Der Dämon der Zarin. Josef Hahn
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Inwieweit auch indigene Schamanen dabei eine Rolle gespielt haben, ist nicht bekannt. Ich vermute aber schon.
Der sibirische Schamanismus ist nicht nur eine archaische Ekstasetechnik, nicht nur eine frühe Entwicklungsstufe der Religion und nicht nur eine psychomentale Erscheinung, sondern ein komplexes religiöses System. Dieses System umfasst den Glauben, der die Hilfsgeister der Schamanen verehrt, und das Wissen, das die heiligen Gesänge, Gebete, Hymnen und Legenden beinhaltet. Es umfasst die Regeln, die den Schamanen bei der Aneignung seiner Technik leiten und es verlangt die Kenntnis der Gegenstände, die bei der Seance zur Heilung oder zur Wahrsagung benötigt werden.
Eine wichtige Rolle spielen die Schamanen auch als Medizinmänner und als Bewahrer der Traditionen.
In der Kosmologie der Schamanen werden eine Ober-, eine Mittel- und eine Unterwelt unterschieden, die durch den Weltenbaum in Gestalt einer Lärche und den Weltenfluss verbunden sind. Der Baum dient dem Schamanen bei seiner Reise in die Ober- oder Unterwelt. Die Seelen der Stammesmitglieder reisen von der Oberwelt, dem Ort des Ursprungs, entlang des Flusses in die Mittelwelt, das Diesseits. Weiter flussabwärts liegt das Reich der Toten.
Es gibt viele Beschreibungen von dem besonderen Charisma Rasputins. Ob bei Anhängern oder bei Gegnern, immer wieder wird von seiner besonderen Ausstrahlungskraft und seinen Suggestionskräften berichtet. Dieses Charisma Rasputins ist auch in der Hinsicht von Belang, dass es viel zu der späteren Verteufelung Rasputins als des leibhaftigen Bösen beitrug.
Nach seinen Wanderjahren fühlte er sich bereit, zu unterweisen und zu heilen. Stolz verkündet er: „Jetzt bin ich ein Starez geworden6.“
Er bekannte auch öffentlich seine Ablehnung der Riten der orthodoxen Kirche: „Ich hatte in meiner Seele das Bedürfnis, etwas zu finden, das dem Menschen das wahre Heil bringen könnte. Ich suchte nach Beispielen bei unseren Popen, aber das alles genügte mir nicht. Nur Singen und lautes Beten wie einer, der regelmäßig Holz hackt - das konnte doch nicht alles sein.“
Schon bald wurde es Rasputin in seinem Heimatort wieder zu eng.
1903 brach er auf nach St. Peterburg. Zu dem damals berühmtesten Theologen und Heiler des Zarenreichs: Johannes von Kronstadt (bürgerlich Iwan Iljitsch Sergijew, 1829 – 1908) war ein mit der Mitra ausgezeichneter Erzpriester der russischen-orthodoxen Kirche und Propst der St.-Andreas-Kathedrale in Kronstadt.
Er war mittelgroß und sah auch im Alter immer noch jung und munter aus Viele Augenzeugen waren besonders von seinen hellblauen Augen fasziniert, die >seine Gesprächspartner durchschauten<. Er starb in Kronstadt am 20. Dezember 1908 im Alter von 80 Jahren.
Kronstadt war Prediger, Schriftsteller, kirchlicher und gesellschaftlicher Aktivist und Verfechter von rechtskonservativen monarchistischen Ansichten. 1990 wurde er von der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, im Chorus der Gerechten heiliggesprochen.
Eine >Auszeichnung< die unserem Protagonisten bis dato erspart geblieben ist.
Als Kind lebte Johannes in extremer materieller Not, lernte früh die Armut und das Leiden der einfachen Menschen kennen. Johannes war ein hervorragender Prediger. Er sprach einfach und meistens ohne besondere Vorbereitung. Seine Predigten zeichneten sich durch Kraft und Gedankentiefe sowie durch theologische Bildung aus, waren dabei aber auch für Laien leicht zu verstehen.
Seit Anbeginn seines Dienstes widmete er sich vor allem der Wohlfahrt. Die Armut war überall. Die meisten Menschen hausten in Erdhütten und ähnlichen Behausungen, bettelten und tranken. Kriminelle wurden meist verbannt.
Gerade diesen Menschen, widmete sich Johannes. Er besuchte täglich seine Pfarrkinder um sie zu trösten, sich um die Kranken zu kümmern und finanzielle Hilfe zu leisten, indem er alles verschenkte, was er hatte, so dass er häufig nackt nach Hause zurückkehrte.
Ein wunderlicher Kauz!
Bald war Johannes als Wundertäter bekannt und in ganz Russland und darüber hinaus berühmt. Die Rat- und Hilfesuchenden wurden immer mehr. Die Menschen pilgerten, in großer Zahl zu Pater Johannes, nachdem 1883 in einer St. Petersburger Zeitung eine >Danksagungs-Annonce< veröffentlicht worden war.
Seine Heilungen geschahen angeblich sowohl bei privaten Besuchen als auch vor den Augen von Menschenmengen. Die Gebete von Pater Johannes bewirkten angeblich die Wunder nicht nur für die Orthodoxen, sondern auch für Moslems, Juden und für Nicht-Orthodoxe, die ihn sogar aus dem Ausland um Hilfe baten.
Der fromme Mann ließ sich aber auch immer wieder zu Polemiken gegen andere Religionen und Reformatoren hinreißen und kritisierte etwa immer schärfer den Schriftsteller Lew Tolstoi für seine Bemühungen, die Orthodoxie zu reformieren. Er betete aber offiziell trotzdem für alle weiter.
Allerdings war und ist die Wirksamkeit von Gebeten erwiesenermaßen gleich Null.
Eine der bisher größten Studien zur Religiosität und bestätigt das: Beten hat keinen Nutzen und auch die Frage, ob Gebete Kranken unter Umständen helfen können, bleibt offen. Die bisher größte wissenschaftliche Untersuchung zum Zusammenhang von Religiosität und Gesundheit zeigt, dass Gebete nicht zur Genesung von Patienten beitragen. Im Gegenteil: wissen Patienten, dass für sie gebetet wird, kam es der Studie zufolge sogar vermehrt zu Komplikationen. So nach dem Motto: Ich bin so krank, dass sie schon für mich beten müssen …
Während andere Forscher das Resultat auffallend zurückhaltend kommentierten, bereitete die Studie dem Philosophieprofessor Paul Kurtz, dem Vorsitzenden des Komitees zur wissenschaftlichen Untersuchung von Behauptungen zum Paranormalen, wenig Kopfzerbrechen. Auf die Frage, warum die Studie nicht auf eine Wirkung von Gebeten hindeute, antwortet er unverblümt: "Weil es keine gibt."
Das möge sie aber keinesfalls davon abhalten – wenn sie es tun – weiter zu beten.
Die Aufzeichnungen und Überlieferungen von Rasputins Wirken legen den Schluss nahe, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Schamanen gehörte, die in Sibirien eine bis in die Gegenwart ungebrochene Tradition haben. Schamanismus ist der Naturglaube der Urbevölkerung Sibiriens.
Noch heute glaubt man in Sibirien, dass ein Schamane Kranke heilt, indem er seine eigene Seele auf die so genannte Jenseitsreise schickt - um die Seele des Erkrankten zu finden und zur Rückkehr in die Welt der Menschen zu bewegen. Diese Astralreisen sind für den Schamanen geistig und körperlich äußerst anstrengend. Während der Heilungsreisen ins Jenseits kann es bei dem Schamanen zu Halluzinationen und ebenfalls zu Ohnmachtsanfällen kommen.
Rasputin beherrschte darüber hinaus wohl auch die Kunst der Hypnose und benutzte seine hypnotischen Fähigkeiten, um die eigentlichen Ursachen einer Krankheit oder bestimmte Verhaltensmuster für ihn wichtiger Personen herauszufinden.
Immer wieder gelang es ihm, seine hypnotischen Fähigkeiten zur Heilung von Krankheiten und Verletzungen einsetzen. Der Humbug rund um die Beterei wäre dann nur dazu da gewesen, um die einfachen Gläubigen noch mehr zu beeindrucken. Der Schamane tut in anderer Form ähnliches. Christen beten halt.
Durch diese Dinge festigte er seinen Ruf und auch seine spätere Stellung am Zarenhof. In seiner späteren Wohnung, die der Zar bezahlte, betrieb Rasputin eine Art Privatpraxis für jeden der seiner Kräfte bedurfte und zahlungsfähig war. Die hellseherischen Fähigkeiten Rasputins sind aber recht umstritten. Obwohl er einige Male mit nahezu unglaublicher Treffsicherheit Ereignisse voraussagte, ist es