"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen

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doppelte Seinslehre wird ansichtig: Reines Sein der Geschöpfe ist Gott – jedoch nur in der Weise der „Analogie“ (der Einheit der Entsprechung Wesensverschiedener darin, worin sie Wesens verschieden sind). Nur das Sein Gottes ist im strengen Sinne Gott. Wir Geschöpfe haben aus und in uns selbst soviel Sein/Göttliches wie ein Stein aus sich selbst: gar keines.

      Aber sofern wir Geschöpfe als von Gott gegebene sind, ist dieses absolute und reine Sein/Göttliche ganz und ungeteilt in uns, unendlich mehr, als es außer uns je wäre.

      So weist Eckhart auf Nikolaus von Kues voraus, der das „Gott ist der ganz Andere“ als Spitze Negativer Theologie, aus der Annahme und Bejahung völliger geistiger Armut und Fremde, die ebenso ganz verkostet wird in der Insistenz auf der radikal-unverfügbaren Bilder- und Namenlosigkeit Gottes, nochmals überbietet zum „Gott ist das einzige Nicht-Andere“, in dem alles Getrennte und Gegensätzliche zusammenfällt („coincidentia oppositorum“).

      Disputatio

      In der Predigt 13 von Meister Eckhart zu Jesus Sirach 24,30 (nach heutiger Zählung Jesus Sirach 24,22): „Qui audit me...“ („Wer auf mich hört, wird nicht zuschanden werden,/ und wer sich mit mir abgibt, wird nicht sündigen.“ – so übersetzt die Einheitsübersetzung, Eckhart hält diese Predigt am 8. September 1325 in Köln) heißt der Kernsatz: „Daz hoehste und daz naehste, daz der mensche gelazen mac, daz ist, daz er got durch got laze.“ („Das Höchste und das Nächste, das den Mensch gelassen macht, das ist, dass er Gott um Gottes willen lasse.“)

      Gebet:

      DU, in dem alle Gegensätze zusammenfallen, alles Gedachte und Gelebte Ausgang und Eingang findet, Du, füge auch alles Dir Widersprechende, das Zerbrochene, Zerstörte und Vernichtete, alles Leiden und den täglichen Tod zusammen in Deinem ewigen Liebesgrund. (Markus Roentgen)

      „Denn, wahrlich, wenn einer wähnt, in Innerlichkeit, Andacht, süßer Verzücktheit und in besonderer Begnadung Gottes mehr zu bekommen als beim Herdfeuer oder im Stalle, so tust du nicht anders, als ob du Gott nähmest, wändest ihm einen Mantel um das Haupt und schöbest ihn unter eine Bank.“

      (Meister Eckhart, Predigt über 1 Joh. 4,9: „In hoc apparuit caritas die in nobis“ – „Darin ist uns Gottes Liebe erzeigt und in uns sichtbar geworden...“)

      Lectio II

      Eckhart – der Tröster

      Im 13. Jhdt. wächst der Druck in vielen Menschen, „religiös“ leben zu wollen. Was vorab Eliten vorenthalten war, wird Massenphänomen. Das „Innere, die Tiefe der Person“ – dahinein dringt der Kern des Christlichen. Immer mehr religiöse Gemeinschaften von „Erweckten“ entstehen mit der Programmatik, ein eigenes, neues religiöses Leben herauszubilden mitten in der Welt. Es gibt wenige Bücher, wenige Lesekundige, das Zeitalter der allen zugänglichen Buchkultur steht noch auf Jahrhunderte aus.

      Um 1200 bricht die Armutsbewegung sich breite Bahn, von Italien über Frankreich nach Deutschland. „Arme Christi“ leben gottinnig in der Welt so, als wäre diese ein ideales Kloster. In Gelassenheit ein Leben in äußerer und innerer Armut um Christ willen zu leben, innerlich leer, damit Christus und die Fülle Gottes in dieser Leere Wohnung nehmen können, gilt als die neue Seinweise.

      Königsgedanke ist die „geistliche Armut“.

      Am stärksten ergreift die Armutsbewegung die Menschen der Städte (Adel und Bürgertum, darin vor allem die Frauen!), am wenigsten die Bauern. Frauen übernehmen fortan weitestgehend die primäre Erziehung des westeuropäischen, des abendländischen Christenmenschen. Sie selbst erhalten ihre Prägung durch Geistliche, oftmals durch Ordensmänner – „erweckte Frau und neuer Mönch in innigem Kontakt“. Diese spirituelle Dimension wird, transformiert, weiterreichen bis in die bürgerlichen Salons des 19. Jhdts. Ein der Antike etwa völlig unbekannter Vorgang – dort war Erziehung Männersache.

      Durch die verheerenden Kriege haben, vor allem die Städte, einen riesigen Frauenüberschuss. Klostergründungen ohne Zahl. Kloster als einziges Refugium „ehrbaren“ weiblichen Lebens für unverheiratete Frauen.

      Die Predigerorden als Orte der „cura monialium“, der Seelsorge für die Frauenklöster. Dies geschieht in tiefer Ambivalenz: Noch gilt wie selbstverständlich die männliche Abwertung der Materie (der „mater“), der „Frau Welt“, welches selbst Hildegard von Bingen denunzierend aufgreifen wird, die ihr Zeitalter als „tempus muliebre“, als weiblich-weibisch verklagt. Auch Eckhart übernimmt die alte platonisch-antike Abwertung der Materie, des Weiblichen.

      Dennoch wird er und sein Orden, trotz der Bitte um Entbindung von dieser Pflicht, durch eine Instruktion Klemens IV. neu verpflichtet zur Seelsorge der Nonnen. Man hat dies als „Geburtsstunde der deutschen Mystik“ bezeichnet. Ungeahnte Horizonte eröffnen sich durch dieses Aufeinandertreffen von männlicher und weiblicher Spiritualität, von transzendentem Ausgriff und irdischer Rückbindung. Es sind die Eliten der Frauen, meist aus Hochadel und Hochfürstentum, die hier prägend und inspirierend wirken (Kunigunde von Habsburg, Margarethe von Ungarn, Elisabeth von Ungarn, Gertrud von Jungholz u.a.). Eckhart verfasst etwa sein berühmtes „Buch der geistlichen Tröstung“ für Agnes von Österreich-Ungarn, eine Königswitwe (zwischen 1308 und 1311), die eine große politisch einflussreiche Friedensmittlerin in der Nachfolge des „Armen Christus“ wird.

      Topos: Die Stadt als Freiheitsraum und Friedensraum, als Hort der Mystik; die „erweckte“ Frau als Friedensmittlerin.

      Zugleich fließen in das Denken des Meister Eckhart und seiner Zeit jüdische, arabische, muslimische und fernöstliche Quellen ein (Nähe Eckharts zu Laotse, zum Taoismus, zum Zen-Buddhismus).

      Die Kühnheit dieses Denkens ist ständig angefochten und bedroht. Am Rhein werden Ketzer ertränkt; vom Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg gehen Hauptwellen der Verfolgung aus. 1317 werden in Köln Begharden und Brüder vom Freien Geist verbrannt und ertränkt. Er attackiert dabei auch direkt die Dominikaner und Franziskaner. Im Dominikanerorden ist Eckhart ein Gipfel revolutionärer Intelligenz.

      In den Anfechtungen innerer wie äußerer Art suchen die, die als „Arme Christi“ ein gottseliges Leben führen wollen bei Eckhart Trost im Leiden und in der Verfolgung, Trost im Gemüt, Trost im Geist. Der Geist dieser Menschen ist unbefriedigt durch die Formelhaftigkeit der überkommenen Theologie, ihrer Statik in der Gott-Rede, die der veränderten Wirklichkeit keinen Ausdruck mehr zu verleihen vermag. Gott („Got“ im mhd.) übersteigt dieses Denken, das ihn fassen wollte, um unendliche Geistes- und Wirklichkeits-Weite. Damit und darin weitet sich auch der Geist des Menschen ins Weite.

      Dies kommt beides in Eckhart auf den Punkt: Reines Denken und die Trostspendung für die Bedürftigkeit des Menschen.

      Weitere Inhalte

      Eckharts Denken bricht, im Ausgang vom scholastischen Denken seiner Zeit, das ganz durcharbeitet wird vor allem in seinen lateinischen Werken, in seinen deutschen Predigten markant durch die Sprache des überkommenen Denkens hindurch.

      Dieser Durchbruch zeitigt Entscheidendes. Er kann als Überwindung von Metaphysik als eines Systems objektivierenden Denkens gefasst werden.

      In der Denkerfahrung des reinen Lichtes und der absolut unverfügbaren Weiselosigkeit und Gestaltlosigkeit Gottes, die alles Denken und Sprechen übersteigt und dennoch darin allem inniger und gegenwärtiger ist vor aller Erfahrung, vor aller Erfassung durch Geist und Leben, Sprache, Wort und Wahrheit, in dieser Denkerfahrung zergehen die metaphysischen Konstruktionen, die der Verobjektivierung Gottes in Denken und Sprache nicht entgehen können.

      Eckhart dagegen

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