Leben unter fremder Flagge. Thomas GAST
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Anm. d. Verf.: Und in der heutigen Zeit? In diesen Tagen besteht der sportliche Aufnahmetest essenziell aus drei Klimmzügen und dem Ausdauertest „Luc léger“. Die Klimmzüge sollten so ausgeführt werden, dass das Kinn höher ist als die Stange. Vor der jeweiligen Aufwärtsbewegung müssen die Arme „ganz“ gestreckt sein. Es gibt viele, die hier „versemmeln“, und das, obwohl sie eigentlich problemlos zehn Klimmzüge machen könnten. Sie beherzigen einfach diese zwei Punkte nicht: Kinn über die Stange, Arme gestreckt! Bei dem Ausdauertest geht es darum, auf einer genau bemessenen Strecke von 20 Metern hin und her zu laufen. Der Laufrhythmus beziehungsweise die Geschwindigkeit wird dabei jede Minute um 0,5 km/h erhöht. Jeder Kandidat muss dabei seine Geschwindigkeit so einteilen, dass er quasi auf den Meter genau nahe der Linie ist, wenn das hörbare Signal zum Neustart in die andere Richtung ertönt. Bei dem Test wird die sogenannte Vitesse maximale aérobie (VMA) ermittelt. Grob: Ihre Kondition wird „gemessen“! Wer genau wissen will, wie der Test praktisch durchgeführt wird, kann diesen mittels Eingabe „Test Luc léger“ auch bei Youtube finden (wer gut Französisch spricht, tut sich hier leichter). Die genauen Tonsignale kann man sich herunterladen. Zum Beispiel im mp3-Format: „Test luc léger bande sonore.“
Langsam wurde es ernst. Ich sah dunkle Wolken am Horizont. Man hörte so einiges: Gestapo. Wir nannten es so, das Bureau des Statistiques de la Légion étrangère (BSLE), wörtlich übersetzt Büro der Statistik der Fremdenlegion. Heute ist das BSLE unter der Bezeichnung Division statistique et protection de la Légion étrangère (DSPLE) bekannt. Es ist dem armeeeigenen Nachrichtendienst, der Direction de la Protection et de la Securité de la Défense (DPSD), ähnlich unserem militärischen Abschirmdienst, untergeordnet. Die bekommen alles heraus – oder fast alles. Unterteilt ist die DSPLE in:
Büro „Sekretariat und Informatik“
Zentrum „Situation“
Zelle „Personenkontrolle“
Zelle „Filterung der Kandidaten“ (gibt es nur in der Legion!)
Verwaltung der „Archive und Dokumentation“
Alle diese Zellen, deren Mitarbeiter dienstlich mit geheimhaltungsbedürftigen Dokumenten zu tun haben, unterliegen den höchsten Sicherheitsstufen. Sie streben nur ein Ziel an: Schutz und Sicherheit! Sie schützen die Institution sowie die in Frage kommenden Kandidaten. Die Ursprünge der DSPLE führen zurück ins Jahr 1925. Damals wurde auch in der Legion das berüchtigte Deuxième Bureau eingeführt. Aus dem wurde im Laufe der Jahre das BSLE. Die militärische Sicherheit (de facto der Geheimdienst) erstreckt sich bis in die einzelnen Regimenter. So gibt es mittlerweile in jedem Regiment der Legion einen Officier prévention et sécurité régimentaire (OPSR). Die Fremdenlegion will heutzutage wissen, wen sie in ihren Reihen aufnimmt. Das Profil der Legionäre ist ihr sehr wichtig. Wäre der Leser ein potenzieller Anwärter, so würde ich ihm raten, im Gespräch mit den Offizieren und Unteroffizieren der „Gestapo“ ehrlich und offen alle Fragen zu beantworten. Damals schon versprachen Kameraden mir ein Kreuzverhör, wie es schlimmer nicht sein konnte. Als ich auf Geheiß das Bureau zum ersten Mal betrat, ahnte ich, dass der Mann vor mir längst alles über mich wusste.
»Hast du jemals Drogen genommen?«
Ein Caporal-chef, der hinter ihm stand, übersetzte.
»Haschisch«, gab ich zu, während die Angst mir die Kehle zuschnürte.
»Politisch aktiv?« Er hob seinen Blick von meiner Akte und sah mich direkt an.
»Nein, so siehst du nicht aus! Sag mir, bist du homosexuell, hattest du was mit Männern?«
Ich sah also nicht so aus wie ein Politiker, vielleicht aber wie ein Schwuler?
Der Caporal-chef grinste. »Ein bisschen Spaß muss sein. Der Sergent-chef meint das nicht so. Sag einfach Ja oder Nein.«
»Natürlich nicht«, erwiderte ich einerseits empört, andererseits erleichtert. Erleichtert war ich deshalb, weil der Caporal-chef einen Dialekt sprach, den ich nur allzu gut kannte. Womöglich stammte er aus dem Elsass.
»Nun denn«, sagte der Sergent-chef mit dem Ansatz eines Lächelns. »Umso besser. Wie sieht es bei dir mit Vorstrafen aus?«
Meine Erleichterung wich purem Entsetzen. Mit zwölf hatte ich mal ein Zwanzig-Liter-Bierfass gemopst. Der Lastwagen einer Brauerei hatte des Nachts einen Unfall auf der Autobahn direkt hinter unserem Garten. Die Bierfässer lagen über die ganze Wiese zerstreut und der Biergeruch lockte alle Anwohner aus den Häusern. Wir waren eine kinderreiche Familie und ansonsten alles andere als wohlhabend, im Gegenteil. Die Armut bestimmte unseren Alltag. Meine Mutter hatte immer für alles im Leben kämpfen müssen. Das Wort Vater stand nicht in meinem Lexikon, es war für mich ein Fremdwort. Bei uns gab’s dreimal die Woche Brotsuppe. Meine Brüder und ich mussten uns lustige Sticker aus Stoff auf die schon viel zu kurzen Hosen nähen, um so die Löcher darunter zu verstecken. Neue kaufen kam gar