlei Unterschied zwischen den Menschen zu machen. Wenn ihr einen Unterschied macht, so διακρίνετε, so werdet ihr Richter und machet bösen Unterschied. Ihr habt entschieden, der Arme sei schlechter als der Reiche. Der Reiche aber ist im Gegenteil der Schlechtere. »Sind nicht die Reichen die, die Gewalt an euch üben und ziehen euch vor Gericht?« So ihr nach dem Gesetze der Nächstenliebe, nach dem Gesetze der Barmherzigkeit lebt (welches Jakobus zum Unterschiede von dem andern das »königliche« nennt), so tut ihr wohl. So ihr aber die Person ansehet und Unterschiede macht, so werdet ihr zu Verbrechern an dem Gesetze der Barmherzigkeit. Und im Hinblick wahrscheinlich auf das Beispiel der Ehebrecherin, die zu Christus gebracht ward, auf dass sie nach dem Gesetze gesteinigt werde, oder auf das Verbrechen des Ehebruchs überhaupt, sagt Jakobus, dass derjenige der die Ehebrecherin mit dem Tode strafen würde, sich des Totschlages schuldig machen und das ewige Gesetz übertreten würde. Denn dieses ewige Gesetz verbietet den Ehebruch und verbietet den Totschlag. Er sagt: und also redet und also tut als die da sollen durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden. Denn es gibt keine Barmherzigkeit für den, der nicht selbst barmherzig ist und deshalb hebt die Barmherzigkeit das Gericht auf.

      Wie könnte das noch klarer, noch bestimmter ausgedrückt werden; jeder Unterschied zwischen den Menschen, jedes Richten dessen, dass dieser gut und jener schlecht sei, wird verboten; es wird gerade auf das menschliche Gericht hingewiesen, welches unzweifelhaft schlecht ist, es wird gezeigt, dass dieses Gericht selbst verbrecherisch sei, indem es Verbrechen strafe, und dass folglich das Gericht von selbst zunichte werde durch das Gesetz Gottes – die Barmherzigkeit.

      Ich lese die Epistel des Apostels Paulus, der durch die Gerichte gelitten, und gleich im 1. Kap. an die Römer lese ich seine Ermahnung an die Römer über alle ihre Laster und Verirrungen; darunter auch über ihre Gerichte: 32. Die Gottes Gerechtigkeit wissen (dass, die solches tun, des Todes würdig sind) tun sie es nicht allein, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun.

      Kap. 2, 1–11. 1. Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du bist, der da richtet; denn worin du einen andern richtest, verdammest du dich selbst; sintemal du eben dasselbige tust, das du richtest. 2. Denn wir wissen, dass Gottes Urteil ist recht über die, so solches tun. 3. Denkest du aber, o Mensch, der du richtest die, so solches tun, und tust auch dasselbige, dass du dem Urteil Gottes entrinnen werdest? 4. Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmütigkeit? Weisst du nicht, dass dich Gottes Güte zur Busse leitet?

      Der Apostel Paulus sagt: sie kennen das gerechte Gericht Gottes und handeln selber ungerecht und lehren die anderen desgleichen tun, und deshalb kann man den Menschen, der da richtet, nicht rechtfertigen.

      Solche Beziehungen zu den Gerichten finde ich in den Episteln der Apostel; in ihrem Leben jedoch, wie wir alle wissen, erschienen ihnen die menschlichen Gerichte als jenes Böse und jenes Übel, das man mit Festigkeit und mit Ergebenheit in Gottes Willen ertragen müsse.

      Wenn man in seinen Gedanken die Vorstellung von der Lage der ersten Christen inmitten der Heiden wachruft, wird jeder leicht begreifen, dass es den Christen nicht in den Sinn kommen konnte die Gerichte der durch menschliche Gesetze Verfolgten zu verbieten. Nur gelegentlich konnten sie dieses Übel berühren, indem sie dessen Grundlage verwarfen, wie sie es auch noch tun.

      Ich wende mich an die Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte und sehe, dass sie alle stets ihre Lehre, die sich von allen anderen Lehren unterschied, dadurch feststellen, dass sie keinen zu etwas zwangen, keinen richteten (Athenagoras, Origenes), keinen töteten, sondern nur die Martern ertrugen, die ihnen von den menschlichen Gerichten auferlegt wurden. Alle Märtyrer haben dasselbe durch die Tat bekannt.

      Ich sehe, dass die ganze Christenheit bis Konstantin nie anders auf die Gerichte gesehen hat, als auf ein Übel, das man geduldig ertragen müsse, dass es aber keinem einzigen Christen aus jener Zeit in den Sinn kommen konnte, ein Christ könne sich am Gerichte beteiligen.

      Ich sehe, dass Christi Worte: richtet nicht und verdammet nicht, von seinen ersten Jüngern ebenso aufgefasst worden sind, wie ich sie jetzt, in ihrer geraden Bedeutung auffasste: richtet nicht in den Gerichten – nehmet nicht teil an Gerichten.

      Alles bestätigte unzweifelhaft meine Überzeugung, dass die Worte »richtet nicht und verdammet nicht« heissen sollen: richtet nicht in Gerichten; die Erklärung jedoch, dass sie bedeuten sollen: verleumdet nicht euren Nächsten, ist eine so allgemein angenommene und die Gerichte gedeihen mit solcher Kühnheit und solchem Selbstbewusstsein in allen christlichen Staaten, sich sogar auf die Kirche stützend, dass ich lange an der Richtigkeit meiner Auffassung zweifelte. Wenn alle Menschen so urteilen und dennoch christliche Gerichte einsetzen konnten, so mussten sie doch irgend eine Begründung dafür haben, und da muss etwas sein, was du nicht verstehst – sagte ich zu mir. Es muss Gründe geben, nach denen diese Worte in dem Sinne der Verleumdung aufgefasst werden, und es muss Gründe geben, auf die sich die Errichtung der christlichen Gerichte stützt.

      Und ich wandte mich an die Erklärungen der Kirche. In allen diesen Erklärungen fand ich, vom 5. Jahrhundert an, dass es angenommen ist diese Worte in dem Sinne der Verdammung des Nächsten in Worten aufzufassen, d. h. als Verleumdung. Und da

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