Die Botschaft des Gehängten. Alexander Dumas

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Die Botschaft des Gehängten - Alexander Dumas

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bleibe hier. Er gibt mir fünfundzwanzig Pfund jährlich, um eine Katze zu

       sehen. Ich sehe sie, er gebe mir dreißig, und ich werde zwei sehen."

       Es gebrach mir an Mut, mehr zu hören. Ich stieß einen Seufzer aus und kehrte in mein Zimmer

       zurück.

       Am andern Abend um sechs Uhr fand sich mein Gefährte wie gewöhnlich bei mir ein, und er

       verschwand nicht eher als an dem darauffolgenden Morgen.

       „Was soll ich Ihnen sagen, mein Freund", sprach der Kranke, „einen Monat lang erneuerte sich die

       Erscheinung jeden Abend, und ich fing an, mich an ihre Gegenwart zu gewöhnen, als es am

       dreißigsten Tag nach der Hinrichtung sechs schlug, ohne daß die Katze erschien.

       Ich glaubte von ihr befreit zu sein und schlief nicht vor Freuden: den ganzen Morgen des nächsten

       Tages trieb ich die Zeit gleichsam vor mir her, denn es drängte mich, zu der Unglücksstunde zu

       gelangen. Von der fünften bis zur sechsten Stunde verließen meine Augen die Uhr nicht mehr. Ich

       folgte dem Gang des Zeigers, der von Minute zu Minute vorwärtsschritt. Endlich erreichte er die

       Zahl XII.; man vernahm das Beben der Uhr, dann tat das Hämmerchen den ersten Schlag, den

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       zweiten, den dritten, den vierten, den fünften und endlich den sechsten!

       Beim sechsten Schlag öffnete sich meine Türe", fuhr der unglückliche Richter fort, „und ich sah

       eine Art von Gerichtsdiener der Kammer eintreten, der gekleidet war, als stünde er im Dienste des

       Lord-Lieutenant von Schottland.

       Mein erster Gedanke war, der Lord-Lieutenant schicke mir einen Boten, und ich streckte meine

       Hand gegen den Unbekannten aus. Aber er schien gar nicht auf meine Gebärde achtzugeben und

       stellte sich hinter meinen Lehnstuhl.

       Ich hatte nicht nötig, mich umzudrehen, um ihn zu sehen; ich saß dem Spiegel gegenüber, und in

       diesem Spiegel sah ich ihn.

       Ich stand auf und ging; er folgte mir auf einige Schritte. Ich kehrte zu meinem Tische zurück und

       läutete.

       Mein Bedienter erschien, doch er sah den Gerichtsboten ebensowenig, als er die Katze gesehen

       hatte.

       Ich schickte ihn weg und blieb allein mit dem seltsamen Menschen, den ich nun mit Muße

       anschauen konnte.

       Er trug ein Hofkleid, einen Haarbeutel, einen Degen an der Seite, eine gestickte Weste und hatte

       den Hut unter dem Arm.

       Um zehn Uhr legte ich mich nieder, dann setzte er sich, als wollte er seinerseits die Nacht so

       bequem als möglich zubringen, in einen Lehnstuhl, meinem Bette gegenüber.

       Ich drehte den Kopf der Wand zu; da es mir aber nicht möglich war, einzuschlafen, so wandte ich

       mich zwei- oder dreimal um, und zwei- oder dreimal erblickte ich ihn beim Scheine meiner

       Nachtlampe in demselben Lehnstuhl.

       Endlich sah ich die ersten Strahlen des Tages durch die Zwischenräume der Sommerläden in mein

       Zimmer dringen; ich wandte mich zum letzten Male gegen meinen Mann um: er war verschwunden

       und der Lehnstuhl leer.

       Bis zum Abend blieb ich von meiner Erscheinung befreit.

       Am Abend war Empfang beim Oberkommissar der Kirche. Unter dem Vorwand, mein Galakleid

       bereitzuhalten, rief ich meinen Bedienten fünf Minuten vor sechs Uhr und befahl ihm, die Riegel

       der Türe vorzuschieben.

       Beim letzten Schlag von sechs Uhr heftete ich die Augen auf die Türe; die Türe öffnete sich, und

       mein Gerichtsbote trat ein.

       Ich ging sogleich auf die Türe zu, sie war geschlossen; die Riegel schienen nicht aus ihrer

       Schließkappe herausgekommen zu sein; ich wandte mich um, der Gerichtsbote stand hinter meinem

       Lehnstuhl und John ging im Zimmer hin und her, ohne sich, wie es schien, im geringsten um ihn zu

       bekümmern.

       Er sah offenbar den Menschen ebensowenig, als er das Tier gesehen hatte.

       Ich kleidete mich an.

       Da ereignete sich etwas Seltsames: voll Aufmerksamkeit für mich half mein neuer Zimmergenosse

       John bei allem, was er tat, ohne daß John bemerkte, daß er unterstützt wurde. So hielt John meinen

       Frack beim Kragen, das Gespenst hielt ihn an den Flügeln, so bot mir John meine Hosen beim

       Gürtel, das Gespenst faßte sie bei den Beinen.

       Ich hatte nie einen diensteifrigeren Bedienten gehabt.

       Es schlug die Stunde meines Abgangs.

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       Statt mir zu folgen, ging mir der Gerichtsbote voran, er schlüpfte durch die Türe meines Zimmers,

       stieg die Treppe hinab, hielt seinen Hut unter dem Arm hinter John, der den Wagenschlag öffnete,

       und als John diesen wieder geschlossen und seinen Platz auf dem Hinterbrett eingenommen hatte,

       stieg er auf den Bock zum Kutscher, der auf die Seite rückte, um ihm Platz zu machen.

       Vor der Türe des Oberkommissars der Kirche hielt der Wagen an; John öffnete den Schlag, doch

       das Gespenst war schon an seinem Posten hinter ihm. Kaum hatte ich den Fuß auf die Erde gesetzt,

       als das Gespenst mir voraneilte, durch die Bedienten drang, welche die Eingangstüre belagert

       hielten, und von Zeit zu Zeit sich umschaute, ob ich ihm folge.

       Da faßte mich die Lust, an dem Kutscher selbst den Versuch zu machen, den ich an John gemacht

       hatte.

       „Patrick", fragte ich ihn, „wer war der Mann, der neben Euch saß?"

       „Welcher Mann, Euer Ehren?" sagte der Kutscher.

       „Der Mann, der auf Eurem Bock saß."

       Patrick verdrehte die Augen ganz erstaunt und schaute

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