Leben unter fremder Flagge. Thomas GAST
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»Fahr bitte zum Flughafen, wir bekommen Verstärkung!«
Er reichte mir den Personalbogen über den Tisch. »Vielleicht kennst du ihn ja. Angeblich war er in der Legion. Sein Name ist Fratelli. Ange Fratelli (Name geändert)!«
Ange. Donnerwetter! Und ob ich ihn kannte! Ange war im Milieu bekannt wie ein bunter Hund. Wir hatten zusammen in Französisch Guyana gedient. Nach seinem Ausscheiden aus der Fremdenlegion hatte er sich dazu entschlossen, einen Schritt weiter zu gehen. Er tat sich mit den ganz Großen des „internationalen Sicherheitsgewerbes“ zusammen und machte sich in diesem Milieu sehr schnell einen Namen. Mir war es ein Rätsel, was Ange hier zu suchen hatte. Jede Sicherheitsfirma im Irak hätte das Doppelte bezahlt, um ihn zu bekommen; als Teamleiter, versteht sich. Er war vom Fach. Ein absoluter Profi. Jemand „sans peur et sans reproche“! Einer also, dem Angst ein Fremdwort war und der fehlerfrei, methodisch und präzise arbeitete. Ich stand erneut in der Eingangshalle am Flughafen, doch diesmal mit einer dumpfen Vorahnung. Ange war ein Korse, wie er im Buche stand. Hochgewachsen, dunkles Haar, dunkle Augen und mit tiefen Falten auf der Stirn, kam er mir lachend entgegen.
»Schön, dich zu sehen, Thomas!«
Ohne zu zögern, ergriff ich seine Hand und schüttelte sie kräftig.
»Ange. Welcher Wind treibt dich hierher? Hat man dir etwa nicht gesagt, dass sogar Grobiane wie du hier Anzug und Krawatte tragen müssen?«
Ein schnippisches Grinsen erschien im erdbraunen Gesicht.
»Ich habe dich beobachtet!«, sagte er betont langsam. Eine Note in seiner Stimme gefiel mir gar nicht.
Etwas verwirrt sah ich auf die Uhr. »Wenn wir nicht gleich losfahren, geraten wir in die Rushhour. Dann ist auf Riads Straßen die Hölle los. Du solltest etwas schlafen, denn deine Arbeit beginnt mit der Frühschicht, das heißt genau in vier Stunden.«
Ohne auf meinen Kommentar einzugehen, sagte er: »Es war das erste Mal, dass wir auf verschiedenen Seiten kämpften, Tom! Wir lagen alle da oben, haben gewartet, bis sie euch endlich abzogen.«
Ich konnte mich nicht mehr verstellen und so tun, als ahnte ich nicht, wovon er sprach. Die Neugier brachte mich schier um.
»Du warst in Brazzaville?«
»Und ob ich dort war. Wären nicht die Legionäre vom 2. REP gewesen, und du mittendrin, wer weiß. Vielleicht hätte ›le Vieux‹ uns früher losgelassen.«
Anm. d. Verf.: Wen er damit meinte, war in unseren Kreisen kein Geheimnis. Le Vieux nannten wir den ins Alter gekommenen Söldnerführer Gilbert Bourgeaud alias Bob Denard. Ja, er war noch aktiv, hörte erst auf, es zu sein, als er im Oktober 2007 verstarb.
Er brauchte mir auch kein Bild davon zu malen, was geschehen wäre, wenn es zu einer frühzeitigen Konfrontation gekommen wäre. Sie waren gekommen, um einen „Kandidaten“ in eine bessere Position zu bringen. Eine Horde Profis! Alles, was Rang und Namen hatte, lag damals in den Wäldern westlich von Brazzaville, und wir hatten nichts davon geahnt.
Brazzaville!
Ich verband den Namen dieser Stadt im Herzen Schwarzafrikas mit einem persönlichen Misserfolg. Oh ja, ich erinnerte mich an jene Nacht und an die Ereignisse in der Avenue Schoelcher, unweit vom Centre culturel français. Es war am 07. Juni 1997. In dieser Nacht wehte der Wind des Todes durch die Straßen Brazzavilles. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.
»Sag dem Sergent-chef, er soll Gefechtsbereitschaft herstellen und den Zug antreten lassen. Ich bin beim Capitaine zur Befehlsausgabe!«
Ribeiro, ein Spanier, der zugleich Sergent de jour (Unteroffizier, verantwortlich für den geregelten Tagesablauf) war, witterte Aktion. Er sprang sofort auf. »Oui, Chef, mais…«
»Kein Aber«, befahl ich. »Das Lotterleben ist vorbei, mach schon!«
Er bewegte sich keinen Zentimeter vom Fleck. Verärgert und etwas irritiert sah ich zu ihm auf. Ribeiro war mein verlässlichster Gruppenführer. Er war gewissenhaft, loyal und pflichtbewusst und hatte, wie fast alle meiner Soldaten, die Feuertaufe längst hinter sich. Ich war stolz, ihn in meinen Reihen zu haben, hütete mich aber, ihm das zu oft zu sagen. Er benötigte hin und wieder eine starke Hand, die sein südländisches Temperament zügelte.
»Chef. Geht es endlich los?«
Ich atmete laut und tief aus. »Ja, Ribeiro«, sagte ich nachdenklich. »Es sieht so aus!«
Während ich in Windeseile meine Kampfstiefel schnürte, dachte ich an die vergangenen Jahre und war zufrieden. Was ich in der Legion bis zu diesem Zeitpunkt geschafft hatte, war, wie ein Offizier sich ausdrücken würde, ein „Parcours sans faute“, eine fehlerfreie Laufbahn. Vom einfachen Legionär, der dreimal am Tag Toiletten geputzt hatte, bis zum Zugführer, dem zweiundvierzig hartgesottene Legionäre hierher nach Afrika folgten: Ja, das konnte sich sehen lassen! Zugführer in der Fremdenlegion – ein Traum war für mich in Erfüllung gegangen. Es gab auf der ganzen Welt keine höhere Auszeichnung für einen wie mich. Doch diese Traumkarriere neigte sich, ohne dass ich es ahnte, bereits dem Ende zu.
FEBRUAR 1985
Mordanschlag auf Rüstungsmanager: Bei einem Attentat von Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) in Gauting bei München stirbt am 1. Februar 1985 der Chef des Luftfahrtunternehmens Motoren- und Turbinen-Union, Ernst Zimmermann.
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