Fakten Wissen Denkblasen?. D. G. Berlin

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fakten Wissen Denkblasen? - D. G. Berlin страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Fakten Wissen Denkblasen? - D. G. Berlin

Скачать книгу

der große amerikanische Physiker, war beispielsweise überzeugt, in der bevorzugten Zeit der Entdeckung der fundamentalen Naturgesetze zu leben, einer Zeit, die nicht wiederkehren wird.

      Ganz offensichtlich sind viele Naturwissenschaftler, vor allem Physiker, der festen Ansicht, ihre Theorien und Modelle würden uns die Welt schon hinreichend umfänglich und nachvollziehbar, vor allem glaubwürdig erklären. Jetzt käme es darauf an, die da und dort noch vorhandenen kleinen Lücken zu schließen, leidige Missverständnisse zu klären und die vereinzelten Ungereimtheiten aus der Welt zu schaffen.

      Das wird noch einige Arbeit kosten, es wird schon noch einiges an Zeit darüber vergehen, viel Geld wird auch noch benötigt werden und dieser oder jener Forscher wird noch diese oder jene Idee einbringen müssen, um das noch Ausstehende zu leisten. Aber eigentlich könne man sich schon in Erwartung der Preise und Ehrungen genüsslich zurücklehnen, denn die offenen Fragen würden auch noch gelöst werden, das sei kein großes Problem, da die Grundprinzipien ja erkannt sind und daher das, was jetzt zu leisten ist, sozusagen Fingerübungen seien, verbunden mit notwendiger Ausdauer und ein wenig Geduld.

      Die Naturwissenschaft der Neuzeit habe uns, so die Überzeugung, im Wesentlichen und endlich verbindlich erklärt, was die Natur ist, woher sie kommt, wie sie beschaffen ist.

      Gegenwart hat wohl immer Züge von Arroganz, denn das hatten wir alles schon einige male. Max Planck wurde, als er sich 1875 zum Studium einschrieb, von einem Professor der Universität zu München geraten, um die Naturwissenschaft doch lieber einen Bogen zu machen, denn da gäbe es nichts mehr herauszufinden. Albert Michelson vermutete 1894, künftige Entdeckungen seien noch in der 6. Stelle nach dem Komma zu erwarten. Womit er sagen wollte, im Prinzip sei nun alles klar, es könne höchstens noch um Verfeinerungen und Präzisierungen gehen.

      Und was wurde dann noch alles entdeckt. Die Röntgenstrahlen 1895, die Radioaktivität 1896, das Elektron 1897, das Plancksche Wirkungsquantum 1900 und schließlich noch die Relativitätstheorien und die Quantenphysik, die Expansion und der Urknall, das Quarksmodell und die Strings (na ja, die noch nicht wirklich), die Gene und die Doppelhelix und vieles mehr.

      Obwohl das hinreichend bekannt ist, wiederholt es sich schon wieder. Tatsächlich gab es schon lange Konferenzen, in denen Wissenschaftler sehr ernst darüber diskutierten, wie denn die bevorstehende Vollendung der Naturwissenschaft aussehen wird, wie man sie bewältigt und was man danach so treiben könnte.

      Es wird schon darüber philosophiert, man habe endlich die Sprache Gottes verstanden und in spätestens 20 Jahren werde die Formel für Alles alles erklären und der Endpunkt des naturwissenschaftlichen Strebens nach Kenntnis von den Gesetzen der Natur sein.

      Stephen Hawking hat das schon zweimal im Abstand von 20 Jahren vorausgesagt. Zuletzt verkündet er, die M-Theorie sei der Kandidat für eine vollständige Theorie des Universums. Sie werde der erfolgreiche Abschluss der vor 3000 Jahren begonnenen Suche sein.

      Dazu muss man vielleicht mit dem gesunden Menschenverstand einwerfen, dass die M-Theorie gar keine Theorie ist, sondern die Vermutung, die etwa 10^500 möglichen Varianten der Stringgleichungen könnten auf einen gemeinsamen Nenner zurückzuführen sein, eben dem M, was immer das auch sein mag.

      (Nicht einmal die Bedeutung dieses „M“ konnte von den Physikern bisher aufgeklärt werden. Man vermutet, es sei ein auf den Kopf gestelltes W und stehe für Witten. Ed Witten war es nämlich, der die M-Theorie als eine mögliche Basis-Theorie der verschiedenen Stringtheorien verkündete. Ein Physiker vermutete, dass M stehe für Masturbation, denn die Stringphysik sei ja wohl nichts anderes.)

      Der Abschluss einer 3000jährigen Suche also lediglich eine Vermutung, es könne da etwas geben, was alles erklärt? Da war die Menschheit vor 3000 Jahren auch schon. Das jetzt zur vollständigen und endgültigen Lösung aller Fragen zu erklären, geht am gesunden Menschenverstand tatsächlich weit vorbei.

      Aber die Physiker grämt es offensichtlich nicht. Nahezu täglich verkündet irgendwo irgendwer in irgendeinem wissenschaftlichen Zusammenhang irgendeine wichtige Erkenntnis, die uns so nahegebracht wird, als wäre das nun höchstens noch das vorletzte Steinchen zur Vervollständigung des Mosaiks, das uns die wahre Natur der Natur zeigt.

      Der amerikanische Wissenschaftsjournalist John Horgan brachte es auf den Punkt:

      “Ich vermute, dass diese Geschichte, die die Wissenschaftler aus ihren Erkenntnissen zusammengetragen haben, dieser moderne Schöpfungsmythos, hundert oder sogar tausend Jahre lang unverändert Bestand haben wird. Wieso? Weil er wahr ist. Zudem ist es in Anbetracht der bereits erzielten Fortschritte und der physikalischen, gesellschaftlichen und kognitiven Grenzen, die weiteren Fortschritten entgegenstehen, unwahrscheinlich, dass die Wissenschaft den vorhandenen Fundus an Erkenntnissen noch erheblich erweitern wird. Es wird in Zukunft keine Entdeckungen mehr geben, die in ihrer Tragweite mit den Enthüllungen Darwins oder Einsteins oder auch Watsons und Cricks vergleichbar wären.”

      (John Horgan; An den Grenzen des Wissens; Fischer Taschenbuch Verlag 2000 / Seite 35)

      Da ist es also wieder mal, das Tausendjährige Reich, hier als das der modernen Naturwissenschaft und ihrer „Schöpfungslehre“. Kann ja sein, dass dieses naturwissenschaftliche Weltbild tausend Jahre Bestand haben wird. Aber wenn, dann nicht weil es wahr ist, sondern weil der Menschheit unglücklicherweise tausend Jahre lang nichts Besseres einfällt oder das Bessere sich nicht durchsetzen kann.

      Das Weltbild des Ptolemäus mit der Erde im Mittelpunkt und den verwirrenden Epizykeln herrschte mehr als 2000 Jahre. Warum? Weil es wahr war?

      Ja gut, tatsächlich scheint die Naturwissenschaft unserer Tage ein Bild von der Welt zu zeichnen, das sich sehr prinzipiell von dem unterscheidet, was uns in früheren Zeiten über die Welt außer uns dargestellt wurde. Ganz offensichtlich hält sich die Naturwissenschaft nicht mit naturphilosophischen Vermutungen auf, stochert auch nicht mit alchemistischem Eifer im Nebel zufälliger Erkenntnisse herum, verkündet stattdessen stolz, in prinzipieller Distanz zur mystischen Verklärung der Natur als einer göttlichen Ordnung zu sein. (Letztere Feststellungen sind freilich mitunter anzuzweifeln, wie ich noch zeigen werde.)

      Sie betreibt die Suche nach den Zusammenhängen und Bedingungen der in der Welt stattfindenden Prozesse, nach der Herkunft und der Rolle von Objekten und Ereignissen in der Natur, nach der Erklärung von Natur systematisch und akribisch. Die moderne Naturwissenschaft, besonders die Physik, macht Eindruck, denn sie scheint ganz auf die objektive Außenwelt gerichtet zu sein, auf die Gesetze der Natur, die alles regeln, die Ursache-Wirkungsfolgen im Griff haben und keine Ausnahmen oder Abweichungen zulassen.

      Und wo das offensichtlich nicht der Fall ist, helfen Wahrscheinlichkeitsrechnungen und nichtlineare Mathematik über die schlimmsten Klippen hinweg. Die moderne Naturwissenschaft gibt sich alle Mühe, ihre Erkenntnisse nicht als anwendungsferne Modelle, platonische Gespinste, geistige Trugbilder oder intellektuelle „Wolkenkuckucksheime“ erscheinen zu lassen, sondern als „handliches“ Wissen darzubieten.

      Tatsächlich ließ sich vieles von dem, was die Naturwissenschaft uns offenbarte, ganz praktisch anwenden, führte zu völlig neuen technischen Anwendungsmöglichkeiten, zu neuen Technologien und zu neuen Produkten, die das Leben vieler Menschen sehr prinzipiell veränderten. Das machte die Naturwissenschaft so glaubwürdig. Wenn sich Erkenntnisse dermaßen vielfältig und wirksam anwenden lassen, müssen sie bedeutsam und richtig sein. Daher ist es kein Wunder, dass die moderne Naturwissenschaft uns ein Weltbild vorgibt, an dem sich kaum zweifeln lässt.

      Nun ja, auch die alten Ägypter hatten ihr Weltbild. Es war zwar stark mythologisch definiert, aber durchaus auch mit geprüftem Wissen und exakten Beobachtungen unterlegt. Vor allem aber waren die Menschen von seiner Richtigkeit überzeugt, so überzeugt, dass sie vielfach bereit waren, ihr

Скачать книгу