Der Dämon der Zarin. Josef Hahn

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Der Dämon der Zarin - Josef Hahn

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und Diebstahl lagen gegen ihn vor. Verurteilt wurde er aber nie.

      Er hatte seiner Umgebung schon mit sechszehn Jahren seine ungewöhnlichen Fähigkeiten demonstriert: Er heilte die Wunde einer stark blutenden Frau nur durch Handauflegen und Gebete.

      Für die Muschiks und die Obrigkeit war das ein Wunder! Und wer wollte schon so einen, von Gott mit außergewöhnlichen Fähigkeiten bedachten, Übeltäter anklagen? Konnte man denn wissen, wie es einem verurteilenden Richter danach ergehen würde?

      Nein!

      Also legte man die Anklagen zu den Akten.

      Erhalten geblieben in den Tobolsker Polizeiakten ist seine Personenbeschreibung: Junger Mann, 1,82 Meter groß, helle strähnige Haare, längliches Gesicht und ein dunkelrötlicher Vollbart.

      1887 heiratete er Parskjewa Fjodorowna Dubrownina, die während seiner Reisen auf dem Bauernhof der Eltern zurückließ. Im Jahr 1895 wurde sein Sohn Dimitrij, 1897 seine Tochter Matrjona (Maria) und 1900 seine Tochter Warwara geboren.

      Er behielt aber trotz der Hochzeit seinen gewohnten liederlichen Lebenswandel bei, entwickelte aber gleichzeitig auch eine ungewöhnlich starke Religiosität.

      Diese gründete sich zu einem wesentlichen Teil auf die angeblich laufenden Erscheinungen der Gottesmutter, die Rasputin, vor allem laut Aussagen seiner Tochter Maria Rasputina, hatte.

      Nach einer weiteren schweren Lungenentzündung hatte er, eigenen Aussagen nach, noch zwei solcher Erscheinungen. 1887 im Alter von 18 Jahren.

      Er war beim Pflügen am Feld, als sich plötzlich eine Fülle gleißenden Lichts vor ihm ausbreitete, himmlische Musik erklang, und er die Gottesmutter von Kasan erkannte, die auf ihn zukam. Sie trug eine goldene Krone auf dem Haupt, war umgeben von einem pulsierenden Heiligenschein in leuchtenden Farben und trug ein schneeweißes, schimmerndes Kleid, das mit Gold und Silber bestickt und mit zahlreichen Edelsteinen verziert war, darüber einen purpurfarbenen Mantel. Nach einem Dankgebet fragte er sie, wie er ihr dienen dürfe, doch sie schwieg. Kurz bevor sie verschwand, sagte sie jedoch, er solle ihre Erscheinung geheim halten.

      Nun, mag sich jeder darüber selbst eine Meinung darüber bilden!

      Die dritte Erscheinung, die nur unzureichend verbürgt ist, wird auf etwa 1891 datiert. Nachdem Rasputin am 14. Februar 1891 in Kasan wegen Meineides zu einer Prügelstrafe verurteilt worden war, trat er noch im selben Jahr eine Pilger- und Bußfahrt zum Marienheiligtum der Gottesmutter von Abalak an. Als Anlass dafür wird diese dritte Marienerscheinung angenommen, wieder bei der Feldarbeit: Im Glanz der Sonne wiegte sie sich hin und her und ermahnte ihn zur Umkehr.

      Natürlich kann man von solchen >Erscheinungen< halten, was man will. Einige werden sie, auch damals, geglaubt haben, andere - und ich hoffe stark, dass das die Mehrheit war - eben nicht.

      Erscheinungen oder andere Signale irgendwelcher höheren Wesen kommen bei gewissen Menschen immer wieder vor; besonders im unseligen Christentum.

      Da haben wir etwa das Auftreten der Wundmale Christi am Körper eines Menschen. Diese werden als Stigmata bezeichnet.

      Die armen Irren bei denen das auftritt, werden als >Stigmatisierte< bezeichnet. Begonnen hat diese Freak-Show 1224 mit Franz von Assisi. Die erste Frau, die Stigmata erhielt, soll eine Christina von Stommeln (1242–1312) gewesen sein.

      In der Folgezeit gibt es vermehrt Berichte über Stigmatisationen, die seither einen Bestandteil von körperlichen Erfahrungen der christlichen Mystik darstellen sollen. Die Anzahl der Träger mit den sichtbaren und spontan blutenden Wundmalen Christi dürfte aber die Hundert nicht überschreiten; der Arzt Franz Lothar Schleyer wies 1948 für eine medizinische Studie knapp 70 gesicherte Fälle nach.

      Einige Mediziner und auch Theologen gehen von natürlichen, psychogenen Ursache der Stigmatisationen aus.

      Einer der bekanntesten Fälle der Neuzeit ist der des >Pater Pio<, bürgerlich Francesco Forgione (1887 – 1968).

      Er war ein katholischer Priester und Kapuziner. Seit 1918 zeigten sich bei ihm Stigmata und er soll auch die Gabe des Heilens, der Prophetie und der Seelenschau gehabt haben. 2002 wurde Pater Pio heiliggesprochen. Er ist einer der populärsten Heiligen Italiens.

      Untersuchungen zeigten auch auf, dass durch Hypnose wiederkehrende Unterhautblutungen entstehen und auch nicht heilende Wunden wieder verschwinden können.

      Möglicherweise ist die Stigmatisation verwandt mit dem Blutschwitzen und Blutweinen, bei denen eine natürliche Ursache gesichert scheint. Bei diesen Phänomenen treten allerdings keine offenen Wunden auf, sondern das Blut tritt direkt über die unverletzte Haut aus, so wie es auch bei einigen Stigmatisierten von Blutungen der Stirn- und Kopfhaut berichtet wird.

      Handstigmata sind in der Regel auf der Handinnenseite oder dem Handrücken zu sehen. Es gilt heute jedoch als gesichert, dass bei Kreuzigungen der Nagel in der Nähe der Handwurzel zwischen Elle und Speiche des Unterarms eingeschlagen wurde.Grafik 5

      Wunderlich ist es allerdings auch; wie eben bei Herrn Pio, dass die Wunden so auftreten, wie sie in diesem Kulturkreis bekannt sind. Zeigt ein Kulturkreis also Stigmata am Handrücken, dann haben die Personen dort Wunden am Handrücken. Werden hingegen Wunden an den Gelenken dargestellt, treten sie dort auf.

      Die >Verzückung der heiligen Theresa< war kurioserweise nichts anderes, als eine Entjungferung mit einem deftigen Orgasmus. Freuen wir uns für die olle Theresa, dass sie das genießen durfte. Dank ihrem Bericht dürfen wir auch ein herrliches Meisterwerk von Bernini noch heute bewundern.

      Vermutlich sind Grigorijs Marienerscheinungen in ein ähnliches Schema einzuordnen.

      Er hätte eigentlich als ein fleißiger Bauer mit Frau und Kindern ein ruhiges Leben verbringen können. Es trieb ihn aber stattdessen in die Welt hinaus. „Im Dienste der Gottesmutter Erfahrungen sammeln und lernen“, wie er betonte.

      Ich überlasse es der/m Leser/in was von so einem Typen zu halten ist, der Frau und Kinder im Stich lässt und stattdessen irgendwo herumzustrolchen beginnt. Er verschwand mit etwa 19 Jahren sang- und klanglos aus dem Heimatdorf.

      Nun, dass Männer verschwinden ist sicher keine besondere sibirische Eigenschaft. Eine besondere Eigenschaft war es allerdings, dass man sein Herumstrolchen als >gottgewollt< betrachtete und dagegen durfte man ohnehin nichts unternehmen; wer wollte schon zum >Sünder< mutieren?

      Für die einfachen sibirischen Menschen waren allerdings auch Idioten, Epileptiker und andere Geisteskranke ebenfalls von Gott bevorzugt geschätzte Typen.

      Es gab viele Formen des Aberglaubens; für jeden Lebensbereich.

      Um sich vor Dämonen und ähnlichem Gesocks zu schützen trug man Amulette oder Talismane. Aber auch um den Körper gebundene Kräuter, meist kraftvoll riechend, sollten Glück bringen. Mit Liebestränken wollte man sich eine Person willig machen, mit Zaubertränken wollten Frauen verhindern, dass ihr Ehemann eine andere begehrt. Man erfand Zeichen und Beschwörungsformeln um bestimmte Zauber herbeizuführen oder abzuwehren. Nach kirchlicher Meinung, gab es nämlich neben Gott auch den Teufel, Dämonen und Engel.

      Der Glaube an Segen und Fluch, Symbole und Bilder beeinflussten so direkt das tägliche Leben der Menschen. Hexen und Zauberer existierten mit Sicherheit und Werwölfe trieben mit ebensolcher Sicherheit ihr Unwesen.

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