Fakten Wissen Denkblasen?. D. G. Berlin
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Hatte ich das über viele Jahrhunderte unantastbare geozentrische Weltbild des Ptolemäus schon erwähnt?
Und dass sich aus Schöpfungsmythen religiöse Weltbewegungen entwickelten, die nicht nur Gutes taten, ist hinreichend bekannt.
Zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft etabliert sich ein für die jeweilige Gesellschaft und ihre Zeit typisches Bild von der Welt. Es ist für lange Zeit dominierend, häufig durch religiöse Unantastbarkeit geschützt. Die Menschen sind in ihrer Mehrheit von seiner Richtigkeit überzeugt. Erst nachfolgende Gesellschaften und Generationen erkennen dann, nicht selten widerwillig und in einem schmerzlichen Prozess, die Denkirrtümer, Schwächen und Fehler, die dem Weltbild zu Grunde lagen, auch die Gefährlichkeit der Denkrichtungen und Handlungsmotive, die von ihm gestützt oder gefordert wurden.
Aus historischer Sicht ist kein Grund erkennbar, der uns verpflichten sollte anzunehmen, das von der gegenwärtigen Naturwissenschaft verbreitete Weltbild sei nun das vollständige, endgültige und endlich auch richtige. Man muss weder Prophet noch Nörgler sein, um mit Überzeugung verkünden zu können: Auch das Weltbild unserer Zeit, mit dem wir die Natur betrachten, ihre Herkunft und Entwicklung einordnen und uns die Phänomene und Erscheinungen erklären, ist nur ein Weltbild in der Zeit. Es ist keine ewige Wahrheit, es wird korrigiert und gestürzt werden und neuen Sichten und Denkweisen platz machen müssen.
Das mag den derzeitigen Naturwissenschaftlern fremd vorkommen, sie mögen es bestreiten oder weit von sich weisen, aber sie können die Entwicklung von Denken und Wissen nicht verhindern, wohl aber es befördern. Sie müssen sich nur entschließen, was sie diesbezüglich wollen: An Paradigmen festhalten, auch wenn Zweifel angebracht sind, oder ihre eigenen Erkenntnisse, Modelle und Denkmuster immer wieder kritisch prüfen, gegebenenfalls bezweifeln.
Vielleicht aber lag Michelson damals genau richtig und wir interpretieren ihn nur falsch. Röntgenstrahlen, Radioaktivität, Elektron, Plancksches Wirkungsquantum, allgemeine Relativität, Quantenphysik, Urknall, Quarks, Strings, Gene, Doppelhelix, Micro-RNA und noch manches andere in der modernen Naturwissenschaft sind ja tatsächlich Entdeckungen „hinter dem Komma“. Das heißt, es sind Modelle von Objekten und Vorgängen in sehr viel kleineren Dimensionen, als wir sie mit unseren sinnlichen Wahrnehmungen zu erfassen vermögen.
Größenordnungen von 10^-7 bei der magnetischen Feldkonstante des Vakuums, von 10^-10 cm oder 10^-13 cm bei den Comptonwellenlängen von Elektron, Proton und Neutron, 10^-19 bei der Elementarladung, 10^-21 beim Planck‘schen Wirkungsquantum, 10^-33 cm bei der Planck‘schen Elementarlänge sind die schon fast selbstverständlichen Dimensionen, in denen die heutige Physik, vor allem Quantenphysik und Stringtheorien ihre Modelle ansiedeln.
Und die Genetiker jonglieren auch nicht gerade mit fußballgroßen Objekten, wenn sie sich mit Gendrift, Methylierungen oder Proteinfaltung befassen.
Tatsächlich hat sich die Mehrzahl der neueren Erkenntnisse der Wissenschaft über die Natur gerade dann ergeben, wenn die Wissenschaftler mit ihren experimentellen Möglichkeiten und/oder ihren theoretischen Überlegungen in Bereiche des materiellen Seins vordrangen, die weit von unserer Lebenswelt entfernt sind. Kleinste oder größte Distanzen, niedrigste oder höchste Temperaturen, maximaler Druck, große Dichte, starke Strahlung, gigantische Kräfte – das sind die Felder, wo Neues, Unvermutetes und Ungewöhnliches lauert.
Aber ob eine Distanz von 10^-33 Zentimeter oder eine Zeitspanne von 10^-43 Sekunden oder virtuelle Teilchen, mit denen man zwar rechnen kann, die aber niemand zu beobachten vermag, oder Fädchen, die nur in einer Dimension eine Ausdehnung haben, oder punktförmige Teilchen überhaupt noch als etwas Reales angesehen werden können, daran darf man schon zweifeln.
Wenn wir Theorien, die in solchen unwirklichen Dimensionen angesiedelt sind, mehr als mathematische Spielerei und theoretisches Gefasel ansehen, denn als Beschreibung von objektiver Realität, sollte die Wissenschaft das nicht dem Sogenannten zuschreiben dürfen, sondern sich dem Misstrauen stellen.
Modellabhängige Realität ist, auch und möglicherweise gerade, wenn sie in Form höchst komplizierter Theoreme und abstruser mathematischer Formalismen daherkommt, immer noch Konstruktion, Meinung, Vermutung und nicht Abbildung des objektiv Existierenden. Der Begriff ist trügerisch, denn er suggeriert eine selbstverständliche Nähe der Naturwissenschaft zur Realität. Das aber ist nicht immer, speziell in der Physik seit Jahrzehnten sogar immer weniger gegeben.
Die modellabhängige Realität der Naturwissenschaft reduziert Natur auf Einzelnes, auf einfachste Beziehungen, lineare Abhängigkeiten und abstrakte Formalismen. Ihr entgeht damit weitestgehend die Komplexität, die nun mal der Natur eigen ist. Die modellabhängige Wirklichkeit des menschlichen Gehirns ist dagegen mehr auf Ganzheiten, auf komplexes Geschehen, auf Wirkungen, auf das Panorama gerichtet.
Das können wir durchaus als eine gewisse Überlegenheit des gesunden Menschenverstandes relativ zum selektiven Wissenschaftsdenken werten. Der gesunde Menschenverstand betrachtet Natur so, wie sie ihm begegnet, als ein Ensemble von Beziehungen und Ein- oder Unterordnungen, als vielschichtiges Geschehen in Abhängigkeiten und Hierarchien, als etwas, zu dem der Mensch in Beziehung steht und sich in Beziehung setzen muss. Die modellabhängige Wirklichkeit unseres Gehirns ist menschennah, die modellabhängige Realität der Naturwissenschaft ist es nicht.
Selbstverständlich dürfen die Naturwissenschaftler uns belehren, wenn die Weltsicht unseres gesunden Menschenverstandes an der Naivität unserer Denkgewohnheiten zu scheitern droht. Natürlich soll sie unsere naiven Sichten korrigieren, unseren leichtfertigen Glauben kritisieren und unseren Blick auf die Natur weiten und schärfen.
Aber ich will das im Folgenden mal umkehren und die Probleme und Fragen diskutieren, bei denen der gesunde Menschenverstand sich von der Naturwissenschaft im Stich gelassen oder gar hinters Licht geführt (man könnte auch verarscht schreiben) fühlt. Das will ich vorerst auf Physik und Kosmologie beschränken. Es sind Fragen zu stellen. Diese sind in der Regel gar nicht so neu, aber sie wurden von der Physik bisher entweder als nicht relevant zurückgewiesen oder in einer Art beantwortet, die sofort neue Fragen aufwirft.
Der Text hat nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit, sondern will nur als ein Diskussionsbeitrag verstanden werden. Naturwissenschaft wird man wohl in unserer aufgeklärten Zeit nicht nur immer zur Kenntnis nehmen und bewundern müssen, sondern auch mal wieder diskutieren dürfen. Unter diesen Gesichtspunkten will ich mich im Folgenden mit einigen Modellen der modernen Physik auseinandersetzen, Fragen aufwerfen, Unklares aufzeigen, Probleme diskutieren.
In diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu dem von mir gebrauchten Begriff der Denkblasen. Ich will damit nicht nur Falsches oder zu kurz Gedachtes verbunden wissen, das auch, aber noch mehr isolierte, aus dem komplexen Zusammenhang gerissenen Modelle, akrobatische Denkvirtuositäten ohne erkennbaren Wirklichkeitsbezug, die reduktionistische Konzentration auf das Einzelne des Einzelnen, bei dem man Zusammenhänge mit komplexen Geschehen nur noch mit abenteuerlichen oder sehr gebrechlichen Konstruktionen behaupten kann.
In Verkürzungen können auch Wahrheiten liegen, keine Frage. So mancher kurze Satz in einer der vielen Sprechblasen in den Comics kann das, was gemeint ist, ausreichend beschreiben, besonders wenn die Handlung ohnehin recht dürftig ist. Aber Schmerz auf „Aua“ zu reduzieren oder Wut auf „Schnauf, schnauf“, das sind Verkürzungen, die dem, der lieber Bildchen ansieht als Dialoge verfolgen zu können, entgegenkommen.
Die Natur der Natur können wir so aber nicht erklären und nicht verstehen. Das Einzelne zu kennen kann nützlich sein, aber um Potenzen wichtiger ist das Verstehen von Zusammenhängen. Deshalb ordne ich Denkmodelle oder naturwissenschaftliche Paradigmen, die mir die größeren Zusammenhänge vorenthalten, sie wenig glaubwürdig erklären und nicht nur künstliche,