Bonjour, Paris. Ilka-Maria Hohe-Dorst
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Bernd setzte eine bekümmerte Miene auf.
„Selbstverständlich würde das ausreichen, und an Ihrer Zuverlässigkeit habe ich keine Sekunde gezweifelt. Aber es wäre mir furchtbar peinlich, Madame Desmoulins nicht mit vollem Namen anzureden. Wie sähe das denn aus, nachdem wir zusammen auf meiner letzten Vernissage bis in die Nacht über Kunst geplaudert hatten? Wenn Sie mir nicht aus der Patsche helfen, wird sie denken, wir Deutschen hätten keine Manieren.“
„Warum rufen Sie Madame Desmoulins nicht einfach auf ihrem Zimmer an? Ich kann Sie mit ihr verbinden.“
Bernd schüttelte den Kopf.
„Danke, aber das ist im Augenblick nicht notwendig. Ich will sie nicht überrumpeln, sondern ihr ein Wiedersehen vorschlagen. Einen Termin.“
„Ja dann, wenn Sie Madame Desmoulins bereits kennen … Juliette, Juliette Desmoulins.“
„Ah ja, richtig, Juliette … jetzt kann ich mich erinnern.“
Bernd beugte sich über sein Blatt Papier und sprach laut mit, was er schrieb, um dem Rezeptionisten zu beweisen, dass er keine dubiosen Absichten hegte.
„Sehr geehrte Madame Juliette Desmoulins, Ich möchte mich mit Ihnen und Ihrem Begleiter …“
Bernd hielt inne und schaute den Rezeptionisten in großer Verlegenheit an, wobei er versuchte, die unschuldigste Miene aufzusetzen, zu der er fähig war.
„Und wer ist der junge Mann, der sie begleitet hat?“
„Na, Pierre. Pierre Desmoulins. Ihr Sohn.“
In der Antwort des Rezeptionisten klang Erstaunen mit, als hätte Bernd auf diese Tatsache selbst kommen müssen.
„Oh … danke vielmals.“
Bernd schrieb weiter, wobei er den Text wieder mitsprach, den letzten Satz jedoch nur noch murmelte, so dass der Rezeptionist ihn nicht mehr verstehen konnte. Er sollte keinen Verdacht schöpfen, es könne doch um etwas anderes als die Kunst oder die Auffrischung einer Bekanntschaft gehen.
„… möchte mich mit Ihnen und Ihrem Sohn Pierre heute Abend um 20 Uhr in der Lounge treffen. Es geht um Eduard Claaßen. Bernd Busse.“
Er faltete das Blatt in der Mitte zusammen und übergab es dem Rezeptionisten mit einem gewinnenden Lächeln.
„Sie haben mir sehr geholfen. Würden Sie das bitte an Madame Desmoulins weiterleiten?“
„Sie können sich auf mich verlassen.“
Der Rezeptionist angelte einen Umschlag aus einer Schublade, steckte die Notiz hinein und legte ihn in Juliette Desmoulins Fach.
„Darf ich fragen, welcher Art von Kunst Sie sich widmen?“
„Aber ja, das ist kein Geheimnis. Moderne Malerei und Fotografie. Ich arbeite in Berlin.“
„Sie sehen gar nicht wie ein Künstler aus.“
War der Rezeptionist etwa doch misstrauisch geworden? Oder war er lediglich neugierig, weil er sich für Kunst interessierte? Bernd lächelte verbindlich, obwohl er hoffte, nicht durch ein intensiveres Gespräch über Kunst länger als nötig im Hotel festgehalten zu werden.
„Warum? Weil ich keine schulterlange Mähne und keinen Rauschebart habe, und weil ich nicht in einer abgewetzten Jeans und einem Mantel aus dem vorigen Jahrhundert herumlaufe? Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Ich hatte ein strenges Elternhaus und bin es gewohnt, in geordneten Verhältnissen zu leben.“
Diese Erklärung wollte der Rezeptionist nicht gelten lassen.
„Viele junge Künstler kommen aus ordentlichen Verhältnissen, nehmen aber gerade deswegen eine gegenteilige Lebensart an. Aus Protest gegen die Eltern.“
„Da haben Sie natürlich recht, aber das war nie mein Stil. Offensichtlich habe ich diese rebellische Phase verpasst.“
Zu Bernds Erleichterung nahten sich neue Hotelgäste der Rezeption.
„Ich glaube, Sie werden gleich gebraucht. Also nochmal vielen Dank.“
Hochzufrieden über den Erfolg seiner Mission verließ Bernd die Hotelhalle und stieg unter dem missbilligenden Blick des Portiers in Bettinas Coupé, in dem der muffige Geruch des feucht gewordenen Fahrersitzes hing.
Eine halbe Stunde später war er im Westend. Im Nebenraum eines Restaurants hatten sich die Trauergäste eingefunden, um sich an einem kleinen Buffet zu bedienen. In der Voraussicht, dass die Beerdigung bis zum frühen Nachmittag dauern konnte, hatte Bettina außer belegten Schnittchen und kalten Getränken auch Kuchen, Kaffee und Tee bereitstellen lassen. Als sie Bernd eintreten sah, löste sie sich von Wenger und ihrer Freundin Tanja, mit denen sie geplaudert hatte, und ging ihm entgegen. Er nahm sie am Arm und führte sie aus dem Raum, um außer Hörweite der Gäste zu sein.
„Juliette Desmoulins und ihr Sohn Pierre. Wahrscheinlich aus Paris. Abgestiegen im Frankfurter Hof. Klingelt da etwas bei dir?“
Bettina schüttelte den Kopf.
„Nicht die Spur.“
„Denk nach.“
Doch Bettina schüttelte abermals den Kopf.
„Nichts. Absolut nichts, darüber brauche ich mir gar nicht den Kopf zu zerbrechen. Ich kenne niemanden in Frankreich. Eduard war als Soldat längere Zeit in Paris stationiert, aber er hat nur manchmal von einem Alain Duvivier gesprochen, mit dem er sich verabredete, wenn er mal in Frankreich zu tun hatte und es sich einrichten ließ. Sie kannten sich aus der Besatzungszeit. Sehr oft kam es aber nicht vor, dass die beiden sich sahen.“
„Du bist dir ganz sicher, dass da sonst nichts ist?“
„Absolut sicher. Ich habe den Namen Desmoulins noch nie in meinem Leben gehört. Vielleicht war mein Misstrauen übertrieben, und die Sache ist nichts als ein Zufall.“
Bernd war über Bettinas Selbstzweifel überrascht, denn für gewöhnlich verließ sie sich auf ihre Intuition, die sich oft als zutreffend herausstellte. Hatte sie auf dem Friedhof nicht gesagt, sie habe ein ungutes Gefühl, als sie die beiden Desmoulins beobachtete?
„Ich will auf Nummer sicher gehen, Bettina. Eduard war in den letzten Monaten völlig verschlossen gewesen, auch dir gegenüber. Niemand hatte die geringste Ahnung, was in seinem Kopf vorging.“
„Ich weiß. Claires Tod brachte ihn fast um den Verstand. Er war nicht mehr der Mann, den ich geheiratet hatte. Aber was meinst du mit ‚auf Nummer sicher gehen‘?“
„Ich habe Madame Desmoulins eine Nachricht hinterlassen, dass ich sie und ihren Sohn heute Abend in der Lounge ihres Hotels treffen will. Dann werden wir ja sehen, was es mit ihrem Friedhofsbesuch auf sich hatte.“
Bettina schenkte ihm einen dankbaren Blick.
„Du willst der Sache wirklich für mich weiter nachgehen?“
Bernd schien die Frage unangebracht,