Leben unter fremder Flagge. Thomas GAST

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Leben unter fremder Flagge - Thomas GAST

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sechsstellige Erkennungsnummer und die FAMAS war ab diesem Zeitpunkt unsere Waffe. Die Waffennummer, die Matricule sowie seine Blutgruppe nicht auswendig zu kennen, hätte auch hier ernsthafte Folgen gehabt. Eine Woche lang Toiletten schrubben, mindestens! Der Sergent grinste voller Vorfreude, doch meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Ich hatte viel gelernt, mein Französisch klang perfekt.

      Der Sergent war verblüfft. »Wer ist dein Binôme, Gast?«

      »Engagé volontaire Bannhoultz, Sergent.«

      »Gut.« Er sah sich über meine Schulter hinweg bereits nach einem neuen Opfer um. »Sag Bannhoultz, dass ich mit seiner Arbeit zufrieden bin!«

      Mir war nicht entgangen, dass er nicht gesagt hatte, zufrieden mit deiner Arbeit‘! Ich war also auf der Hut! Am Ende der ersten Woche fuhren wir mit den Simcas und den alten Dodges auf die Farm Bel-Air. Dass es für uns kein Spaziergang werden würde, darauf hatten wir uns bereits vorbereitet. Horrorgeschichten gingen um. Sie erzählten davon, dass hier Legionäre, wenn man sie bei einem Fluchtversuch ertappte, gestellt und erschossen würden. Ich gab nicht viel drauf. Solche und ähnliche Geschichten erzählten der Regel nach Deserteure, wenn sie nach Hause kamen und sich dort ausweinten, um auf diese Art ihrer Flucht einen abenteuerlichen Touch zu verleihen. Was ich im Laufe meiner langen Jahre in der Fremdenlegion immer wieder festgestellt habe, war, dass der Legionär par excellence ein Soldat des Geländes ist. Manöver, Ausbildung, Einsätze und lange, lange Märsche, das waren die Essenzen, von denen wir zehrten. Die Bequemlichkeiten eines festen Quartiers taten zwar ab und zu gut, aber im Grunde gesehen zog es uns hinaus. Die Farmen des 4. RE bereiteten den jungen Legionär auf dieses Leben aus dem Rucksack vor. Sie vermittelten ihm Rustikalität, Zusammenhalt, brachten ihn der Natur näher, und das alles im alltäglichen Schweiße seines Angesichts. Ich übertreibe sicherlich nicht, wenn ich behaupte, dass die Farmen die Basis, die Schmiede und der Kitt unseres Zusammenhaltes waren. Dieser Korpsgeist wiederum war ausschlaggebend für das hohe Ansehen, das wir weltweit genossen. Und für unsere Erfolge!

      Bel-Air war eine Farm etwa siebzehn Kilometer von Lapasset entfernt. Es handelte sich um ein einziges, stattliches Gebäude. Dieses lag auf einer Lichtung, die von allen Seiten von einem dichten Wald umgeben war. Es führten nur ein Schotterweg sowie ein paar Schleichwege dorthin. Die Infrastruktur war mehr als rustikal. Nichts war warm, rosig oder etwa bequem. Zwar gab es fließendes Wasser, aber beim Duschen war es meist kalt bis lauwarm und trotz elektrischen Stroms konnte man das Eis innen von den Fenstern kratzen. Ein Fußball-Terrain lag hinter dem Hauptgebäude, einen Ball bekamen wir jedoch nie zu Gesicht.

      »Sieh dir das verdammte Seil an«, flüsterte Thompson mir zu, als wir unser Gepäck abluden. »Die Hälfte wird es nicht schaffen, wetten?«

      Mein Magen knurrte und die nagelneuen Kampfstiefel drückten. Ich sah rüber zum Seil. Es war gut und gerne zwei Meter länger und viel dünner als das in Lapasset: Eine Herausforderung war es allemal! Ich pfiff leise durch die Zähne.

      »Kann schon sein, Thompson. Aber denk dran, dass du das Seil nicht runterreißen, sondern an ihm hochklettern sollst!«

      Wir lachten beide, duckten aber sofort scheu die Köpfe, als der Caporal de jour mit grimmiger Miene in unsere Richtung sah. Eine halbe Stunde später gab es Brotzeit (Casse-croûte). Sardinen, Weißbrot und Wasser mit einem roten Sirup drin, doch die Sachen sollten wir uns erst verdienen.

      »Aperitif!« Die Stimme des Caporal de jour knallte wie eine Peitsche.

      Uns erwartete nicht etwa ein Martini on the rocks. Aperitif nannten wir die sportlichen Einheiten vor dem Mittag- und Abendessen: eine gesalzene Serie Liegestütze, Sit-ups und dann, längst Kompott in den Armen, sofort das Seil hoch.

      Thompson runzelte die Stirn. »Wenn das mal gut geht!«

      Der Erste, der vor dem Seil stand, war Ho, ein schmächtiger Vietnamese. Er fraß das Seil buchstäblich in sich hinein. Ich schätzte, dass er die acht Meter in sechs Sekunden geschafft hatte. Der nächste Kandidat machte sich bereit. Kaiser war ein dickwanstiger Ostdeutscher. Obwohl er beim Laufen gut mithielt, stand er mit dem Seil auf Kriegsfuß. Mit Mühe und Not schaffte er es bis zur roten Markierung ganz oben, aber dann verließen ihn die Kräfte; und als er nach unten sah, auch der Mut. Mit einem lauten Aufschrei ließ er sich fallen, hielt aber das Seil den ganzen Weg nach unten noch mit beiden Händen umklammert. Wimmernd rollte er sich am Fuße des Seiles zu einer Kugel zusammen. Seine Hände waren blutig, sein Mund zu einem Schrei geöffnet. Zum Dank für seine Bravour bekam er keinen Orden, sondern einen gewaltigen Fußtritt in den Allerwertesten.

      »Debout, crétin. Au prochain!« Steh auf, Idiot. Der Nächste ran ans Seil!

      Der Schwierigkeitsgrad der Ausbildung hielt sich in Grenzen. Was uns zusetzte, war die Kälte. Es war Anfang März, der Schnee lag knöcheltief und die Temperaturen waren weit unter dem Gefrierpunkt. Der Schlafmangel und die Tatsache, dass wir ständig Hunger hatten, erleichterten uns nichts. Wir dachten ständig an eine warme Stube, ein gutes Essen und an ausreichend Schlaf. Die Moral pfiff aus allen Löchern!

      Das Essen war zwar ganz in Ordnung, aber für die körperlichen Leistungen, die Tag und Nacht von uns gefordert wurden, war es quantitativ eindeutig zu wenig. Jeden zweiten Tag gab es Steak haché und Flageolets (weiße Zwergbohnen mit Hacksteak), was uns bald zum Hals heraushing.

      Obwohl ich körperlich vielen um einiges überlegen war, litt ich genauso. Das führte ich auf die Tatsache zurück, dass ich mich nicht zurückhielt und immer hundert Prozent gab, mich total verausgabte. Nichtsdestotrotz spürte ich, wie mein Körper sich veränderte. Ich wurde sehniger und das eine oder andere Fettpolster, das die vier Jahre bei den deutschen Fallschirmjägern überlebt hatte, war verschwunden. Der Tagesablauf war fast immer derselbe.

       5 Uhr Wecken.

      Viele von uns waren da aber schon auf, weil die Anzahl der Waschbecken nicht ausreichte. Für das Frühstück etwas Zeit herausschinden: Das war unverzichtbar!

      5 Uhr 02 Appell. (Man beachte: Zwei Minuten nach dem Wecken!)

      Die Stärke wurde festgestellt. Wir mussten so lange im Stillgestanden neben den Betten stehen, bis der Caporal durch die Reihen gegangen war und alle Legionäre namentlich aufgerufen hatte. Fast jeden dritten Tag hatten wir einen oder mehrere Deserteure. Die meisten wurden schon am gleichen Tag wieder erwischt und kamen sofort ins Gefängnis. Später stießen sie wieder zu uns und brachten meist auch die Grundausbildung zu Ende. So viel zu den Deserteuren, die man angeblich auf der Flucht erschoss! Zwischen Appell und dem Antreten zum Sport mussten die Corvées erledigt werden. Neben Körperpflege, Betten machen, Frühstücken etc. war die Zeit sehr eng bemessen. 6 Uhr 30 Antreten im Sportanzug.

      Footing! Laufen war angesagt. Bereits nach ein paar Tagen auf der Farm liefen wir in den sogenannten Groupes des forces, d.h. es wurden drei verschiedene Laufgruppen zusammengestellt, denen jeder von uns, seinem Niveau entsprechend, zugeteilt wurde. Die Strecke war von der Distanz her für alle dieselbe, nur der Laufrhythmus war unterschiedlich.

      Zurück vom Sport, ging es übergangslos zum Waffen- und Geräte-Empfang, danach: Duschen im Schweinsgalopp und wieder antreten. Am Kampfanzug befanden sich:

      ANP (Gasmaske), Helm, Bidon (1,5-Liter-Wasserflasche), pelle-US (zusammenklappbarer Spaten), Bretelles (Koppeltragehilfe mit Magazintaschen und Waffenputzzeug für die FAMAS). Vor den Füßen abgestellt hatten wir den Rucksack oder die Musette (Kampftasche). Meist war auch schweres Gerät dabei wie etwa Stacheldrahtrollen, Schaufeln, Sandsäcke, Kollektivwaffen wie Maschinengewehre und Panzerfäuste oder auch Optik und Funkgeräte. Schreibzeug war immer am Mann, ebenso wie das Opinel und der

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