Leben unter fremder Flagge. Thomas GAST

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Leben unter fremder Flagge - Thomas GAST

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Ort, weil hier das Ehrenmal der Fremdenlegion, das „Monument aux morts“ stand. Das Monument ist unzertrennlich mit einem Namen verbunden. Mit dem Namen eines Mannes, dessen Bild in jedem Büro der Fremdenlegion hängt, unabhängig davon, ob dieses Büro in der Wüste, in den Pyrenäen oder auf einer Insel im Pazifik steht: Rollet!

      „Mon général, cueillez ces palmes sans épines. Ô Prince des géants. Régnez sur l'océan. Des colonnes d'Hercule aux murailles de Chine!“ Mein General, nehmen Sie diese Palmen ohne Dornen entgegen. Oh Prinz der Riesen. Regieren Sie über den Ozean. Von den Säulen des Herakles (Gibraltar-Felsen und der Musa Berg – Mosesfelsen) bis zur Chinesischen Mauer. Arthur Nicollet, Legionär und Schweizer Poet, zu General Rollets Ehren.

      Rollet, ab 1931 der erste Inspekteur der Fremdenlegion, ließ es zum 100-jährigen Bestehen der Legion im Jahr 1931 errichten. Das Rohmaterial, purer Onyx-Quarz, kam aus einer Schlucht mit Namen Sidi-Hamza, 75 Kilometer von Sidi-Bel-Abbès entfernt. Die Legionäre brachen den Quarz mit Hammer und Pickel heraus, beförderten die Blöcke auf den Rücken von Eseln aus der Schlucht und luden sie auf LKWs. Im Quartier Viénot vollbrachte der Bildhauer Pourquet damit das Wunder. Achtzig Tonnen Symbolik. Achtzig Tonnen Geschichte und Tradition. Ein Globus, vier Säulen, Bronze aus Westafrika. Das Resultat? Unsere Geschichte in goldenen Lettern! „La Légion à ses morts 1831 – 1931“ (Die Legion gedenkt ihrer Toten 1831 – 1931). Am Gedenktag zum 150-jährigen Bestehen der Legion (Aubagne 1981) wurde hinzugefügt: „1931 – 1981“ Auf der Rückseite des Denkmals steht zu lesen: „Honneur et Fidélité“ (Ehre und Treue). Schließen wir Legionäre unsere Augen, lesen wir „Blut“, und wir lesen „Zusammenhalt und Schweiß“.

Grafik 153

       Das Monument aux morts der Legion steht in Aubagne (Südfrankreich) im Quartier Viénot. Das Gebäude dahinter ist das Museum der Fremdenlegion.

Grafik 152

       Das Monument: von Meister Paul Anastasiu. Anastasiu nennt das Gemälde « Tu verras la vie autrement » … du wirst das Leben anders sehen.

      Den Worten Honneur et Fidélité entnehmen wir: „Wir sind eine Familie, Legio Patria Nostra!“ Kolossal, provokant, massiv steht es da, wie für ewig gebaut. Kein anderes Monument dieser Erde drückt so viel Leidenschaft und Emotionen aus. Der Kriegsminister stimmte damals dem Bau des Denkmals zwar zu, doch finanzieren sollte es die Legion gefälligst auf eigene Faust. Und so kam es, dass vier Jahre lang, von 1927 bis 1931, jeder Legionär freiwillig jeden Monat einen Tag Lohn gab, um es abzubezahlen. In diesen längst vergangenen Tagen war die Solidarität der Truppe schon enorm, was dieses Exempel eindrucksvoll bestätigt. Am 26. Oktober 1962 wurde das Monument abgebaut und in Aubagne neu errichtet. Man kann sich vorstellen, dass ich im Laufe der Jahre oft nach Aubagne kam. Jedes Mal wirkte dieses Ehrenmal wie ein Schock auf mich, vor allem, weil ich um seine Geschichte wusste. Immer empfand ich bei dem Anblick ähnlich.

       Anfangs will ich es ignorieren, weil es wie ein Ding aus einer fremden Welt anmutet. Je näher ich ihm komme, desto mehr rückt es ins Zentrum meiner Betrachtung, bis es mich völlig fesselt, bis alles andere daneben verblasst!

      Die Zeit im 1. RE ist mir nur vage in Erinnerung, die Bruchstücke jedoch, die haften blieben, sehe ich klar und deutlich vor mir. Unser Gebäude im Quartier Viénot lag etwas abseits. Wir trugen muffige blaue Sportanzüge, deshalb die Bezeichnung „die blauen Säcke“, und in der dritten Woche auch schon das grüne Barett. Beides ohne irgendwelche distinkten Abzeichen. Vom Képi Blanc als Kopfbedeckung konnten wir zu dieser Zeit nur träumen. Alles in allem war ich 23 Tage in Aubagne. Für jede angebrochene Woche, je nachdem, in welcher Rekrutierungsphase wir uns befanden, bekamen wir andersfarbige Litzen an die Schulterklappen. Gelb in der ersten Woche, gefolgt von Grün und Rot. Rot bedeutete, dass alle Tests erfolgreich bestanden waren und einer weiteren Verwendung, d.h. der Versetzung nach Castelnaudary, nichts mehr im Wege stand. Das Gebäude, in dem wir logierten, es war der Sitz der ehemaligen PILE-Süd (Poste d’Information de la Légion étrangère / Informationsstelle der Fremdenlegion), hatte zwei Etagen. Ganz oben befanden sich irgendwelche Büros, die wir nie zu Gesicht bekamen. Wenn die schon älteren Legionäre über die Männer sprachen, die dort ein und aus gingen, wurden ihre Stimmen merkwürdig leise.

      »Mit denen da oben ist nicht gut Kirschen essen«, sagte ein Marokkaner zu mir. Es war derselbe, der mich tags darauf wegen einer unsinnigen Kleinigkeit mit einem Messer bedrohte. Vielleicht war er ein guter Messerkämpfer, aber vom Faustkampf hatte er nie etwas gehört. Unser Disput endete damit, dass mir der Kragen platzte und ich ihm ein Ding verpasste, dass ihm Hören und Sehen verging. Sein Opinel, ein Brotzeitmesser mit einem hölzernen, nussbraunen Griff, landete unter dem Tisch, er selbst lief einige Tage lang mit einem blauen Auge herum.

      In meiner Jugend las ich sehr viel, verschlang jedes Buch, das mir in die Hände kam. Entfernte Länder und exotische Abenteuer waren für mich ein Mysterium. Und danach sehnte ich mich: nach der Ferne, nach Abenteuer, nach dem Außergewöhnlichen. Insoweit, als es erdenklich ist, dass in einem Mann zwei Seelen schlummern, die des Romantikers und die eines Kämpfers, wollte ich beides für mich in Anspruch nehmen. In Aubagne lag ich nachts oft wach im Bett, dachte, dass im Ursprung eines jeden Abenteuers ebendieses zum Greifen nahe Mysterium liegt. Nach Einbruch der Dunkelheit zirpten die Zikaden, und von meinem Fenster aus sah ich die Berge. Ein warmer, milder Mittelmeerwind lockte verheißungsvoll. Irgendwo hinter diesem Meer, das spürte ich deutlich, lag meine Zukunft. Ich wollte plötzlich nicht mehr warten, sondern wollte alles auf einmal haben, und zwar sofort. Alle Abenteuer, alle Risiken, alle Gefahren auch. Ich wollte alle mysteriösen Berge erklimmen, die dort am Horizont emporragten. Bereits weit weg von zuhause, wurde ich von einem unwiderstehlichen Fernweh gepackt. Was genau ich suchte? Ich weiß es nicht! Möglicherweise hatte mir folgender Satz den Verstand geraubt.

      … hinter den Lichtern einer fernen, fernen Stadt schlummert meine Liebe im Verborgenen, also gab ich meinem Herzen einen festen Stoß und begab mich auf die Wanderung um die nächste Straßenbiegung!

      Ich glaube, diese Zeilen in einem Buch von Louis L’Amour gelesen zu haben, dessen Bücher ich bereits seit meiner frühsten Kindheit gelesen hatte.

      »Wach auf, Gast!«

      Ich hatte mit offenen Augen geträumt.

      »Der Sergent de semaine (Unteroffizier vom Dienst) will dich sehen!«

      ,Chef d’étage‘ Schmidt, ein deutscher Intellektueller, der ein paar Tage darauf desertierte, stand vor mir. »Sieht nach Ärger aus!«

      Der Chef d’étage, meist ein Frankophoner, also ein bereits Französisch sprechender Leidensgenosse, der dadurch Punkte sammelte, dass er uns bis aufs Blut mit nicht enden wollenden Arbeiten, den sogenannten Corvées, triezte, wurde unsanft beiseitegeschoben. Hinter ihm erschien eine wuchtige Gestalt, in der ich den Sergent de semaine erkannte. Ich sprang auf und nahm Grundstellung ein.

      »Mokhtar, der Marokkaner, ist spurlos verschwunden!«, sagte er mit eindeutig belgischem Akzent. Er studierte mein Gesicht. »Du hast nicht zufällig ’ne Ahnung, warum und weshalb?«

      Die Meinungsverschiedenheit zwischen mir und Mokhtar hatte die Runde gemacht. Leugnen war das Dümmste, was ich jetzt tun konnte, und so erzählte ich ihm ohne Umschweife, was geschehen war. Eine Schlägerei, das wusste ich, konnte in der Rekrutierungsphase die sofortige Entlassung zur Folge haben. Vielleicht täuschte ich mich, aber ich glaubte, in den Augen des Mannes vor mir den Ausdruck heimlicher Genugtuung und stillschweigender Anerkennung zu sehen. Die Sache ging für mich glimpflich aus, denn ich hörte nie wieder etwas über den Vorfall. Die nächsten Tage wurden von zahlreichen Arbeiten geprägt: Corvée chiot (Toiletten

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