Bambi. Felix Salten
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Читать онлайн книгу Bambi - Felix Salten страница 7
»Mich hat der Häher geschimpft«, sagte Bambi.
»Wirklich?« staunte Gobo. »Ist der Häher so frech zu dir gewesen?« Gobo war sehr leicht verwundert, und er war außerordentlich bescheiden.
»Nun«, bemerkte er, »mich hat der Igel in die Nase gestochen.« Aber er erwähnte das gleichsam nur nebenbei.
»Wer ist der Igel?« erkundigte sich Bambi glücklich. Es schien ihm wunderbar, so dazustehen, Freunde zu haben und so viele spannende Dinge zu hören.
»Der Igel ist ein fürchterliches Geschöpf«, rief Faline. »Voll großer Stacheln am ganzen Körper … und dazu noch sehr böse!«
»Glaubst du wirklich, daß er böse ist?« fragte Gobo. »Er tut doch niemandem etwas zuleide.«
»So?« erwiderte Faline schnell, »hat er dich vielleicht nicht gestochen?«
»Ach, das war nur, weil ich mit ihm reden wollte«, wendete Gobo ein, »und nur ein kleines bißchen. Es hat nicht sehr weh getan.«
Bambi wandte sich an Gobo: »Warum wollte er denn nicht, daß du mit ihm redest?«
»Er will mit niemandem reden«, mengte sich Faline ein. »Sowie man nur in seine Nähe kommt, rollt er sich zusammen, und dann siehst du von allen Seiten nur seine Stacheln. Unsere Mutter sagt, er ist so einer, der mit der Welt nichts zu tun haben will.«
Gobo meinte: »Vielleicht fürchtet er sich nur.«
Aber Faline verstand das besser: »Die Mutter sagt, mit so jemandem soll man sich gar nicht einlassen.«
Bambi begann auf einmal leise zu Gobo: »Weißt du, was das ist … die Gefahr?«
Jetzt wurden auch die beiden andern ernst, und alle drei steckten die Köpfe zusammen.
Gobo dachte nach. Er gab sich aufrichtig Mühe, es zu wissen, denn er sah wohl, wie neugierig Bambi auf die Antwort wartete. »Die Gefahr …« flüsterte er, »die Gefahr …das ist etwas sehr Schlimmes …«
»Ja«, drängte Bambi erregt, »etwas sehr Schlimmes … aber was?«
Sie bebten alle drei vor Grauen.
Plötzlich rief Faline laut und fröhlich: »Die Gefahr ist … wenn man davonlaufen muß …« Sie sprang fort; sie mochte nicht dastehen und Angst haben. Bambi und Gobo sprangen ihr sogleich nach. Sie fingen wieder an zu spielen, tummelten sich in der grünen, rauschenden Seide der Wiese und hatten die ernste Frage im Nu vergessen. Nach einer Weile hielten sie inne und standen wie vorhin beisammen, um zu plaudern. Sie blickten zu ihren Müttern hinüber. Die waren ebenso nett beieinander, aßen ein wenig und unterhielten sich in einem ruhigen Gespräch.
Tante Ena hob das Haupt und rief zu ihren Kindern her: »Gobo! Faline! Nun müssen wir bald gehen …«
Auch die Mutter mahnte Bambi: »Komm jetzt …es ist Zeit.«
»Noch eine Weile«, bat Faline stürmisch, »noch eine kleine Weile.«
Bambi flehte: »Bleiben wir noch! Bitte! Es ist so schön!«
Und Gobo wiederholte bescheiden: »Es ist so schön … noch eine Weile.«
Sie sprachen alle drei zugleich.
Ena sah die Mutter an: »Nun, hab' ich's nicht gesagt? Jetzt wollen sie sich nicht voneinander trennen.«
Da geschah noch etwas, und es war viel größer als all das viele andere, das Bambi heute schon erlebt hatte.
Vom Walde her drang klopfendes Stampfen den Erdboden entlang. Äste knackten, Zweige rauschten, und bevor man noch die Ohren spitzen konnte, brach es aus dem Dickicht hervor. Der eine in Rauschen und Prasseln, der andere im Saus hintendrein. Wie der Sturmwind rasten sie hervor, vollführten einen weiten Bogen auf der Wiese, tauchten in den Wald zurück, wo man sie galoppieren hörte, kamen noch einmal aus dem Dickicht gebraust und standen plötzlich still, an zwanzig Schritte voneinander entfernt.
Bambi schaute sie an und regte sich nicht. Sie sahen wohl aus wie Mutter und Tante Ena. Doch auf ihren Häuptern blitzte die Krone des Gehörns, in braunen Perlen und hellen weißen Zinken. Bambi war ganz betäubt; er blickte von einem zum andern. Der eine war kleiner, und auch seine Krone war geringer. Aber der andere war gebieterisch schön. Er trug das Haupt hoch, und hoch ragte darauf die Krone. Die funkelte vom Dunkeln ins Helle, war verziert mit der Pracht vieler schwarzer und brauner Perlen und mit weitgestreckten, schimmernd weißen Enden.
»Oh!« rief Faline in Bewunderung. Gobo wiederholte leise: »Oh!« Bambi aber sagte gar nichts. Er war hingerissen und stumm.
Jetzt bewegten sich die beiden, wandten sich voneinander ab, jeder nach einer anderen Seite, und gingen langsam in den Wald zurück. Der Gebietende kam ganz nahe an die Kinder, die Mutter und Tante Ena heran. In stiller Pracht schritt er vorüber, trug das geadelte Haupt königlich ernst erhoben und würdigte niemanden eines Blickes. Die Kinder wagten nicht zu atmen, bis er im Dickicht verschwunden war. Sie schauten sich nach dem andern um, aber gerade in diesem Augenblick schlossen sich die grünen Türen des Waldes hinter ihm.
Faline war die erste, die das Schweigen brach. »Wer war das?« rief sie. Aber ihre kleine, kecke Stimme bebte.
Kaum hörbar wiederholte Gobo: »Wer war das?«
Bambi schwieg.
Tante Ena sagte feierlich: »Das waren die Väter.«
Sonst wurde nichts mehr gesprochen, und man trennte sich.
Tante Ena zog mit ihren Kindern gleich hier ins nächste Gebüsch. Es war ihr Weg. Bambi mußte mit der Mutter über die ganze Wiese zur Eiche, um die gewohnte Straße zu gewinnen. Er schwieg lange. Endlich fragte er: »Haben sie uns nicht gesehen?«
Die Mutter verstand, was er meinte, und erwiderte: »Gewiß. Sie sehen alles.«
Bambi fühlte sich beklommen; er scheute sich, Fragen zu stellen, aber es drängte ihn zu gewaltig. Er setzte an: » … Warum …« und schwieg.
Die Mutter half ihm: »Was willst du sagen, mein Kind?«
»Warum sind sie nicht bei uns geblieben?«
»Sie bleiben nicht bei uns«, antwortete die Mutter, »nur zuzeiten …«
Bambi fuhr fort: »Warum haben sie nicht mit uns gesprochen?«
Die Mutter sagte: »Jetzt sprechen sie nicht mit uns … nur zuzeiten … Man muß warten, bis sie kommen, und man muß warten, bis sie zu uns reden … wie es ihnen gefällt.«
Mit bestürmtem Gemüt fragte Bambi: »Wird mein Vater mit mir sprechen?«
»Gewiß, mein Kind«, verhieß ihm die Mutter, »wenn du erwachsen bist, wird er mit dir sprechen, und du wirst manchmal bei ihm sein dürfen.«
Bambi ging schweigend neben der Mutter, sein ganzes Sinnen erfüllt von der Erscheinung des Vaters. »Wie schön er ist!« dachte er und immer wieder: »Wie schön er ist!«
Als ob die Mutter seine Gedanken hören könnte, sagte sie: