Gottes Handwerk. Katrin Pirc

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Gottes Handwerk - Katrin Pirc

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andere Zweigstelle sollte generalüberholt und mein neuer Arbeitsplatz werden.

      Ich fand keinen Ort der Zuflucht mehr, außer in meinen Gedanken. Mir ist erst sehr viel später bewusst geworden, dass mich diese Phase bereits sehr verändert hat.

      Sex verlor immer mehr von der Bedeutung körperlicher Leidenschaft und Anziehung. Den perfekten Zeitpunkt zu erwischen, nach Kalender und Befruchtungsphase, mehr Muss als Lust. Ein verheizter Akt der Begierde, weil nur noch der Kinderwunsch im Vordergrund stand.

      Mit der Umgestaltung der neuen Arbeitssituation wurde mein Arbeitsvertrag entfristet. Doch ein sehr tragisches Ereignis, das sich binnen kürzester Zeit, nachdem ich die Zweigstelle gewechselt hatte, aufgetan hatte, brachte bald wieder eine berufliche Veränderung: Der Chefbuchhalter war an Leberkrebs erkrankt und starb nach wenigen Wochen – eine Dramatik, auf die ich besonders empathisch regierte, weil der Krebs meine Mutter erst kurz zuvor zur Witwe gemacht hatte. Ich wurde ins Büro der Hauptstelle eingebunden und fand meinen Platz unter Kollegeninnen und Kollegen in der Buchhaltung. Es war eine Position, an der ich mehr Gefallen finden konnte als an der vorigen. Es ging lustig zu, eine Atmosphäre, die mir wieder sehr gut tat. Umso wichtiger war es, nun mit offenen Karten zu spielen. Ich wollte nicht riskieren, dass die vielen Arztbesuche einen Eindruck vermittelten, der sich leicht fehlinterpretieren ließ.

      Auf Anraten meines Frauenarztes unterzog ich mich nach fast anderthalb Jahren Behandlung einer Gebärmutter- und Eileiterspiegelung.

      Mein Mann hatte sich kurz zuvor untersuchen lassen, ob das Ausbleiben einer Schwangerschaft vielleicht auch an ihm liegen konnte, allerdings ohne Befund. Demnach war der Eingriff, der unter Narkose in der Praxis vorgenommen werden würde, unumgänglich.

      Insgeheim hoffte ich, dass sich eine Ursache finden ließe, damit diese ewige Ungewissheit endlich ein Ende finden würde. Völlig in der Luft zu schweben und nicht zu wissen, was mit einem ist oder woran man ist, konnte und kann ich mit mir schlecht vereinbaren. Ich bin ein Mensch der Antworten braucht. Mit schmerzlichen oder unangenehmen Antworten kann ich besser leben, als mir irgendetwas zusammenreimen zu müssen, das eine Antwort ersetzen soll.

      Es stellte sich heraus, dass beide Eileiter verschlossen waren. Nur bei einem gelang es, mit erheblichem Nachdruck die Kontrastflüssigkeit minimal durchzuspülen. Der zweite war dermaßen aufgequollen und regelrecht entstellt, dass ein Durchkommen hier vollkommen unmöglich war.

      Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, war zwar nicht hundertprozentig auszuschließen, aber doch so gering, dass ich an Spezialisten der Reproduktionsmedizin überwiesen werden musste. Ich nahm diese Erkenntnis zunächst erstaunlich gut auf.

      Denn ich war gewissermaßen froh, dass innerlich etwas Ruhe eingekehrte, dass sich der Zustand zwischen meinem Mann und mir wieder entspannen konnte.

      Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto unwohler wurde mir. Ich wusste nicht viel über künstliche Befruchtung. Wollte ich diesen Schritt überhaupt gehen?

      Im Rückblick betrachtet, habe ich nie ernsthaft erwogen, diesen Schritt nicht zu wagen.

      Informationsbroschüren oder Erfahrungsberichte schilderten die hohe Belastung, physisch wie auch psychisch. Sich darüber bewusst zu sein, einer künstlichen Befruchtung entgegenzugehen, war ein Einschnitt, den ich – trotz sehnlichstem Wunsch – kritisch betrachtete.

      Kann ich das Risiko und die ethischen Aspekte mit mir vereinbaren? Habe ich den Mut, auch die Konsequenzen und Risiken, die mit einer künstlichen Befruchtung behaftet sind, zu tragen?

      Ein Informationsabend für betroffene Paare in der Kinderwunschpraxis gewährte mir und meinem Mann einen Einblick in die Methoden, in finanzielle Aspekte und Erfolgsquoten. Das anschließende Beratungsgespräch mit einer Ärztin stimmte mich sehr nachdenklich. Denn in der Theorie mag das alles recht wissenschaftlich-vielsagend klingen, aber in der Praxis wird es eine ganz andere Betrachtung finden.

      Ich hatte einen ungeheuren Respekt, in Gottes Handwerk zu pfuschen. Ein Gedanke, der zwangsläufig in mir aufkam, dann aber wieder verschwand.

      Die Entscheidung, eine künstliche Befruchtung anzustreben, überließ mein Mann mir. Nicht, um es sich selbst damit leicht zu machen, sondern weil er sich voll darüber im Klaren war, dass ich es sein würde, die sich dieser Prozedur unterziehen müsse. Sein Anteil dabei wäre der geringste. Der Kinderwunsch bestimmte meine Gedanken nahezu jeden Tag in den letzten 20 Monaten. Das Thema verfolgte mich im Freundeskreis bis ins Büro und wieder nach Hause. Ich wollte mich nie mit der Frage belasten müssen, ob ich es bereuen würde, wenn ich nicht jede Chance ausgeschöpft hätte.

      Eine kleine Metapher half mir dabei, meine Entscheidung nicht an Gottes Willen zu knüpfen: Ein verschlossener Tunnel lässt sich schließlich auch umfahren!

      Ich bin eigentlich gar nicht so gläubig, dass mich dieser Respekt davor selbst verwunderte.

      Natürlich sprachen wir in diesem Zusammenhang über eine Heirat, darüber, irgendwann eh heiraten zu wollen. Warum also nicht jetzt? Ich habe mir einen Heiratsantrag zwar immer anders vorgestellt, aber die Umstände ließen uns leider keinen Raum für sentimentale Romantik. Auf den Punkt gebracht: Die Krankenkasse beteiligte sich nur bei Ehepaaren. Also beschlossen wir kurzerhand zu heiraten.

      Zwei Monate später haben wir uns standesamtlich in nettem Ambiente im Kreise der Familie, mit Freunden und Arbeitskollegen das Ja-Wort gegeben.

      4 Künstliche Befruchtung

      Es vergingen Monate bürokratischer Amtswege, für die Prüfung und Bewilligung durch die Krankenkasse, wiederholte Untersuchungen beiderseits, die zur Wahl der richtigen Therapie notwendig waren. Unter Berücksichtigung des PCO-Syndroms und der verschlossenen Eileiter stand fest, dass es die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion, kurz ICSI, werden würde.

      Meine Regelblutung setzte stressbedingt häufiger aus, ganz typisch für das PCOS.

      Ich glaube bis heute, nicht wirklich viel darüber zu wissen. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass der verschlossene Eileiter im Therapieverlauf im Vordergrund stand. Während der Untersuchungen in den einzelnen Zyklusphasen wurde ich von einer Ärztin darauf aufmerksam gemacht, dass das PCOS Auswirkungen auf den Zuckerstoffwechsel hat. Mir wurde nahegelegt, mehr auf mein Gewicht zu achten.

      Meine Frustration stieg. Ich fühlte mich zunehmend missverstanden.

      Ich solle mehr Treppen steigen, hieß es.

      „Treppen gibt es bei uns zur Genüge!“

      „Aber Sie nutzen den Fahrstuhl?“

      Das war eine rein rhetorische Frage, weil die Betonung nicht in der Frage lag, sondern in ihrer geglaubten Beurteilung. Eine Suggestivfrage. Es gab überhaupt keinen Fahrstuhl!

      Ich habe mein Leben nicht dahingehend verändert, was eine plötzliche weitere Gewichtszunahme erklärt hätte. Trotzdem nahm ich zu. Heute glaube ich, dass es die Kombination aus Stress und dem PCOS war.

      Mein Alltag bestand für gewöhnlich darin, früh aufzustehen, meiner Hausarbeit nachzugehen, um halb acht zur Arbeit zu fahren, abends um halb sieben wieder heimzukehren, einzukaufen oder andere Restarbeiten zu erledigen. An den Abenden habe ich Wert darauf gelegt, die wenige Zeit mit meinem Mann zu genießen, mich beim Abendessen mit ihm auszutauschen und den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. An den Wochenenden, in der Regel alle 14 Tage, gern und oft auch zwischendurch, kam der Sohn meines Mannes

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