"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen
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WIRK NICHT VORAUS,
sende nicht aus,
steh
herein:
durchgründet vom Nichts,
ledig allen
Gebets,
feinfügig, nach
der Vor-Schrift,
unüberholbar,
nehm ich dich auf,
statt aller
Ruhe.
Anmerkungen als Hinführung zu den Eckhart-Gedichten
Die drei Gedichte Celans „Treckschutenzeit“, „Du sei wie du“ und „Wirk nicht voraus“ stehen in einem hermeneutischen Zusammenhang. Alle bergen, teilweise wörtliche, Zitate aus den mittelhochdeutschen Predigten Eckharts. Celan hatte, so weist es seine eigene Bibliothek aus, die gegenwärtig im Deutschen Literaturarchiv in Marbach/N. aufbewahrt wird, Eckharts Schriften tief in sich aufgenommen. Er konnte sich auf große jüdische Denker wie Georg Simmel (in seinem Rembrandt-Buch) oder Gustav Landauer, der 1903 ein Buch mit Texten von Eckhart herausgibt, welche er selbst ins Hochdeutsche übertragen hatte, beziehen als Vorläufer seiner eigenen Auseinandersetzung mit der Mystik Eckharts. Wird die Mystik als cognitio Dei experimentalis auch von der theologischen Dogmatik heute geltengelassen als eine erfahrungsgetränkte Erkenntnisform innerhalb der Theologie, so korrespondiert dies ganz eigentümlich zu einem Wort Celans, welches sein Verständnis von Dichtung ausweist, dass Lyrik Mystik sei!
Celan erfährt in der mittelhochdeutschen Sprachform Eckharts, mit seinen Paradoxien, Grenzverschiebungen, Aufladungen und Erweiterungen das, was er selbst in seinem Ringen um das Sagbare und Unsägliche in seiner Dichtung preisgibt. Geschieht dies bei Eckhart aber vornehmlich als sprachlich-geistiges Geschehen, als Geburt Gottes im Intellekt und in der Seele, im Seelengrund des Menschen in der unio mystica, so greift dies, in Celans Dichtung nach der Shoah am jüdischen Volk durch Menschen deutscher Sprache, in die geschichtliche Existenz dieses Menschen, zeitvoll, von unermesslichem, von äußerstem Leiden sichtlich gebrannt (Celans Eltern sind in den Lagern aus Gas vernichtet worden, Celan erfährt davon im Winter 1942/1943; seine Mutter vor allem hatte ihm das Deutsche als Mutter-Sprache ins Herz gelegt); geschichtsverhaftet ohne Absprung in ein geschichtsjenseitig-geistig-seelisches Apriori, welches aposteriori wieder eingeholt werden soll.
Wie bereits im Gedicht „Tenebrae“ so auch in „Treckschutenzeit“ und „Du sei wie du“ dreht Celan Eckharts enthöhten (inthoeget) Gott aus der Geist- und Seeleneinheitserfahrung des Lebens regelrecht um in den zur leidensfähigen Menschengestalt erniedrigten Gott, mit dem leidenden Sprachleib des geschichtsgezeichneten Menschen eins, der einen Ort hat, konkret, geschichtlich, zeitgebunden – und nur daraus messianisch.
Die drei Eckhart-Gedichte entstehen in der ersten Adventswoche 1967. Celan wusste um die Verwendung der Verheissungen Jesajas in der christlichen Liturgie dieser Zeit im Kirchenjahr.
Während Eckhart in seiner Predigt 14 „Surge illuminare iherusalem“ den Jesajatext mit der Prophezeiung der Geburt des Messias und mit Jerusalem als Ort der endzeitlichen Sammlung der Völker allegorisch als reines Seelengeschehen der „Innung“ zwischen Gott und dem Menschen beschreibt, lässt Celan, in der Verwendung des Eckhartschen Wortes „geinnigt“ (gleichsam durch Eckhart hindurch) dies ganz und nur inkarnatorisch konkret-geschichtlich-ortsbezogen werden.
Texthinweise zum Verständnis der Gedichte
Zu Treckschutenzeit
„Trecken“ ist ein mittelhochdeutsches Wort mit der Bedeutung „ziehen“ (heute noch etwa im Eifeler Dialekt vorfindlich, wo der Traktor „Trecker“ heißt), „schleppen“ als schwere körperliche Arbeit; die „Treckschute“ (vgl. auch das seemännische „treideln“) ist die holländische Bezeichnung für ein Schleppboot, das von Menschen vom Ufer aus und längs dem Ufer gezogen wird. (Vgl. auch das Kirchenlied des Advent aus dem 15 Jhdt. „Es kommt ein Schiff geladen“). Das „Schleppen“ an „einer der Welten“, die „Stirnen“, die „am Ufer“ sind, schleppen die Last als „Halbverwandelte“. Der „Enthöhte“ ist „geinnigt“ mit denen, die am Ufer schleppen.
In Eckharts Predigt „Surge illuminare iherusalem“ (Dw I 230,4) übersetzt er den Vers Jes 60,1 ins Mittelhochdeutsche und nimmt durch die Übersetzung im Vers eine doppelte Bewegung wahr: „ ‚stant vp jherosalem inde erheyff dich inde wirt erluchtet‘ „. Allegorisch wird Jerusalem als eine Höhe ausgelegt, die herabkommen soll zu dem, was niedrig ist. Zum Niedrigen aber wird gesagt: „Komm herauf“. In dieser Doppelbewegung kann es zur „Verinnung“ kommen durch die „Enthöhung Gottes“. Dieser „inthoeget got“ soll im menschlichen Selbst „geinneget“ werden (vgl. Dw I 237,5f). Das Enthöhen Gottes hier ist keine Selbstentäußerung oder Katabasis (Kenosis) wie im Philipperhymnus, vielmehr meint das Enthöhen Gottes die Überwindung der Distanz und Transzendenz Gottes durch seine Immanenz in der Seele, wodurch diese erhöht wird im Eins-GottMensch.
Bei Eckhart sind also die „Halbverwandelten“ und der „Enthöhte“ der erhöhte Mensch und der enthöhte Gott. In der Innung ist der Prozess abgeschlossen.
Celan wendet dies diametral ins radikal inkarnatorische. In Treckschutenzeit gehört der Enthöhte zu den Halbverwandelten „unter den Stirnen am Ufer“. Er schleppt wie sie und er schleppt mit ihnen, muss das Geschick der Menschen mittragen und es erleiden. In Celans Werk findet auch sich ein in Eins – jedoch ist es ein „in eins“ im Zeichen der Wunde.62
62 Vgl. „In eins“ : Paul Celan, Gesammelte Werke in fünf Bänden, hg. v. Beda Allemann u.a. Frankfurt/M. 1983 = Gw I, S. 270.
Der Enthöhte steht in bewusster Opposition zum Erhöhten. Wie in den Gedichten „Tenebrae“ und „Spät und tief“ ist der Enthöhte der Leidende, nicht mehr und weniger nicht.
Der Tod des Todes scheint nur mit dem Tod Gottes ermöglicht. Celan wendet also Eckharts Höhepunkt der 52. Predigt „Beati pauperes spiritu“, die Bitte an Gott, „daz er mich ledic/quitt mache gotes“ am Ende von „Treckschutenzeit“ ins Materiale.
Das Wort Hegels brennt auf, dass am Kreuz Gott wirklich gestorben ist – „Gott ist tot“.
Verlegt Eckhart die Vorgänge in die Psyche des Menschen bar jeglicher Wahrung der heilsgeschichtlichen Dimension, so totalisiert Celan die geschichtliche Situation des Menschen so weit, dass kein Abhub des Geistes daraus gestattet wird.
„Nicht der Mensch wird in Celans Gedicht „Treckschutenzeit“ in die Position Gottes eingesetzt, sondern Gott in die Position des Menschen, und das heißt, daß er auf dem Weg seiner Entäußerung auch am menschlichen Schicksal mitträgt und es erleidet.“ (Lydia Koelle, a.a. O. 184, siehe Angabe hinter dem Kapitel.) Radikalisiert bis ins Äußerste wird der Gottverlassenheitsschrei Jesu am Kreuz „Eli, Eli, lama asabtani“ (Mk 15,34) für den nichttrinitarisch verwurzelten Juden Paul Celan zum Gebet Gottes vor seinem eigenen umröchelten Tod. (Siehe auch in der Tradition das Wort Luthers: „da streydet Got mit Got auf Golgatha“; zitiert nach Kerygma und Dogma 36 (1990) S. 275. Vgl. auch Helmut Gollwitzer in seinem Buch: Krummes Holz – aufrechter Gang, München 1970, S. 258.: „Der Riß geht nicht durch Jesus, er geht durch Gott selbst; Gott selbst ist von Gott verlassen, Gott selbst stößt sich aus.“)
Zu DU SEI WIE DU
Wie