"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen
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Das gute Sein schließt bei Eckhart als das Ganze auch das Böse und die Sünde und damit auch das Leiden ein. So ist ihm die Sünde (vgl. das „felix culpa“ der Osternachtliturgie) Dienerin des Seins, Dienerin Gottes, notwendiger Schatten, ohne den das Licht nicht strahlen kann.
So lehrt der Seelsorger den Gleichmut allem gegenüber außer Gott, ja selbst in und mit Gott bis ins gott-los werden: „Nichts begehren“; „Um nichts bitten“; „Vom Himmel nichts begehren und die Hölle nicht fürchten“.
Im lateinischen Johanneskommentar heißt es dazu: „Gott gibt auch dann, wenn er nicht gibt, etwa wenn ein Mensch um Gottes willen auf das zu verzichten weiß, was er zu empfangen wünscht, gemäß jenem Wort: ich möchte selbst von Christus verbannt sein für meine Brüder.“ (Lat. Werke III, 67, unter Einbeziehung von Röm 9,3).
Es ist Seelsorge, den Menschen zu sagen: Greift nicht so gierig nach Gott! Solches übt fundamentale Kritik an jeglichem (also auch religiös-kirchlichen) Sicherheitsdenken der Menschen bis in unsere Tage, wo ein krankmachendes Sicherheitsbedürfnis im modernen Menschen wahrnehmbar ist.
Gott ist nicht zu haben und nicht zu gebrauchen, Gott lässt sich nicht gängeln oder am Seil führen (wie Eckhart an einer schönen Parabel verdeutlicht).
Zugleich kannst Du Mensch Gott überall haben, allerorten (Kirche, Straße, Markt und Einöde) – das Geringste, was Du in Gott schaust (etwa ein Wurm) ist edler als das größte aller Welt (ohne Gott).
So geht Eckhartsche Dialektik.
Und sie verbindet auf der Naht den Mystiker mit dem in der scheinbar banalsten Banalität lebenden Alltagsmenschen (Stichwort: Nazareth in der Tradition des Charles de Foucauld als Annahme der restlosen Kenose Gottes in der gott-losen, gott-unbewussten d.h. gott-unthematischen Annahme „profaner“ Alltäglichkeit, wobei die Trennung von sakral und profan nochmals aufgehoben ist in der je größeren Einheit des Einen ohne Trennendes; s. Lk 2,51: „Und er (der menschgewordene Gott) stieg hinab mit ihnen und kam nach Nazareth“; „Et descendit cum eis, et venit Nazareth“. Indem Gott hier in das selbstentäußernde nicht Gottes, als Abwesenheit in der Anwesenheit geht, wird darin zugleich jedes Nicht Gottes im Menschen als anwesende Abwesenheit geradezu gefeiert; es ist ein heiliger Tausch: Gott ist im Nicht-Gottes bar der Bewusstwerdung, der Besonderung, des Gottesdienstes, der konkreten Erfahrung, anwesend immer schon vor uns da! Vgl. hierzu auch Karl Rahner, Artikel: „Existential, übernatürliches“ im alten Lexikon für Theologie und Kirche = Lthk). Denn die Erfahrung Gottes als anwesend in der „Dunklen Nacht“ der Abwesenheit entspricht der Alltagserfahrung des Menschen im Dickicht der Städte: Dass Gott nicht da ist und nicht erfahren wird.
Den deutlichsten Ausdruck hierzu findet der Seelsorger Eckhart nun in der mittelhochdeutschen Sprache seiner deutschen Predigten.
Er kämpft als Mystiker (Karl Rahner definiert den Mystiker als einen, der etwas erfahren hat – und zwar nicht im besonderen, vielmehr im alltäglich gelebten Durchhalten) mit der Sprache gegen die Sprache. Er ist Sprachgegner und Sprachschöpfer.
Seine Mittel treiben die Sprache ins Extrem: Paradoxie, Hyperbel (= Darüberhinauswerfen; Überziehen des Ausdrucks), Häufung, antithetische Verknüpfungen, Zusammenklingen der Gegensätze, Auflösung fester begrifflicher oder bildlicher Ebenen: Poesie, Anarchie, Nihilismus der Sprache durch Sprache.
Zerstörung der Formen. Sprachlos-Sprachvoll.
Das Deutsche ist hierin beweglicher und zugleich schillernder als das klarere Lateinische; etwa die doppelbödige Doppeldeutigkeit des mittelhochdeutschen „Niht“ als „nichts“ und „das Nichts“ gibt Eckhart in seiner Denkerfahrung größeren Sprachraum; oder das mittelhochdeutsche Wort „eigenschaft“, indem „Eigentum“ mitschwingt, das als Wort schillert zwischen dem lateinischen „proprietas“ und „qualitas“ sowie zwischen dem neuhochdeutschen „Eigentum“, „Eigenheit“, „Eigenschaft“ und „Eigentümlichkeit“.
Das Wort „ein“ besagt bei Eckhart sowohl das Innerste der Gottheit wie das Innerste des Menschen als „Einicheit“.
Die Einheit der göttlichen Natur als Einheit von Gott und Seele; in Gott werden alle geschaffenen Dinge zu Gott verwandelt, alles ungleiche und mannigfaltig geschaffene wird in Gott gleich: „diu einicheit ist der unterscheid und der unterscheid ist diu einicheit“57
57 Vgl. Nikolaus von Kues, De docta ignorantia..
Eckharts Sprachdenken ist ein unermüdliches Sichauflehnen gegen die Grenzen der Sprache durch Sprengen ihrer gebundenen Verfasstheit im Seienden, um dieser je größeren Einheit von Gott, Welt und Mensch im Lebensvollzug des göttlichen Samens im Seelengrund des Menschen Ausdruck zu geben.
Alles fließt da-hin: Vergottet und vernichtet zugleich!
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Die Analogie dieses Sprechens in dieser Sprache, schwebend zwischen dem reinen Nichts aller geschaffenen Kreatur und dem reinen All-Einen der durchgotteten Kreatur (ob Mücke oder Mensch ist in beidem gleich und eins) dynamisiert das In-Gegeneinander von absolutem und relativem Sein.
Bei Eckhart heißt es, diesmal wieder im affektiven Bildwort gepaart mit philosophischer Terminologie: „Gott ist allen Dingen zuinnerst als das Sein, und so zehrt alles Seiende von ihm: er ist auch zuäußerst, weil über allem und so außer allem. Also zehrt alles von ihm, weil er zuinnerst, hungert (alles nach ihm), weil er zuäußerst ist; alles zehrt von ihm, weil er ganz drinnen, (alles) hungert (nach ihm), weil er ganz draußen ist. So ist die Seele ganz in der Hand und ganz außer ihr (denn die Seele vergeht nicht, wenn dem Menschen eine Hand abgehackt wird. Das ist also der Sinn des Wortes: Wer von mir zehrt, hungert weiter (Eccl. 24, 29; nach heutiger Zählung Jesus Sirach 24, 21: „Wer mich genießt, den hungert noch,/ wer mich trinkt, den dürstet noch“).“ (Lw 2, 143,5ff., n. 163; Lw 2,282, 13ff., n. 54).
Eckhart berührt hier die Quintessenz des großen Werkes von Erich Przywara, der „Anlalogia entis“, das im Aufweis des „Gott-in-über-uns“ gipfelt.
Eckhart findet als Realsymbol hierfür das Spiegelbild: In dem, von dem das Bild ausgeht, ist das Sein real; im Bild ist das Sein jedoch bloß geliehen, abkünftig; das Bild existiert nur, solange es zur Sicht gebracht wird, fällt der Spiegel, so ist auch das Bild dahin.58
58 Dw 1, 154, 1ff..
Was aber geschieht dann, wenn Eckhart diese Rede vorantreibt ins Nicht und nichts von Etwas, in Bildwort und Begriff.
Was ist die Quintessenz von: Keinen Gott/ nichts wissen, keinen Gott/nichts wollen, keinen Gott nichts haben, also keine Gottesbeziehung, kein Gottverhältnis haben, wohin die Predigt 52 treibt?
Disputatio
Die unendliche Gegenwärtigkeit Gottes in meinem Seelengrund als der Wirklichkeit schlechthin, die mir innwendiger, inniger ist als ich mir selber, führt in der Predigt 52 „Beati pauperes“ zu einem Durchbruch, der allem, selbst der Gnade und der Liebe enthoben ist. Es ist vollständige Re-Creation in gänzlicher geistlicher Armut, nackt und bloß wie im ersten Nu meiner ewigen Zeugung in Gott, zeit- und welt- und schöpfungsentbundenes All-eins in/über nichts – nichts in/über All-eins.
Die