Feuerblüte II. Катя Брандис
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Jorak
Alena und die anderen setzten sich vor die Höhle und hielten Kriegsrat.
„Was machen wir jetzt mit ihm?“ Alena fühlte sich ratlos. „Eigentlich müssten wir ihn nach Daresh zurückschaffen. Über die Grenze. Aber es wäre natürlich schade, wenn wir jetzt wieder zurückmüssten. Wir sind schon so weit gekommen.“
„Vielleicht könnten wir ihn zum Turm bringen – das ist näher“, schlug Kilian vor. „Ich weiß nicht, wie viele Leute da sind, aber die haben dort bestimmt bessere Möglichkeiten, Verletzte zu versorgen.“
„Wenn mein Vater mich hier sieht, ist unsere Reise vorbei.“ Alena verdrehte die Augen.
„Wieso frrragt ihr Jorak nicht einfach selbst, was er will? Morgen ist er bestimmt wieder ansprechbar, bestimmt“, knurrte Cchraskar; seine pelzigen Ohren zuckten amüsiert.
Es war erstaunlich, wie viel besser es Jorak am nächsten Tag ging. Er saß gegen den Felsen gelehnt, das verbundene Bein ausgestreckt, und sah vorsichtig und misstrauisch aus.
Jetzt, im Tageslicht, hatte Alena Gelegenheit, ihn sich gründlich anzusehen. Sie schätzte ihn auf neunzehn oder zwanzig Winter. Auf den ersten Blick konnte man ihn für ein Mitglied der Feuer-Gilde halten. Er hatte dunkelbraune Haare, die schon länger nicht mehr geschnitten worden waren, ein schmales Gesicht und wache, intelligente grünbraune Augen. Seine einfache ungefärbte Tunika wurde von einem schmucklosen Ledergürtel zusammengehalten, an dem sein Iridiumstahl-Dolch befestigt war.
An der Art, wie Jelica ihn ansah, ihm etwas zu Essen oder eine schmerzstillende Ranke zum Kauen anbot, merkte Alena schnell, dass er ihr gefiel. Auch Kilian hatte keine Scheu vor ihm. „He, Jorak, wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, die Steinzecken auf die Pflanze losgehen zu lassen?“, fragte er. „Das war richtig gut.“
„Wenn sonst keine Werkzeuge da sind, nimmt man, was man kriegen kann“, sagte Jorak verlegen und nahm das Stück Trockenfleisch, das Jelica ihm hinhielt. „Aber Verbündete mit weniger Appetit wären besser gewesen. Ein Glück, dass ihr mich gefunden habt.“
„Hast du dich vor uns versteckt, weil du weiter unerkannt bleiben wolltest? Das war ziemlich dumm in einer so gefährlichen Gegend“, entfuhr es Alena. Rostfraß, das hatte sie gar nicht sagen wollen! Sie hatte etwas Nettes sagen, sich für seine Hilfe bedanken wollen. Fing es jetzt schon wieder an? Wieso war sie nicht fähig, ganz normal mit ihm zu reden?
„Ja, das war es wohl“, meinte Jorak und sah sie nicht an.
Er muss mich für zänkisch wie eine Skorpionkatze halten, dachte Alena beschämt. Wahrscheinlich hat er gerade entschieden mich nicht zu mögen. Und recht geschieht’s mir. „Wieso hast du dich eigentlich vermummt?“, fragte sie etwas freundlicher. „Das verstehe ich nicht.“
Jorak zögerte kurz. Dann verzog er das Gesicht. „Versuch mal als Gildenloser durch Daresh zu reisen. Viele Leute schauen einen an wie einen toten Wühler, der drei Tage lang in der Sonne gelegen hat. Ich wollte nicht, dass es mir mit euch genauso geht.“
„Ach so.“ Alena fiel auf, wie schnell er redete. So, als könnte seine Zunge kaum mit seinen Gedanken mithalten. Auch seine Bewegungen waren rasch, ungeduldig. Das ist es, was mir damals in der Schänke aufgefallen ist, dachte sie. Ich hätte ihn damals schon erkennen können. An der Sprache seines Körpers.
Aber Ekaterin war so weit weg. Sie hatte ja nicht wissen können, dass sie Jorak ausgerechnet hier, an der Grenze, wiedersehen würde.
***
Alena wollte ihn nicht hier haben. Das war klar. Es schmerzte ihn stärker als der Biss der Steinzecke. Einen Moment lang wünschte sich Jorak zurück nach Ekaterin, in die Gewissheit seines Lebens dort. In der Stadt der Farben musste er zwar jeden Tag neu um sein Überleben kämpfen, genau wie hier, aber dort wurde wenigstens sein Herz nicht in Stücke gerissen. Nach und nach hätte er Alena bestimmt vergessen, er hätte andere Frauen kennengelernt, die ihn genauso faszinierten …
Jetzt fang nicht auch noch an, dich selbst zu belügen, dachte er bitter. Erstens ging’s deinem Herzen in Ekaterin auch nicht besser. Und zweitens bist du doch längst wieder hin und weg von ihr. Von der Art, wie sie sich bewegt. Ihrer Ausstrahlung. Ihrem Stolz und ihrer Kraft.
Jorak schloss die Augen. Er war froh, dass die Ranke schon wirkte und die Schmerzen nachgelassen hatten. Was für ein Glück, dass Alena und die anderen zur Feuer-Gilde gehörten, die kannten sich mit Verletzungen aus. Aber wenn er nicht rechtzeitig die Idee gehabt hätte, dieser Steinzecke den Inhalt seines Wasserbeutels ins Gesicht zu spritzen, um sie zum Loslassen zu zwingen, dann hätte es für sie nicht mehr viel zu tun gegeben.
Er merkte, dass der Iltismensch sich neben ihn gehockt hatte, und öffnete die Augen wieder.
„Tut’s sschlimm weh?“, fragte Cchraskar. Es war ein bisschen unheimlich, sein spitzes, so eigenartig menschliches Iltisgesicht neben sich zu sehen. Dass seine Aussprache nicht perfekt war, wunderte Jorak beim Anblick dieser Eckzähne nicht mehr.
„Geht so“, sagte Jorak, dankbar für seine Freundlichkeit. Sah aus, als ob Cchraskar ihn mochte. Aber Jorak war auch erstaunt und erfreut, wie wenig Berührungsängste Alenas Freunde mit einem Gildenlosen wie ihm hatten. Sie wirkten eher neugierig als abgestoßen.
„Wie bist du eigentlich gildenlos geworden? Hast du jemanden heimtückisch umgebracht oder so was?“, fragte das dunkelhaarige Mädchen – Jelica ? fasziniert. Sie hatte Grübchen in den Wangen, fröhliche Augen und die Angewohnheit, sich eine Haarsträhne um den Finger zu wickeln, wenn sie sich konzentrierte.
„Beim Nordwind, nein“, sagte Jorak erschrocken. Kein Wunder, dass die Leute ihm aus dem Weg gingen, wenn sie so etwas dachten! „Ich war schon immer gildenlos. Das war einfach Pech, schätze ich. Mein Vater gehört zur Feuer-Gilde, meine Mutter zur Luft-Gilde. Sie haben sich auf einem Handelsposten in Tassos kennen gelernt – tja, neun Monate später war ich da. Nur wollte mein Vater leider nicht mehr wahrhaben, dass er bei einer Frau aus einer anderen Gilde schwach geworden war. Er hat gar nicht daran gedacht, sich für mich einzusetzen. Um es kurz zu machen: Keine der beiden Gilden hat mich anerkannt.“
„Was für ein Mistkerl“, meinte Alena.
Zu seinem eigenen Erstaunen fing Jorak an, seinen Vater zu verteidigen. „Na ja, für ihn muss es schon eine komische Situation gewesen sein … wahrscheinlich dachte er, die Luft-Gilde würde mich schon nehmen und damit wäre die Sache erledigt …“
„Wieso hat er das gedacht? Bist du nicht in Tassos aufgewachsen?“ Kilian, der schlaksige Junge, zog mit der Spitze seines Messers Muster in den Sand, der sich in einer Felskuhle angesammelt hatte. Auch von ihm ging keine Feindseligkeit aus.
„Nein, in Nerada. Im Grasmeer. Da mich kein Meister ausbilden wollte, habe ich alle Künste der Luft-Gilde von meiner Mutter gelernt.“ Jorak staunte darüber, in was für einen kurzen, einfachen Satz sich diese schwierigen Winter packen ließen. Es fühlte sich seltsam an, über all das zu sprechen. Er hatte es bisher nur Kerrik und Lilas erzählt.
„Nerada … da wollte ich schon immer mal hin …“ Jelicas Gesicht hatte einen verträumten Ausdruck. „Kannst du eigentlich den Wind rufen, wie andere Leute der Luft-Gilde?“
„Ja. Die Fähigkeit dazu habe ich von meiner Mutter geerbt, und sie hat mir die Formeln verraten, die man